Lilian’s Story

Review aus The Film Music Journal No. 13/14, 1998

Anderthalb Jahre schipperte diese in Australien produzierte CD über die Weltmeere, ehe sie sich im Briefkasten einfand. Zwei Händler hatten zwischendurch schon abgesagt und ihre Existenz verleugnet. Nun sind Raritäten, hält man sie endlich in den Händen, bekanntlich nicht immer das um sie gemachte Brimbonum wert und Sammler mit Hamstergrinsen (habe was du nicht hast) können einem ziemlich auf die Nerven gehen. Spricht denn noch jemand von den fünf Chris Young-Promos, seitdem man SPECIES auch einzeln bekommt?

Die Verfilmung von LILIAN’S STORY (1995) wäre mir entgangen, sollte sie je durch die städtischen Kinos gesteuert sein, und auch über den Komponisten gibt es nichts zu berichten. Solchermassen auf die Musik zurückverwiesen, lässt man sich mit grosser Verwunderung, dann wachsender Begeisterung auf eine aus dem Rahmenfallende Komposition ein, die hier in erfreulichem Umfang vom Victoria Philharmonic Orchestra sowie den Ashton-Smith-Singers und diversen Solisten festgehalten wurde; in bestechender Klangqualität übrigens.

Da gibt es zum Beispiel «Lilian’s Theme»: Das ist so ein Stück, bei dem man zwanzigmal die Wiederholungstaste drückt; singt sich doch in ihm die Solovioline mit überwältigender Intensität ihren Schmerz von der Instrumentenseele. Dazu liefern Pizzicato-Streicher das rhythmische Ambiente, eine Art langsamen Walzer, dessen Schlagzeiten unregelmässig ausfallen und jeden Tänzer aus der Bahn werfen. Schon in diesem knapp vierminütigen Stück wird das Melos immer weiter hinausgetragen, von immer anderen Instrumenten (Flöte, Gitarre) fortgesponnen. Und diese instrumentale, teils auch vokale Variabilität ist neben melodischer Schönheit das Hauptfaszinosum der Musik.

Mal sorgt ein Klavier für die Introduktion, dann wieder eine Stimme oder eine Trompete. «Are You Real?» wird ganz dem Akkordeon überantwortet. Es ist zunächst einmal nur damit beschäftigt, sich selbst Mut zu machen, Klangfolgen auszuprobieren, greift schliesslich Lilians Thema auf, verliert aber wieder den Faden, um nochmals anzusetzen. Aus diesen meist bedächtig intonierten Soli zaubert Skubiszewski dann manchmal kammermusikalische Dialoge, belebt zwischendurch die Pulsfrequenz oder holt einen Chor dazu.

Fast alle Stücke sind dunkeltimbrierte Tongemälde, fast schon zu sensibel. Es lässt sich trotz der unentwegt tonalen Vorgabe keine andere Filmmusik-CD nennen, welche man als Vergleichsobjekt beiziehen könnte. Der erste Track ist der seltsamste: er belauscht eine Gruppe von eher nuschelnden als redenden Personen, stimmt dann eine verlorene Weise an, ehe Hauptdarstellerin Ruth Cracknell Teile des «Gefängnismonologs» aus Shakespeares Richard Il. vorträgt, eine im Vergleich zwischen Musik und Zeit ernüchtert gezogene Lebensbilanz: «I wasted time, and now doth time waste me». Am Ende der CD steht jedoch mit «Mundi Mundi ein siebenminütiger Rückblick auf die musikalischen Motive der Partitur.

Die Musikbegleitung zu LILIAN’S STORY leuchtet in ihrer introvertierten, aber ständig überraschenden Erscheinung über die gesamte Strecke. Eine Rarität im doppelten Sinn…!

Matthias  |  1998

LILIAN’S STORY
Cezary Skubiszewski
Columbia
47:08 | 17 Tracks