La notte di Pasquino

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

Mit einem wundervollen Score zu einem nagelneuen TV-Historienfilm, der im Jahre 1870 spielt, meldet sich der Veteran der italienischen Filmmusik Armando Trovajoli tatsächlich nochmals ins aktuelle Soundtrack-Geschehen zurück und schafft es fast mit der linken Hand, so ziemlich alle derzeitigen Klangkulissen-Lieferanten aus den USA oder auch aus Europa in puncto thematischer Erfindungskraft locker abzuhängen.

In einem Zeitraum von nunmehr 50 Jahren hat Trovajoli seit 1952 über 350 Filmmusiken für alle möglichen Genres geschrieben und dabei auch immer wieder seine musikalische Vielseitigkeit zum Ausdruck gebracht. Gerade in den 60er und 70er Jahren war er einer der produktivsten italienischen Filmkomponisten, und nicht selten entstanden gar 15 bis 20 Scores pro Jahr. In den letzten Jahren hat Trovajoli seine filmmusikalischen Tätigkeiten auf die Arbeiten seines Regiefreundes Ettore Scola beschränkt, und auch mit Luigi Magni, dem Regisseur von LA NOTTE DI PASQUINO, verbindet ihn eine bis ins Jahr 1962 zurückreichende Freundschaft. Magni hatte auch 1969 schon NELL’ ANNO DEL SIGNORE inszeniert, den der neue Film nun gewissermaßen fortsetzt und bei dem ebenso der nun deutlich gealterte Hauptdarsteller Nino Manfredi seine Rolle von damals wieder übernommen hat.

Was nun die Musik selbst betrifft, so würde wohl kaum ein Hörer auf die Idee kommen, daß sie Ende des Jahres 2002 komponiert worden wäre. Trovajoli schert sich nämlich bei diesem feinfühligen und durchgängig wehmütig angehauchten Score um keinerlei Moden und betreibt eigentlich pursten und schönsten Anachronismus. Keine unnötige Effekthascherei, kein heroisches Pathos kommt hier zum Tragen, vielmehr strahlt die ganze Komposition eine in sich gekehrte Bescheidenheit, Grazie und Eleganz aus, die zu Herzen geht und innerhalb der Filmmusikproduktion der Gegenwart wahrlich eine besondere Preziose darstellt. Man bedenke: Immerhin ist der 1917 geborene Trovajoli mit seinen 85 Jahren der zur Zeit älteste noch aktive Filmkomponist überhaupt und erweist sich hier in beinahe unglaublicher Weise als komponierender Jungbrunnen.

Die Musik macht eines übermäßig deutlich: Der Mann hat nichts mehr zu verlieren und kann ganz in seiner eigenen Komposition aufgehen, die dem dementsprechend disponierten Hörer ein Gefühl der Abgeklärtheit und des Gelöstseins vermittelt. Was allein zählt, ist die Schönheit des melodischen Materials, das in verschiedenen Variationen über die Länge der CD aufgezäumt wird. Und welch herrlich elegisches Thema voll typisch italienischer Verzierungen und Ornamentik Trovajoli für uns bereithält, ist bereits im ersten Track zu spüren, in dem zunächst Cello und Gitarre vor einem Streicherhintergrund die schwärmerische Melodie aufbauen, bis eine verträumte Solo-Violine und Oboe sie weiterführen. Kaum für möglich zu halten, daß in irgendeiner neuen Filmmusik des Jahres 2003 ein anmutigeres und aparteres Thema an unser Ohr dringen wird. In den folgenden Tracks weiß Trovajoli seinem einmal gefundenen Thema immer wieder neue Reize abzugewinnen und es zugleich in warmherziger Weise zu variieren, wobei vor allem Klavier, Oboe und Cello in ausgiebigen Solopartien eindrücklich zu Wort kommen. Glöckchenklänge, Gitarre und Streicher laden hingegen in La Carrozza di Pasquino und Giro Notturno da Pasquino in Carrozza zu einer verträumt-spielerischen Kutschenfahrt durchs nächtliche Rom ein, die einfach bezaubert.

Stefan  |  2003

LA NOTTE DI PASQUINO

Armando Trovajoli

Image Music

36:31 | 12 Tracks