kurz und knapp 34: Netchaiev est de retour, Unbearable Weight of a Massive Talent, Serengeti, The Faculty, Eiffel, Parker u.a.

NETCHAIEV EST DE RETOUR / ONE MEURT QUE DEUX FOIS
Claude Bolling | Music Box Records

Wieder einmal gilt Music Box Records sei Dank. Dass feine Label aus Frankreich sorgt einmal mehr dafür, dass den beiden hier enthaltenen Scores von Claude Bolling eine komplette Aufwartung gemacht wird. NETCHAIEV EST DE RETOUR (von Jacques Deray mit Yes Montand) beginnt mit einem beinahe Morricone-esquen «Générique début, doch findet Bolling immer wieder seine leidenschaftliche Seite. Diese (1991, oft bittersüss) und die Spannung halten sich in etwa die Waage mit leichtem Übergewicht für den Suspense der eher leichteren Art. Nebst dem Orchester sind auch der Synthesizer und die E-Drums unverkennbar wahrnehmbar vertreten.

ON NE MEURT QUE DEUX FOIS (1985, Regie Jacques Deray, mit Michel Serrault und Charlotte Rampling) zeigt ein wunderbar heissblütiges, vom Tenorsax gespieltes Hauptthema von Mister Jazz, Claude Bolling, gerne auch in Moll. Mit viel Passion kommt «Cabourg», intoniert von Querflöte und Streichern daher. Die letzten fünf Tracks scheinen source music Stücke zu sein, damit dürfte sich auch der Bolling-Fan eher schwertun.
| Phil


THE UNBEARABLE WEIGHT OF MASSIVE TALENT
Mark Isham | Ramblin’ (Japan)

Nicolas Cage hat in so einigen Jahren kein gutes Händchen in der Filmauswahl bewiesen –mit MANDY (2018) immerhin einen Fan-Favourite mit zugehörig starker Musik gelandet. THE UNBEARABLE WEIGHT OF A MASSIVE TALENT (2023) nun sieht Cage, als Nicolas Cage, vereint mit unserem Lieblings-MANDALORIAN Pedro Pascal. Dankenswerterweise konnte mit Mark Isham ein grosser Name für die Musik verpflichtet werden, so dass wir von allgegenwärtigem Nonsense vieler Nonames verschont bleiben. Isham ist zwar auch nicht immer über alle Zweifel erhaben, aber als Veteran immer noch gehaltvoller (TOGO, 2019) als manch anderer Komponist.
Die CD wurde dankenswerterweise als japanische Pressung veröffentlicht und so können wir hier durchaus guten 40 Minuten Filmmusik lauschen. Insbesondere das hispanische Flavour, der Italowestern Einschlag («Black Box»), aber auch die Spur MISSION: IMPOSSIBLE (1996) machen Spass und der Mix aus Elektronik, Perkussion und Orchester ist wie bei Isham gewohnt gut gemacht. Also bringt der Score wirklich kurzweiligen Spass, was sicherlich auch an der gut getimten Länge, die eben für einmal keine Überlänge ist, liegt.
 | Phil


SERENGETI: A JOURNEY TO THE HEART OF AFRICA
Alan Williams, Quinate Publishing/Silverscreen Music

Eine zweite herausragende Arbeit lieferte Komponist Alan Williams 2022 auch für die Doku SERENGETI: A JOURNEY TO THE HEART OF AFRICA. Regisseur Michael Dalton-Smith porträtiert Jungtiere der Serengeti und verknüpft damit viele Jö-Effekte und Tapsigkeit mit wuchtigen Bildern dieser spektakulären Landschaft. Dies bedarf von Alan Williams ein ausgeprägtes Wechselspiel zwischen grosser Sinfonik und Dramatik sowie verspielten Klängen. Dazu kommen afrikanisch angehauchtes Lokalkolorit durch ausgeprägtes Perkussionsspiel, diverse Flötensoli und Gesang sowie erneut ein markantes Hauptthema mit diversen Auftritten während der gut 37-minütigen Spielzeit. Dieses Hauptthema erklingt erstmals im eröffnenden Stück «Serengeti» ab 1:00 und es umspielt in der Folge viele leichtfüssige Musikmomente, die den Jungtieren gewidmet sind, aber auch knackige Actionstücke, die den immer präsenten Überlebenskampf aller Arten der Serengeti porträtiert. Hier wird keine Emotion ausgelassen und wenn Stücke wie «Serengeti», «Arriving at the Grass Plains», «Simba Roars», «Herd Arrive at Mara River», «Lake Natron» und «Back Home on the Plains» majestätisch durch die Boxen donnern, dann dürfte das jeden mitreissen, der ein Faible für diese Doku-Soundtracks mit afrikanisch anmutenden Stilismen hat.
| Basil


ZEUS AND ROXANNE
Bruce Rowland | BSX Records

Also es gibt George Miller, «den Langweiler» und es gibt George Miller, den MAD MAX-Regisseur. Beides sind Australier und nein, der Begriff für den Regisseur von ZEUS AND ROXANNE (1997) stammt nicht von mir, aber in seiner Laufbahn hat er u.a. Miserables wie THE NEVERENDING STORY II: THE NEXT CHAPTER (1990) verfilmt. Die Zusammenarbeit mit Bruce Rowland geht in die Anfänge der 80er Jahre zurück und es finden sich darunter etwa THE MAN FROM SNOW RIVER (1982), ANDRE (1994) und die Mini Series ANZAC (1985).

ZEUS AND ROXANNE zeigt die Freundschaft zwischen einem Delphin und einem Hund, es spielen (nicht als Delphin oder Hund…) Steve Guttenberg und Kathleen Quinlan. Die Musik dazu wurde einst von Percepto Records zusammen mit PHAR LAP (1983) und BSX übernimmt das gleiche Programm, also 10 Tracks und 40 Minuten jener Veröffentlichung. Der Australier Rowland hat eine wie von ihm gewohnt, wirklich ausgenommen hübsche, verspielte und orchestral thematische Arbeit hingelegt, der man sehr gerne lauscht und die uns alten Filmmusik-Männern (und Frauen) durchaus gut tut. Eine wirklich schöne Angelegenheit, davon würde ich mir von BSX mehr wünschen.
| Phil


PARKER
David Buckley | Colosseum

Nachdem Buckley schon diverse musikalische Bruchlandungen hingelegt hat, entdecke ich doch tatsächlich so etwas wie eine eingängige Filmmusik aus seiner Feder. Die vorliegende Arbeit zu PARKER kann man problemlos durchhören und – sofern einem das Genre liegt – ihr auch etwas abgewinnen.

Ein durch Bassostinato und E-Gitarre dominiertes Hauptthema skizziert die Lässigkeit der Hauptfigur Parker; schön zu hören im Abspann-Cue «Nothing but Bills» (zweite Hälfte). Dieses Thema ist die Stärke der gesamten Komposition. Es wird regelmäßig variiert und die Gitarren werden gegebenenfalls durch Streicherläufe ersetzt. Je nach filmischer Stimmung wird das Thema mit Klangcollagen nur noch angedeutet (z.B. in «Kroll´s Knife»). Die ruhigeren Highlights des knapp 60-minütigen Albums sind das funkige und an Thomas Newmans ERIN BROCKOVIC (2000) erinnernde «Leslie in Boca». Das durch Piano und Streicher präsentierte Liebesthema «Shower Love» oder das nachdenkliche «Leslie Meets Claire» sorgen ebenfalls für Ruhepole innerhalb des Action-Suspense-Scorings. Fetziges erfährt man in «Diamond Heist», oder dem etwas rüden «Guns & Money». Beim schon erwähnten «Kroll´s Knife» kommt einem plötzlich in den Sinn einen Buckley-Score zu hören; hier vernimmt man streckenweise ein übles Klanggemenge wie in UNHINGED, GREENLAND oder NOBODY.

Fazit: Muffiges Buckley Timbre, diesmal allerdings mit Melodienwerk in erzählerischer Bauart. Diesem Score darf man öfter zuhören, daher eine Empfehlung auch für arg kritische Hörer.
| Oliver


ALLELUJAH
George Fenton | Quartet Records

Die Senioren Judi Dench, David Bradley und Derek Jacobi sind u.a., notabene als Senioren, in diesem englischen Film von Richard Eyre (IRIS, 2001; NOTES ON A SCANDAL, 2006) zu sehen, in dem ein kleines Geriatriespital wegen Kürzungen im National Health Service vor der Schliessung steht.

Die Musik also stammt von George Fenton, der zum Glück auch im Alter von 74 Jahren noch im Business tätig ist – sonst hätten wir womöglich keine so feine Musik wie diese erhalten. Eyre haben zuvor 2004 bei STAGE BEAUTY und in den 80er Jahren einem TV-Film zusammengearbeitet. Fenton beginnt mit Klavier, Chor und Orchester («Allelujah Front Title») einen melancholischen, manchmal leicht verspielten immer aber gefühlvoll rührenden und warmen Score, der für Streicher, Holzbläser, Harfe und eben Klavier geschrieben worden ist. Ohne den Film gesehen zu haben, kann man sich gut vorstellen wie die Musik die älteren Patienten, deren Schicksale und die Pflegenden begleitet. Fentons Musik gehört zu den Highlights eines noch jungen Jahres.

Schade hat es nicht gereicht, Liner Notes zu produzieren. Das in der Titelmusik vorgestellte Hauptmotiv findet dabei in einer fröhlicheren als auch in einer traurigen Form Verwendung.
Die 42 Minuten dauernde CD ist beim spanischen Label Quartet erschienen, während die Download/Streaming Version bei MovieScore Media veröffentlicht wurde.
| Phil


MON CRIME
Philippe Rombi | Milan

MON CRIME (2023), sechsfach für den César nominiert, ist eine Mischung aus Crime und Comedy, im Paris der 30er Jahre spielend. Regie führt François Ozon, es spielen u.a. Isabelle Huppert, Dany Boon, Nadia Tereszkiewic. Ein weiteres Mal also führt ein Film Ozon und Philippe Rombi zusammen, gerne erinnern wir uns an den letztjährigen, herrlichen LE TEMPS DES SECRETS (2022) – eine der schönsten Filmmusiken im 2022. Entstanden ist eine stimmungsvolle Filmmusik, die mal luftig leicht und humorvoll mit Streichern (öfters in pizzicati zu hören), Klavier, Holzbläsern und Solos für die Violine und Trompete in 20er/30er Stimmung daherkommt («Mauvaise Graine»), dann wieder verführerisch mit Saxophonen und akustischem Bass spielt oder ausladend schön das Hauptthema in «Triomphe» porträtiert. Allgemein ist MON CRIME ein eher leichter, unterhaltsamer, manchmal rasanter («Le procès») Score in hie und da ernsthafter Kleidung, Spannung und Dramatik wird genügend Platz eingeräumt, daherkommend. Abgeschlossen wird die CD mit zwei Chansons gesungen von Danielle Darrieux und einem Bonustrack.
| Phil


SECRETS OF THE SEA
Alan Williams, Quinate Publishing

Mit SECRETS OF THE SEA (2022) liefern die Regisseure Jonathan Bird und Howard Hall eine 40-minütige IMAX-Doku rund um das Leben unter Wasser. Der Film ist erwartungsgemäss prächtig gefilmt, doch eigentliche Überraschungen bleiben aus; bis auf die Filmmusik von Alan Williams, die mit der 36-minütigen Spielzeit durchwegs super unterhält.

Nach einem etwas «aufgeregten» Anfang mit markantem Perkussionsspiel, präsentiert Komponist Alan Williams im ersten Stück ab 1:08 das wunderschöne Hauptthema, das einem schon nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf geht. Die Streicher erinnern an lyrische Kompositionen von Fernando Velazquez (für THE ORPHANAGE (2007)) und die Wärme im Klang weckt wohlige Erinnerungen an John Barry. Damit gehört dieses Thema für mich zu einer der schönsten Kompositionen des Filmmusikjahres 2022.

Neben diesem Hauptthema wartet Alan Williams mit vielen anderen melodiösen Kompositionen auf, die sich punkto Verspieltheit und Groove (bspw. «Moving Coconuts», «Clever Octopus», «Life of a Dugong», «Mouth Fighting») sowie hinsichtlich der Dramatik (bspw. «Cleaning Stations» und das erwähnte Hauptthema) nicht vor George Fenton, dem BBC-Natur-Doku-Maestro, verstecken müssen.
| Basil


THE FACULTY
Marco Beltrami | Intrada

THE FACULTY war 1998/1999 ein regelrechter Sleeperhit von Robert Rodriguez über eine High School, deren Lehrerschaft von irgendwelchen Spezies übernommen werden und die Schüler bedrohen. Es schlagen Josh Hartnett und Elijah Wood zurück, während die Erwachsenen von Robert Patrick, Salma Hayek, Famke Janssen, Piper Laurie gegeben werden.

Marco Beltrami stand seinerzeit am Beginn seiner Filmmusikkarriere und hatte Titel wie SCREAM (1996), SCREAM 2 (1997) und MIMIC (1997) hinter sich gebracht als er zu THE FACULTY kam. Hier stand ihm ein grosses Orchester zur Verfügung, mit dem er diverse spezielle Spieltechniken ausprobieren konnte, wie er im Booklet selbst ausführt, etwas, was heute kaum mehr möglich sei, wenn man, so es hochkommen würde, heute knapp 1 – 2 Tage zur Verfügung habe. Interessant! THE FACULTY bildete auch den Start einer bis heute andauernden Zusammenarbeit mit Buck Sanders. Die Länge mit 88 Minuten (inkl. der zwei Bonuse) ist vielleicht etwas zu ausführlich geraten, Fans des Komponisten werden diese Doppel-CD aber sicherlich mit Handkuss nehmen. Etwas mehr zu THE FACULTY gibt es hier.

Von THE FACULTY erschien seinerzeit nur eine CD mit Songs und etwas später ein 30minütiges Bootleg, die jetzige Intrada Disc ist auf zwei Scheiben aufgeteilt und enthält 85 Minuten Score.
| Phil


EIFFEL
Alexandre Desplat | Ramblin’ (Japan)

Die französische Produktion über den Bau des für die Weltausstellung 1899 erschaffenen Eiffelturms in Paris ist etwas untergegangen und seit geraumer bei Netflix zu sehen.

Nebst dem beachtlichen, melancholischen und kraftvollen, im Eröffnungstitel «Valse d’Eiffel» zu hörenden Hauptthema ertönt gleich in Track 2 («Construction» und später in «300 metres» und folgenden Stücken) ein weiteres, meist mysteriös gehaltenes Motiv, das von einem deutlich vorhandenen, dauerhaften Rhythmus, in eine Art «Ticken» verkleidet (in diversen Variationen orchestriert), zu hören und so die Geschäftigkeit beim Bau des Eiffelturms musikalisch umschrieben wird. In «Gustave et Adrienne» ist das Liebesthema, verwandt mit dem Hauptthema, dieses Mal aber nicht im 3/4 Takt, zu vernehmen, Klavier, Streicher geben hier den Ton an. «Amour Impossible» ist die auschweifendere, sinfonische (hautsächlich Streicher) Version. Desplat hat mit EIFFEL einen seiner gelungeneren Scores und mit dem Walzer-Hauptthema ein feines Stück Musik geschrieben. Von den «Konstruktions-Tracks» hätten es auf der Veröffentlichung gut und gerne zwei, drei weniger sein können. Die Musik für den im 2021 entstandenen Film wurde nun in Japan vom gleichen Label, das auch den Isham Score THE UNBEARABLE WEIGHT OF A MASSIVE TALENT (2023) herausbrachte, auf CD veröffentlicht. EIFFEL ist es allemal Wert den höheren Preis für die Import-CD zu berappen.
| Phil


LES TROIS MOUSQUTAIRES: D’ARTAGNAN
Guillaume Roussell, Milan

Im Digipack und ohne Booklet ist Guillaume Roussels LES TROIS MOUSQUTAIRES: D’ARTAGNAN (2023) erschienen, die aktuellste Verfilmung eines Stoffes – und Beginn einer neuen Trilogie – die nun wahrlich nicht über zu wenige Umsetzungen klagen kann. Die Erwartungshaltung, wenn ein franzöischer Mantel und Degen Film von einem französischen Komponisten mit Musik unterlegt wird, führt dazu, dass man sich einen traditionellen, thematischen Score wünscht. Doch wehe wenn sie losgelassen. Roussell, der unter anderem THE MAN WITH THE IRON HEART (2017) und PRIMAL (2019) liefert hier leider die moderne Version, also mit massig elektronischen Beats, wo eigentlich keine nötig wären – und auch nach dem gesamten Durchlauf der CD gibt es kein Stück, das ohne diese oder Zimmer-ähnliche-Perkussion auskommt. Schade und wohl eine verpasste Chance, wahrscheinlich aber ein Wunsch der Macher nach einer solch hippen Musik und nochmals schade, denn LES TROIS MOUSQUTAIRES: MILADY ist schon in der Pipeline – und kann ausgelassen werden. Unbedingt ist hier vor dem Kauf Reinhören empfohlen.
| Phil


30.04.2023