TEXAS RISING
John Debney, Bruce Broughton (itunes USA)
Leider ist die Musik zur Mini Series Texas Rising bisher nur auf
itunes USA erhältlich und somit für Nicht-Amis auf legalem Wege nicht einfach
zu bekommen. John Debney holte Bruce Broughton quasi aus dem Ruhestand für
diesen Western und damit einen der besten Komponisten des Genres. Es wäre auch
zu schade gewesen, hätte man von Broughton, der sich selber nie als
Westernkomponist bezeichnet hat, filmmusikalisch nichts mehr zu hören bekommen.
Umso schöner, hat es jetzt mit Texas Rising geklappt. Der Score
beginnt mit der langen „Texas Rising Suite“, hier sind die melodische Arbeit
und auch das Hauptthema Bestandteil der neun Minuten Spieldauer.
Broughtons Arbeit ist relativ einfach zu identifizieren: das Hauptthema, „Rangers
Run into Mexican Army“, „Deaf Tries Talking to Lupe“, das famose „Battle of San
Jacinto Pt. 1“. Diese Tracks sind aus meiner Sicht unmissverständlich dem
Veteranen zuzuschreiben. Von Debney stammen wohl Stücke wie „Emily Rescue“,
„Gettin› a Whippin’“, „Santa Ana and Emily Sex in the Bath“ und „Houston
Addresses the Troops“.
Texas Rising ist, auch mit den Songs u.a. von Kris Kristofferson und José
Feliciano, ein wirklich feiner Westernscore und nicht zuletzt dank des Beitrags
von Broughton eine hörenswerte Sache!
4, Phil
HE NAMED ME MALALA
Thomas Newman (Sony)
Mit He Named Me Malala (2015) drehte Regisseur Davis Guggenheim
einen Dokumentarfilm über das politische Engagement von Malala Yousafzai,
Kinderrechtsaktivistin aus dem Swat-Tal in Pakistan und bis dato jüngste
Friedensnobelpreisträgerin (ausgezeichnet im Oktober 2014, damals war sie 17
Jahre alt). Ihr Engagement für die schulische Bildung der weiblichen
Bevölkerung machte sie zur Zielscheibe der Taliban, welche am 9. Oktober 2012
ein brutales Attentat auf Yousafzai verübte und sie lebensgefährlich verletzte.
Doch Yousafzai überlebte das Attentat und kämpft unerschrocken weiter für das
Bildungsrecht der Frauen.
Die Musik für diese Dokumentation komponierte Thomas Newman. Er liefert einen
überwiegend lieblichen, zarten Score, der auf eine Streicher-Besetzung als
Basis baut und von Soli für Klavier, Gesang, Harfe und Holzblasinstrumente
begleitet wird. Das Ergebnis ist durch und durch ein Thomas Newman-Score und
wunderbar anzuhören, jedoch auch gänzlich „un-aufregend“. Aufgrund der Thematik
des Films ist es gar etwas überraschend, wie locker-leicht, funkelnd und
optimistisch die Musik überwiegend geworden ist. Schön, farbenfroh und
wohlklingend, jedoch auch routiniert und im Kanon des Komponisten gesehen eher
anonym. Die Musik lädt einem ein zum Entspannen, nimmt jedoch nicht gefangen.
3.5 Basil
INVASION OF THE BODY SNATCHERS
Carmen Dragon (La-La Land Records)
Für Carmen Dragon, der innerhalb von 20 Jahren rund ebenso viele
Filmmusiken schrieb ‒ die meisten davon für Krimis und Komödien ‒ dürfte Invasion
of the Body Snatchers der bedeutendste Score gewesen sein. Don Siegels
paranoiden, mehrdeutigen Sci-Fi-/Horror-Thriller ‒ ein Kabinettstück
konsequenten Spannungsaufbaus, der seine Wirkung selbst nach mehrmaligem
Schauen nicht verfehlt ‒ unterlegt Dragon nur sporadisch mit den für die Genrefilme
der 1950er-Jahre typischen, hysterischen Klängen. Bei seiner Musik handelt es
sich vielmehr um ein recht komplexes Gebilde aus langsam sich in Panik
steigernden Suspense, wobei hier vor allem dem Piano mit wegweisenden, tiefen
Staccato-Noten eine tragende Rolle zukommt. Ein perkussiver Marsch, der sich
früh ankündigt, aber erst am Schluss seinen ganzen, apokalyptischen Charakter
ausbreitet, bildet das eine wichtige Grundmotiv, das andere ist ein ebenso
elegantes, wie sich der Tragik bewusstes Liebesthema. La-La Land Records
offeriert mit Invasion of the Body Snatchers (vermutlich die erste
Veröffentlichung eines Dragon-Scores überhaupt) ein kleines Schmankerl, an dem
vor allem Genremusik-Fans ihre Freude haben dürften.
Andi 3.5
ENOLA GAY
Maurice Jarre (Varese LP to CD)
Mit Abstand die bisher interessanteste Veröffentlichung in dieser nicht unumstrittenen LP to CD Serie von Varèse Sarabande (bei der man bisher eher das Gefühl hatte, Varèse würde hier den angesammelten Müll der letzten Jahrzehnte verwehrten) ist Maurice Jarres Enola Gay, ein mir bis anhin völlig unbekannter Score aus deren Archiv. Für den damals teuersten TV-Film aller Zeiten komponierte der Franzose wie gewohnt den ein oder anderen Marsch, die knapp 40 Minuten Laufzeit teilt sich Jarre ansonsten mit zwei Glenn Miller Suiten. Ärgerlich sind die unterschiedlichen Lautstärkepegel. Die Glenn Miller Sachen sind gegenüber Jarres Score viel zu leise gemastered. Hin und her springen zur Anlage oder Bereithalten der Fernbedienung sind also angesagt. Ausserdem würde das was man von Enola Gay als Score hört, Lust auf mehr machen. Die Kürze der CD ist ein Wermutstropfen. Das was an Filmmusik da ist macht knapp 20 Minuten aus.
3 Phil
MAZE RUNNER: THE SCORCH TRAILS
John Paesano (Sony)
Maze Runner: The Scorch Trials (2015) setzt die Erzählung um die Maze Runner-Teenies aus dem ersten Teil (2014) fort. Doch statt der Story neue Facetten zu verleihen, wurde an den Action- und Suspense-Knöpfen gedreht. Dies wirkte sich auch auf die Filmmusik von John Paesano aus. Dieser lieferte mit The Maze Runner(2014) ein kurzweiliges Blockbuster-Debüt mit heroischem Thema und einigen knackigen, orchestralen Action-Highlights. Umso grösser die Enttäuschung, dass die Fortsetzung zur überlangen, formelhaften Action-Musik verkommen ist. Synthi-Elemente rücken in den Vordergrund, wobei Anlehnungen an die Soundtracks zu Gravity (2013) und Interstellar (2014) besonders merkwürdig anmuten (bspw. in Cranks! und The Scorch). Nach über 70 Minuten ist man ob der konstanten Lautstärke benommen, vermag jedoch kaum einen Musikmoment zu rekapitulieren. Die Saat von Maze Runner (2014) wurde damit in Scorch Trials nicht zur Blüte gebracht, sondern leider abgefackelt. Schade. Doch verbrannte Erde soll bekanntlich besonders fruchtbarer Boden sein, womit eine allfällige dritte Maze Runner-Musik von Paesano (The Maze Runner: The Death Cure soll 2017 ins Kino kommen) eventuell wieder überzeugen könnte.
2.5 Basil
SEVENTH SON
Marco Beltrami (Varese)
Weshalb Julianne Moore und Jeff Bridges in diesem 95 Mio. Dollar teuren Fantasyspektakel, das in unseren Landen völlig am Publikum vorbeiging, mitspielen, können wohl nur sie oder deren Agenten beantworten. Marco Beltrami jedenfalls – und das ist für uns Filmmusikfans die Hauptsache – steuert eine kraftvoll orchestrale, stellenweise mit Chor ausgestattete Musik bei, die vom Konzept her, aber auch beim Hauptthema durchaus an Michael Giacchinos Jupiter Ascending erinnert. Nichtsdestotrotz ist Beltrami eine wirklich gute Filmmusik mit einigem an Anhörpotential gelungen. Die auf 1000 Stück limitierte und nach wie vor erhältliche CD kann musikalisch überzeugen, leider jedoch kaum von der Ausstattung her. Das Booklet ist zwar dick, aber ausser Filmbildern ist hier nichts zu wollen.
3.5 Phil
DESERT FURY
Miklós Rózsa (Intrada)
Dieser Streifen mit Burt Lancaster (dessen ersten drei Filme alle von
Miklós Rózsa mit Musik ausgestattet wurden) fällt mitten in die Film-Noir-Phase
des ungarischen Komponisten und ist, was das Genre betrifft, in einigen Punkten
speziell: er wurde in Farbe gedreht, spielt in ländlichen Gegenden und deutet
das Thema Homosexualität für die damalige Zeit recht unverblümt an. Eher
typisch ist hingegen die Musik. In gewohnter Manier seziert Rózsa mit
unheilvollen, tragischen, gequälten und bisweilen brutalen Klängen die
verhängnisvolle Affäre einer jungen Frau ‒ in die sich auch Lancaster als
Sheriff verguckt ‒ mit einem zwielichtigen Kerl mit dunkler Vergangenheit. Es
gibt für beide Konstellationen dieses Liebesdreiecks ein Thema, und nur allein
schon aufgrund derer Charakteristiken lässt sich relativ leicht erraten, wer am
Schluss das Mädchen kriegen wird. Als Einzeltrack sticht das westernartige Bronco
Broken heraus, und mit The Chase, der eine spektakuläre
Autoverfolgungsjagd unterlegt, erhält der Score einen dramatischen Höhepunkt
sondergleichen. Für den geneigten Rózsa-Fan ist die erstmalige Veröffentlichung
von Desert Fury eine freudige Überraschung. Es fehlen zwar ein paar
Minuten Musik, am Klang hingegen kann man angesichts des Alters wenig bis
nichts aussetzen.
4, Andi
GOOSEBUMPS
Danny Elfman, Sony
Goosebumps (2015) basiert auf der gleichnamigen Taschenbuchreihe von
R. L. Stine, die 1992 startete und bis dato fast 100 Bände umfasst. In der
Grusel-Komödie von Regisseur Rob Letterman öffnen unvorsichtige Teenager die
Manuskripte von R. L. Stine (gespielt von Jack Black) woraufhin alle möglichen
Monster den Büchern entspringen und für Chaos sorgen. Für diese durchgeknallte
Unterhaltung ist Danny Elfman als Komponist geradezu prädestiniert. Mit Chor,
Orchester, Theremin, Glockenspiel, markiger Perkussion und Sound-Effekten lädt
er zu einer Tour-de-Force ein, die von unzähligen Fantasy-Musik-Markenzeichen à
la Elfman geprägt sind. Das Ergebnis lässt Erinnerungen an Klassiker wie Batman (1989), Edward
Scissorhands (1990), Mars Attacks! (1996) oder auch Alice
in Wonderland (2010) und Frankenweenie(2012) wach werden. Für das
furiose Finale (They’re Here) stellt Elfman dem Chor noch eine Orgel zur Seite,
womit sein überdrehter Gothic-Musikstil auch noch mitklingt. Zudem interessant:
Die chronologische Albumpräsentation ist mit Stück 17 (nach gut 40 Minuten) zu
Ende. Danach folgen 12 weitere Stücke als „Bonus Tracks“; quasi für all jene,
die nach dem 40-minütigen Hörvergnügen noch nicht genug haben. Hier mischen
weitere Theremin- und Action-Stücke mit, welche tatsächlich zu einer
Geduldprobe für den Hörer werden könnten und deren separate Platzierung auf dem
Album daher willkommen ist.
4 Basil
THE LOVERS
Dirk Brossé (Varese)
Ebenfalls im 1000er Limitierungsprogramm von Varèse erschienen ist The
Lovers des belgischen Komponisten und Dirigenten Dirk Brossé. Für diesen
Film von Roland Joffe (The Mission), der in zwei Zeitzonen und Kontinenten
spielt (Josh Hartnett mit schlechter Perücke ist gewöhnungsbedürftig), hat
Brossé einen leidenschaftlichen, manchmal weitschweifend romantischen Score
geschrieben. Insbesondere sein Hauptthema mit seinem asiatischen Touch ist ein
absoluter Hinhörer. Dazu stellt Brossé ein üppiges Arsenal an Perkussion, das
in den spannungsgeladenen Stücken Verwendung findet. Anspieltipp für
Neugierige: Track 23 „The Lovers“. Der Film ist eigentlich kaum bekannt,
schade, denn ein Komponist wie Brossé könnte einigen US-Komponisten den Rang
durchaus ablaufen wie diese Musik beweist.
Es spielt hier übrigens der fulminante Klangkörper des London Symphony
Orchestra, ein Jammer kommt dieses tolle Orchester dieser Tage in der Filmmusik
weit weniger zum Zug als auch schon (gerade dass es mit dem neuen Star
Wars Film The Force Awakens nichts wurde, ist sehr bedauerlich).
4, Phil
IN HARM’S WAY
Jerry Goldsmith (Intrada)
Hauptkaufsargument dieser doch etwas überraschenden Neuauflage des Goldsmith-Klassikers ‒ nebst der Tatsache, dass die letzte, noch nicht so lange zurückliegende Veröffentlichung, ebenfalls aus dem Hause Intrada (Rezension dazu hier), nur relativ kurze Zeit verfügbar war und demzufolge wohl von einigen Sammlern verpasst wurde ‒ sind drei zusätzliche Tracks. Ein grosser Grund zum Jubeln ist dies jedoch nicht, denn nur einer davon enthält dramatischen Underscore, und der macht ob seiner Kürze den Braten auch nicht besonders fett. Es gibt darüber hinaus aber trotzdem ein paar Anreize, sich diese CD zu holen: da die 1965er-Album-Master der ersten Generation lokalisiert werden konnten, dürfte die Musik besser klingen denn je, und der Score wird erstmals ‒ mit Goldsmiths eigenen Tracktiteln, die öfters von den altvertrauten abweichen ‒ chronologisch präsentiert, was ihm durchaus zugute kommt, da er eine mehr oder weniger klare Trennlinie zwischen U- und E-Musik zieht und damit eine sinnvollere Struktur erhält. Wem jedoch das angestammte LP-Programm in Fleisch und Blut übergegangen ist (was bei einigen gestandenen Goldsmith-Fans der Fall sein dürfte): kein Problem, dieses wird frei Haus mitgeliefert, und natürlich darf auch das klassische Cover-Art von Saul Bass nicht fehlen.
4 Andi
22.11.2015