kurz und knapp 42: Death Hunt, Twisters, Last Action Hero, Goliath Awaits, Jerry Goldsmith: The General Electric Theatre, Backstairs at the White House, Fear Street, Alien: Romulus

ALIEN: ROMULUS
Benjamin Wallfisch, Hollywood Records

Neuer ALIEN Film, neuer Komponist… neuer Regisseur. Fede Alvarez (THE GIRL IN THE SPIDER’S WEB, 2018) führt uns abermals das Grauen im All, wo dich bekanntlich niemand schreien hört, vor und Benjamin Wallfisch, dieses Jahr mit TWISTERS (siehe in diesem «kurz und knapp 42») bereits im Boxoffice erfolgreich, wirft uns, den Hörer, dabei quasi «zum Frass vor» – übrigens war ich durchaus erfreut, als ich las, dass er die Musik zu ALIEN: ROMULUS (2024) schreiben würde, konnte er doch immer mal wieder sein Können in anderen Scores aufblitzen lassen.
ALIEN: ROMULUS (2024) reiht sich in die Reihe der guten Musiken dieser Filmserie ein – und Wallfisch ist sich nicht zu schade, in aller Kürze, Goldsmith (den Echoeffekt setzt er immer wieder ein) und gar Gregson-Williams’ PROMETHEUS (2012), aber auch die vielschichtige Musik und Grandesque des Elliot Goldenthal (ALIEN 3, 1992) anklingen zu lassen. In «The Offspring» geht der Komponist dann seinen Weg – und in die Vollen. Der Track und der folgende «Collision Warning» sind Horrormusik pur, atonal, ohrenbetäubend, eiskalt, brutal – orchestral und elektronisch – und doch so verdammt gut. Mit «The Sleep» findet keine Abrundung, eher eine Abrechnung statt, musikalisch offenes Ende könnte man sagen. Nein, natürlich kann der Score weder an Goldsmiths noch Horners Effort heranreichen, aber ein willkommener Zusatz in der Reihe und ein eindrücklicher Genrescore im Jahr 2024 kann Wallfisch hiermit allemal vorzeigen.
  |  Phil

DEATH HUNT
Jerrold Immel | Dragon’s Domain

DEATH HUNT (1981) ist ein Spätwestern anfangs der 1930er Jahre spielend mit Charles Bronson und Lee Marvin, inszeniert von James Bond Regisseur Peter Hunt. Jerrold Immel war für die Musik besorgt. Er war seit 1974 hauptsächlich im TV tätig und betreute unter anderem Episoden der Serien GUNSMOKE oder HOW THE WEST WAS WON. Am populärsten dürfte sein eingängiges Titelthema für die langlebige Dramaserie DALLAS sein, für die er auch Episodenmusik beisteuerte, das durchaus bis heute Mitpfeifqualität hat (eine Seltenheit heute). Für DEATH HUNT hat Immel einen orchestralen Score mit einem gefälligen Hauptthema für Mundharmonika, Gitarre gefolgt von Holzbläsern und Hörnern geschrieben («Man’s Best Friend/The Cabin»). Die Spannungsmusik ist düster und oft atonal, ein wenig einsilbig gehalten (Snares, Holz, Blech auch muted, Harfe, Xylophon). Nimmt das Tempo zu, setzt Immel Blech und Perkussion in Fahrt. Auch wendet Immel klangliche Veränderungen und Verzerrungen an wie in «Aerial Pursuit» zu hören. Vier Mal Source Music mit Westerntouch ist am Ende der CD gesetzt.
Spannende kleine Entdeckung aus den Ecken der Filmmusik, die sonst weniger bekannt ist. Schade ist das Booklet so dürftig ausgefallen.
| Phil

LAST ACTION HERO
Michael Kamen | La-La Land Records

John McTiernan und Arnold Schwarzenegger spannen nach PREDATOR (1987) wieder zusammen – dieses Mal in einer Actionkomödie mit Arnie als Leinwandheld (und vielen namhaften Gegenspielern), in dessen Filmwelt ein junger Fan wortwörtlich reingezogen wird und haarsträubende Abenteuer erlebt. Die deftig teure Produktion war ein mässiger Erfolg, die nur dank den Einnahmen in Europa und Asien doch noch in die knapp rotschwarzen Zahlen kam.
Michael Kamen bietet einen seiner gewohnt dichten, komplex geschriebenen Actionscores, mit nur wenigen ruhigen Momenten versehen. Oft und gerade zu Beginn des Scores bietet Kamen der E-Gitarre einiges an Raum (im Verlauf auch mit Drums und E-Bass) und seien wir ehrlich, diese so gut in eine orchestrale Komposition einzubinden, versteht Kamen bestens. Der gesamte Score dauert satte 102 Minuten, auf CD 2 findet zusätzlich das 40minütige Score Album (parallel erschien auch eine CD mit Songs) von 1993 Platz, dazu finden wir ein 24 Seiten Booklet mit Notes von Al Kaplan.
| Phil

TWISTERS
Benjamin Wallfisch, Back Lot Music
TWISTERS (2024) von Regisseur Lee Isaac Chung bietet visuelles Spektakel und eine zumeist gelungene Balance zwischen beklemmendem Naturkatastrophen-Drama und schnippischem Übermut seitens der jungen Tornado-Jäger – so, dass das Popcorn beim Schauen dieses Naturkatastrophenfilms nicht grad im Hals stecken bleibt. Neben zahlreichen Songs – diese sind auf einem 2-CD-Set veröffentlicht worden – ist der Tonspur eine abwechslungsreiche Filmmusik von Benjamin Wallfisch zu entnehmen. Deren diverser Charakter sei auch den vielen Songs geschuldet – der Score musste einigermassen dazwischen passen –, doch hat dies letztlich auch zur Folge, dass keine Idee wirklich hängen bleibt, nachdem die Musik ausgeklungen ist. Die trudelnden, «luftigen» Klavier- und Streicherbewegungen mit ihren unheimlichen, geheimnisvoll anmutenden Klangfarben sind schön anzuhören und passen natürlich zum Thema, doch schieben sich wuchtige Action-Musik und auch Americana- und Country-Stilismen dazwischen. Alle Ideen für sich betrachtet sind schön bis cool – «She Told us East» und «The Race» machen viel Spass, «This Car’s Gonna Fly» bietet beeindruckende Action-Musik –, aber es fehlt ein markantes Leitmotiv bzw. «Kate’s Theme» ist zu wenig «catchy», um aus dieser breiten Stilpalette herauszuragen. Nach 55 Minuten ist der Klangsturm vorüber und die vielen vorbeigeflogenen, aufmerksamkeitserhaschenden Musikmomente sind in alle Himmelsrichtungen zerteilt. Schade, denn Teile dieses Musiksturms haben es wirklich in sich.
 |  Basil

JERRY GOLDSMITH: THE GENERAL ELECTRIC THEATRE
Jerry Goldsmith | Intrada

Fast unvorstellbar, aber ja, auch Jerry Goldsmith verdiente sich zunächst seine Sporen in Radio und TV. Dazu zählt die Anthologie Serie THE GENERAL ELECTRIC THEATRE (1959 – 1962) für die Goldsmith viele Episoden betreute. Diese CD, eine Neueinspielung mit Leigh Phillips als Dirigent einer meist kleinen Besetzung des The City of Prague Philharmonic, präsentiert sieben Episoden, wovon einige als Partituren noch Bestand hatten, andere von Leigh Phillips via TV rekonstruiert werden mussten. Die hier vorgestellten Episoden wurden unter anderem von Boris Sagal, Ted Post und David Greene inszeniert, besetzt mit Ernest Borgnine, Ronald Reagan, Lee J. Cobb, Thelma Ritter oder Robert Loggia. Danach gibt es ein wahres Goodie, Musik, die Goldsmith für die CBS als library music schrieb. Wie Bookletautor Yavar Moradi beschreibt, dürfte diese Musik ohne Zusammenhang zu Bildern geschrieben und aufgenommen worden sein. Diese 10 Minuten sind in der Tat der überraschende Höhepunkt einer CD, die Goldsmiths ganz frühes Schaffen darbietet. Die sieben GENERAL ELECTRIC Episoden werden im 24-Seiten starken Booklet ausführlich umschrieben.
Zweifellos eine CD für Fans und Komplettierungsenthusiasten des Komponisten.
 | Phil

BACKSTAIRS AT THE WHITE HOUSE
Morton Stevens | Dragon’s Domain

Meine Erinnerungen pochten darauf, ich hätte BACKSTAIRS AT THE WHITE HOUSE (1979) als «vielepisodige» Serie gesehen. IMDB verrät nun aber, dass es sich um eine vierteilige Miniseries handelte, doch wie Wikipedia nachzulesen, war mein Nachsinnen nicht ganz daneben, denn das Deutsche Fernsehen («Weisses Haus, Hintereingang») teilte die vier Teile auf und strahlte diese in neun Episoden aus (erst später übernahm man die Mini Series-Form). Speziell. Zu sehen waren in der Serie um Bedienstete im Weissen Haus von Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 60er Jahre u.a. Lou Gossett jr. und Olivia Cole sowie in weiteren Rollen Robert Vaughn, Kim Hunter, George Kennedy und weitere.
Für die Musik war Morton Stevens besorgt, wahrhaftig ein Veteran im TV-Business. Für eher kleine Besetzung schrieb Stevens ein beinahe zu omnipräsentes Titelthema und liess es sich nicht nehmen für jeden der vorkommenden US-Präsidenten ein eigenes Motiv zu komponieren. Dazu gibt es source music um die Ära, in der der Teil spielt, musikalisch zu repräsentieren sowie den ein und anderen Marsch. Die Tonqualität der insgesamt 140 Minuten (2 CDs) schwankt auf Grund des nicht idealen Ausgangsmaterials.
Schön, dass man sich hier einem Score zu einer heute kaum mehr bekannten Mini Series angenommen hat.
 | Phil

FEAR STREET
Marco Beltrami, Marcus Trumpp, Brandon Roberts, Anna Dubrich | Intrada

Eine kleine Überraschung von Intrada. Die dreiteilige (wenig überzeugende) Streaming Filmserie FEAR STREET (2021) erfährt eine luxuriöse Veröffentlichung mit fünf CDs. Bisher waren die drei Scores lediglich auf einem LP-Set bestehend aus 3 Platten (Waxworks) oder als Download (Milan) verfügbar, aber nur in gekürzter Version. Intrada bietet uns nun 85, 72 respektive 89 Minuten Musik. Für Fans der Netflix Filmreihe also eine wahrlich satte Publikation.
Beltrami holte sich Hilfe und setzte Marcus Trumpp (FEAR STREET Part One: 1994), Brandon Roberts (FEAR STREET Part Two: 1978) und Anna Dubrich (FEAR STREET Part Three: 1666) an seiner Seite ein. 1994 und 1978 orientieren sich an Horrorscores aus der jeweiligen Zeit, bei 1994 hielt Beltrami selbst als Blaupause her (SCREAM, THE FACULTY) mit musikalischen Treffern bei «jeder Bewegung», bei Teil 1978 orientierte man sich mehr an Jerry Goldsmith und dessen THE OMEN. Beim Score für 1666, man hätte hier sowas wie American gothic erwarten können, setzen Dubrich und Beltrami statt auf eine grossorchestrale Komposition auf einen experimentelleren Score, für den man u.a. Samples einsetzte.
Insgesamt könnte man also beinahe sagen: Für jeden Gruselfan ist etwas dabei.
Zusätzlich zu den 5 CDs in einem schön gemachten Schuber, finden wir ein 32-seitiges Booklet mit Liner Notes von John Takis.
 | Phil

GOLIATH AWAITS
George Duning | Dragon’s Domain

Einer der unterschätztesten Filmmusiker aus dem Golden Age und darüber hinaus ist sicher George Duning. Das zeigen nicht nur die nach wie vor nicht überbordend vielen Veröffentlichungen aus seiner Filmographie oder die Frage bei Filmmusikfreunden: «Was hast du von George Duning?», häufige Antwort mit deutlicher Grübelneigung ist meist «äääähm…». Auch ich gehöre nicht zu den Stein und Bein harten Duning Sammlern, mit etwas mehr Trekkieneigung wären es vielleicht nicht nur deren zehn Alben. Somit bin ich auch weit entfernt davon ein Duning Kenner zu sein und könnte kaum auf stilistische Eigenheiten hinweisen. Eines ist sicher: GOLIATH AWAITS (1981) ist ein TV-Zweiteiler mit Christopher Lee, Mark Harmon, John Carradine und Jean Marsh. Die Goliath ist ein Personenschiff, das im 2. Weltkrieg torpediert wurde und versank. Nun spielt der Film aber in der «Gegenwart», denn bei einem Tauchgang werden Überlebende in einer Luftblase entdeckt…!
Dragon’s Domain hat es geschafft die Bänder zu einem der letzten Scores von George Duning aufzutreiben und präsentiert die 71 Minuten lange Musik mit Minibooklet als Weltpremiere. Der Score zu GOLIATH AWAITS ist dramatisch gehalten, mit einer oft spannend gefahrvollen, dichten Atmosphäre ausgestattet (dafür agieren Holzbläser, Blech, Timpani), geschrieben für ein mittelgrosses Orchester und wenig Elektronik. Der Eindruck, dass Duning den TV-Zweiteiler wie einen Kinofilm behandelt, ist durchaus auffällig.
Es darf gerne mehr von George Duning sein!
| Phil 

09.09.2024