Bandes originales des films de Robin Davis: LE CHOC / J'AI EPOUSE UNE OMBRE / HORS-LA-LOI Philippe Sarde Universal France 53 522 300 0 64:20 Min. / 22 Tracks
Als Aushängeschild dieser neuen Philippe Sarde-Kompilation aus dem Hause Universal dient ein Mann, der selbst unter eingefleischten Cinéasten in Frankreich kaum bekannt sein dürfte: Regisseur Robin Davis war in den 80ern ein mittelmäßiger Routinier im Krimi-Genre, der das Glück hatte, dass er Mitte der 70er als Produktionssekretär und Regieassistent von Georges Lautner in dessen Zirkel die Bekanntschaft von Philippe Sarde machen und ihn als Freund gewinnen konnte. Insgesamt vier Filme vertonte Sarde zwischen 1982 und 1990 für seinen rund zwei Jahre älteren Kollegen, von denen drei auf dieser CD vertreten sind: Le Choc (1982), J’ai epousé une ombre (1983) und Hors-la-Loi (1985).
Aus diesem Trio kam einzig und allein der inszenatorisch völlig mißratene Le Choc mit Alain Delon als alterndem Berufskiller und Catherine Deneuve als Farmerin in die deutschen Kinos, ging aber hierzulande ziemlich schnell sang- und klanglos unter. Wie Davis im höchst interessanten und amüsant zu lesenden Booklet berichtet, gestalteten sich bereits die Dreharbeiten dermaßen chaotisch mit Interventionen von Delon selbst, dass Davis mehrfach das Handtuch werfen wollte und ein steriles Endprodukt übrig blieb. Sarde hingegen versuchte mit seiner Musik zu retten, was zu retten war, und ging mit geradezu überschäumendem Enthusiasmus ans Werk: «Ich werde aus Deiner Hühnerzüchterin eine Königin machen» soll er gegenüber Davis geäußert haben – und in der Tat ist der kompositorische Elan, die Frische der Instrumentierung und die betörende Sinnlichkeit der Streichermelodik in diesem Score beeindruckend. Ja, die «Königin von Versailles» ist sogar förmlich vor Augen zu sehen, wenn das Liebesthema in der zweiten Hälfte des Tracks Symphonie dindon mit schelmischer Augenzwinkerei in eine regelrechte höfisch-zeremonielle Barockmusik verwandelt wird.
Le Choc entstammt der Zeit der frühen 80er, als Sarde auf dem Zenith seiner Kreativität stand und in Peter Knight einen kongenialen und leider viel zu früh verstorbenen Orchestrierer besaß, der durchaus mitverantwortlich war für jenen so prächtig funkelnden Streicherglanz, der die meist mit dem London Symphony Orchestra eingespielten Sarde-Partituren dieser Periode auszeichnete. Musikalisch wird das Konzept der von Sarde zuvor vertonten Werke Mort d’un pourri(1977) und Le choix des armes (1981) hier weitergesponnen: Reizvolle und überraschende Klangfarben entstehen aus den Reibungen und der Konfrontation diverser Klangebenen, worin sich Sarde als wahrer Meister entpuppte: Jazz-Rock und Sinfonik vermischen sich in dem ursprünglich bereits 1974 für Robert Bressons Historienfilm Lancelot du Lac in einem völlig anderen Arrangement auftauchenden Hauptthema Choc melody, einer Art bizarrem Marsch, wo das Solo-Saxophon von Wayne Shorter, eine Rhythmusgruppe und der große Klangkörper des LSO großartig ineinandergreifen und dabei für unerhörten Drive und Schmiss sorgen, der wahrlich Spaß bereitet.
Es ist vor allem die ausgewogene Balance, die hier ein ohrwurmträchtiges und farbiges Hörvergnügen entstehen läßt. Einzig und allein der rein perkussiv geprägte und schräge Track 8 Commando Schroeder fällt aus dem Rahmen, da hier der mehr oder weniger improvisierte Jazz-Rock der Weather Report-Band ganz im Mittelpunkt des Geschehens steht. Alle anderen Stücke jedoch sind höchst subtil und raffiniert ausgestaltet, so dass sich Shorters bluesiges Saxophon gerade in den elegischen Passagen besonders verführerisch mit den schwelgenden Romantizsimen der typischen Sarde-Streicher vereint. Das Liebesthema – eigentlich bereits 1970 im Swingle Singers-Stil für La liberté en croupe komponiert – und das Scherzo hatte Sarde zwar drei Jahre später für seinen US-Score The Manhattan Project nochmals recycelt, doch die weitaus aparteren und exquisiter gehandhabten Instrumentierungen finden sich hier in dieser früheren französischen Peter Knight-Version.
Le Choc wurde 1982 auf einem schönen General Music-LP-Klappalbum veröffentlicht und für die vorliegende CD in derselben Sequenzieurng übernommen – allein eine 30-sekündige Gitarren-Coda im vorletzten Track La joie ist allerdings merkwürdigerweise jetzt erstmals überhaupt zu hören.
Bislang so gut wie gar nicht auf Tonträger greifbar war Sardes Tonschöpfung für den 1983 entstandenen kammerspielartigen Psycho-Thriller J’ai epouseé une ombre mit Nathalie Baye nach einer Krimivorlage von William Irish. Allein der von Starsänger Johnny Hallyday – damals Nathalie Bayes Ehemann – interpretierte Titelsong mit dem satt-romantischen und hier leicht verpopten Hauptthema erschien 1983 zu Promozwecken auf einer Hallyday-Single. In den vier instrumentalen Tracks mit rund 10 Minuten, die im Anschluß zu Gehör kommen, dominiert überwiegend kammermusikalisch angelegte Feinarbeit à la Sarde mit vielen Soli für Gitarren und Holzbläser. Die kriminalistische Handlungsintrige läßt Sarde fast ganz außen vor und konzentriert sich stattdessen auf die Szenerie des Weinbaugebiets um Bordeaux, wo der größte Teil des Films spielt. So ist eine in warmen und zarten Pastellfarben gehaltene Komposition entstanden, die ein lyrisches Kleinod mit von solistischen Partien umrankten Varianten des herrlichen Hauptthemas darstellt. Ein kleines Fest für Genießer anrührender romantischer Filmmusik aus Frankreich und solche, die es werden wollen.
Gegenüber den beiden vorherigen Arbeiten fällt Hors-la-Loi, der dritte Score auf der CD, deutlich ab, obowhl Sarde selbst bereits mehr als 10 Minuten mit reinen Rockpartien der alten Carrère-LP von 1985 entfernt hat, die sogar ihm heutzutage als total veraltet und daher für eine CD-Ausgabe unnötig erscheinen. Doch selbst die jetzt noch übrigen 21 Minuten lassen absolut keine Begeisterung aufkommen: Sarde scheint keinen richtigen Zugang gefunden zu haben zu diesem merkwürdigen Drama über eine Gang von Jugendlichen, die aus einer Erziehungsanstalt ausbrechen und in allerhand tödlich endende Schießereien verwickelt werden. Zu uninspiriert und skizzenhaft wirken die halbgaren thematischen Einfälle, müde plätschern Klavier oder Banjo nebst Glasharmonika in den ruhigen Stücken dahin, auch Sardes ansonsten große Stärke, ungewöhnliche Solo-Instrumente mit einem größeren Klangkörper (hier das Orchestre de Paris) zu kombinieren, bleibt hier ein merkwürdig verkorkstes Konstrukt. Hors-la-Loi gehört zu den wenigen richtigen Enttäuschungen von Sarde aus den 80ern und muß hier als reine Zugabe betrachtet werden. Allein wegen Le Choc und J’ai epousé une ombre aber sollte jeder Interessierte bei dieser feinen CD zugreifen, denn in diesen Scores ist Philippe Sarde in Top-Form zu erleben.
Stefan, 26.2.2010
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