Kurz und knapp 29

September 2021

EXTREME PREJUDICE
Jerry Goldsmith, Intrada 2-CD

Ein Score, der ohne Umschweife eine volle Rezension füllen könnte und würde. Da ich aber bereits in meiner «A Week with Jerry» (Goldsmith) Serie etwas länger auf Score und Film eingegangen bin, soll es bei einem kürzeren Review bleiben. EXTREME PREJUDICE (1987) ist mitunter Kulminationspunkt der Simmons-Drums, Synthesizer und Orchestermixtur, hispanischer Klänge und des lonely-guy-Trompeten-Themas, wie Goldsmith es zu jener Zeit öfters vorstellte – und doch fand gerade dieser Score in Walter Hills Film, der Regisseur arbeitete damals fast ausschliesslich mit Ry Cooder zusammen, nicht die gebührende Beachtung, was auch an hastigem Nachschneiden nach mässigen Test-Previews lag. Intrada bietet nun nach La-La Lands bereits umfangreicher Präsentation 2005 die Musik wie folgt: CD 1 bietet zunächst den 56 Minuten dauernden Filmscore wie einst vom Komponisten erdacht. Danach folgen die «electronic rescore» Extras: Fünf Tracks, die Goldsmith eiligst nachwarf und die im Film bisweilen irgendwie reingemischt und über die bestehende Musik gelegt wurden. Auf CD 2 ist schliesslich das gelungene Album von 1987 in feinstem Klangkleid zu hören. Nun findet übrigens auch der Track «A Nice Fellow» auf CD 1 seinen richtigen Platz! Das sollte es damit aber wirklich gewesen sein, was EXTREME PREJUDICE im Tonträgerformat anbelangt. Freuen wir uns unterdessen auf die neuste Verlängerung in Sachen Goldsmith: LOVE FIELD, realisiert vom Varèse Club.

Phil

BLACK WIDOW
Lorne Balfe, Hollywood Records/Marvel Music

BLACK WIDOW (2021) ist ein unterhaltsamer Marvel-Actionkracher der australischen Regisseurin Cate Shortland. Nachdem der Film Pandemie-bedingt mehrmals verschoben wurde, kam er im Juli 2021 in die Kinos. Anfangs hätte Alexandre Desplat die Filmmusik hierzu komponieren sollen, doch dann wurde er im Jahr 2020 von Tausendsassa Lorne Balfe ersetzt. Auch wenn viele Filmmusik-Fans der verpassten Chance für eine neue Desplat-Musik nachtrauern, darf man mit Freuden feststellen, dass Balfe hier zu Höchstform aufgelaufen ist. Schon mit dem ersten Stück, «Natasha’s Lullaby», wird klar, dass hier wohl nicht nur ein routinierter, austauschbarer Superhelden-Score folgt. Mit dem ersten Stück präsentiert Balfe das berührende Hauptthema von Natasha/der Black Widow, das mit Sologesang und ausgeprägtem russischem, schwermütigem Folklore-Kolorit ausgestattet ist. Dieses Thema erklingt in der Folge in vielen unterschiedlichen Variationen, was dessen Vielfältigkeit eindrücklich demonstriert. Stücke wie das melancholische «Fireflies», «Yelena Belova», «The Betrayed», «The Descent», «Natasha Soars», «Last Love» und «A Calling» sind grossartig. Allesamt präsentieren sie dieses Thema in herausragender Form. Natürlich ist auch diese 80-minütige Filmmusik Action-lastig geworden, doch die hier präsentierte Action kommt mit wirbelnden Streicherfiguren, flatternden Holzbläsern und schnellen Rhythmen mitreissend dynamisch daher – ein Paradebeispiel ist das Stück «Whirlwind», dessen Titel Programm ist. Zudem liefert Balfe hier imposante Choreinsätze mit Stücken wie «Dreykov» und «Arise».
An dieser Filmmusik kann man viel Freude haben und für mich ist dies das beste Marvel-Album seit BLACK PANTHER (2018) von Ludwig Göransson. Einziger Wermutstropfen – für die Sammler unter uns – ist auch hier wie schon damals bei BLACK PANTHER, dass diese packende Musik (bis dato) in keiner physischen Form veröffentlicht wurde (gut, BLACK PANTHER wurde zwischenzeitlich auf LP veröffentlicht; eine CD gibt es indes nach wie vor nicht).

Basil

COSMIC SIN
Scott Glasgow, Filmtrax

Hinter dem grenzdebilen Namen COSMIC SIN (2021) versteckt sich der neueste Rekord von Bruce Willis:  So schlecht wurde noch keiner seiner Filme auf IMDB bewertet. Laue 2,5/10 Sterne haben die Zuschauer dem einstigen Superstar dagelassen.
Um die Musik zum Film ist es nicht viel besser bestellt. Komponist Scott Glasgow sorgt für eine zum Film passende saft- und kraftlose Komposition von außerordentlicher Langeweile. Suspense besteht aus uninspirierten Klangwänden, die vor sich hin wabern. Synthiestreicher, begleitet von schlappen Schlagwerkattacken, laden zum Dösen ein. Ich bezeichne sowas gerne neunziger Jahre Computerspiel-Musik – als die Egoshooter noch in den Kinderschuhen steckten. Aber das ist ein anderes Thema. Die lange Spielzeit von über siebzig Minuten ändert nichts am geschilderten Sachverhalt. Tipp für alle ehemaligen Fans des Schauspielers: Einfach mal die «Die Hard»-Batteriewerbung auf YouTube sichten. Netter kleiner Action-Happen mit schönem Retro-Einschlag; inklusive Argyle und Finlandia-Anspieler 😉 

Oliver

CALL OF THE WILD
John Powell, Intrada

Es gibt sie tatsächlich noch, die erstaunlichen, melodiösen, ja fast altmodischen Filmmusiken – sie kommen inzwischen überraschend und der geneigte Hörer muss sie geduldig abwarten. Eine davon ist John Powells CALL OF THE WILD (2020), die nun bei Intrada endlich als CD-Version erschienen ist. Das Hollywood Records Album erschien mit dem Filmrelease lediglich als Download, eine Tatsache, die viele Sammler nach wie vor scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Kurz und bündig, Powells Score ist eine wunderbar anzuhörende Musik und das über die gesamten 77 Minuten Spieldauer. Orchester, Banjos, Chor, feines Americana, flotte Melodien, einfach eine rundum gelungene Sache zum Film von Chris Sanders mit Harrison Ford plus einer nicht immer ganz überzeugende Mischung aus Real- und CGI-Hund. Ohne Wenn und Aber wäre CALL OF THE WILD Anwärter für den Score of the Year gewesen.

Phil

PAYCHECK – THE DELUXE EDITION 
John Powell, Varèse Sarabande (Club Release)

Es war die Musik zu PAYCHECK (2003), die mich auf Komponist John Powell aufmerksam werden liess. Ihr gingen zwar von Fans vielgepriesene Arbeiten wie FACE/OFF (1997), ANTZ (1998; co-komponiert mit Harry Gregson-Williams), ENDURANCE (1998) und THE BOURNE IDENTITY (2002) voraus und einige dieser Arbeiten befanden sich auch bereits in meiner Sammlung, doch war es die Kombination der stylischen, schnellen, teils leichtfüssigen Action-Musik mit dem melancholischen, Ohrwurm-Hauptthema von PAYCHECK, die meine bis heute ungebrochene Begeisterung für Powells Schaffen weckte. Das 2003 von Varèse veröffentlichte, 48-minütige Album hatte ich mir unzählige Male angehört. 2021 hat das Label eine 2-CD-Club-Veröffentlichtung hiervon nachgelegt und damit das 48-minütige Score-Programm auf satte 95 Minuten ausgeweitet.
Auch in der Club-Version finde ich diese Filmmusik fantastisch unterhaltsam, wobei man sagen muss, dass das 2003er-Album die Highlights – «Main Title», «Hog Chase», «Twenty Items», «Wolfe Pack», «I Don’t Remember» (hier in zwei schönen Versionen) und «Uma’s Tune» (auf der alten CD mit «Rachel’s Party» betitelt) – allesamt beinhaltet hatte. Die nun vorliegende Extended-Version wartet – wie so oft – mit vielen neuen, oftmals kurzen Stücken auf. Namhafte Ergänzungen sind nicht auszumachen, doch bleibt die Musik auf mit 90 Minuten Spielzeit kurzweilig, was man nicht von allen Extended-Veröffentlichungen behaupten kann. Indes profitiert das Hörerlebnis von einem neuen Sound-Mastering und teils neuem Editing, wodurch einige Stücke in sich geschlossener wirken.

Basil

X-MEN
Michel Kamen, La-La Land Records

Anders als die damals zum Film erschienene CD zeigt sich dieses Album als Mischung aus Filmversion und Kamen-Version, also mit all den elektronischen Verfremdungen, Synthesizerbeigaben und Co., die unter anderem in Bryan Singers Film zu hören sind. CD 1 präsentiert eben diesen Mix, während CD 2 das alte Album zum Hören bringt, nebst einer Vielzahl von Alternates und weiteren «film versions». Satte zweieinhalb Stunden X-MEN (2000) Musik zu einem Film, der einem Genre Auffrischung brachte und zum Start vieler weiterer Marvel Filme verhalf. Für Kamen war es der einzige Superheldenfilm, leider verstarb der sympathische, offene immer gesprächige Engländer 2003 völlig unerwartet. Ein gewichtiger Kritikpunkt: Man hätte ein reines «film version» Album zusammenstellen können, was nun dem Besitzer des Doppelalbums obliegt, so er dies anfertigen möchte. Das trübt ein wenig die Freude an der Intrada-Version von Michael Kamens wirklich tollem, harten und schnörkellosen Score.

Phil

HONEST THIEF
Mark Isham, Varèse Sarabande

Isham recycled doch tatsächlich seinen BILL & TED FACE THE MUSIC (2020) um HONEST THIEF (2020) zu vertonen. Wie mit dem Gewürzstreuer tauchen hier und da Schnipsel seiner misslungenen Komödienvertonung auf. Das passt natürlich weder zum filmischen Thema noch zum nicht vorhandenen musikalischen Konzept.  Ein vielleicht erschöpfter Musiker kratzt nochmal alles zusammen was er hat. Heraus kommt Quantität, die man sich sparen kann.

Oliver

WAITING FOR THE BARBARIANS
Marco Beltrami/Buck Sanders, La-la Land Records

Die Ausgangslage für einen monumentalen Score wäre für Ciro Guerras Film mit Mark Rylance, Jeremy Irons, Johnny Depp und Robert Pattinson durchaus vorhanden gewesen. Das Drama, basierend auf einem Roman von J.M. Coetzee, wird vom bewährten Team Beltrami/Sanders aber in deren zuletzt häufig anzutreffenden – und oft erfolgreichen – Art gefertigten, verschachtelten, intimen und für WAITING FOR THE BARBARIANS (2019) ethnischen Art und Weise verarbeitet. Das Ensemble ist nicht grösser als 25 Musiker plus Solisten, die ihren Instrumenten (Cello und Violine) sorgfältig andersartige Klänge entlocken. Ebenfalls zu hören ist das mongolische Morin Khuur, ein Zymbal und Gesänge, die der Musik eine «landestypische» Färbung verleihen. WAITING FOR THE BARBARIANS fordert Hingabe und Arbeit vom Hörer, sofort ins Ohr springt die Musik sicher nicht. Und doch will der Funke hier nicht richtig zünden.

Phil

THE TOMORROW WAR 
Lorne Balfe, Milan Records

Mit THE TOMORROW WAR (2021) liefert Regisseur Chris McKay lautes Popcorn-Kino. Braindead, aber für Fans von Filmen rund um die Invasion ausserirdischer Killerkreaturen wohl ein Fest. Die Filmmusik hierzu stammt vom schottischen Komponisten Lorne Balfe. Er liefert wenig überraschend eine 75-minütige Tour-de-Force, die mit ein paar tollen Ideen zu unterhalten vermag, diese jedoch dann über die ganze Spielzeit betrachtet zu lange durchnudelt. Die Zutaten sind eher konventionell: für die Killeraliens gibt es ein Percussion-Feuerwerk mit Blechakzenten versehen; der Held der Geschichte erhält ein kraftvolles Heldenhauptthema mit militaristischem Schlagwerk und dazwischen gibt es ein paar rare ruhige Momente wie bspw. in «Back to the Past», meist getragen von melancholischem Klavierspiel. Homöopathische Dosen dieser drei Ideen sind allesamt willkommen, doch die 75-Minuten-Version hiervon ist eher anstrengend. Highlights sind «Spikes Attack» und «Fight» für die Action-Musik, das kraftvolle Hauptthema in «The Tomorrow War» und ruhigere Momente in «Message from the Future» und «Homecomign» zur Erholung. In einer solchen oder ähnlichen 15-Minuten-Suite ist Balfes TOMORROW WAR eine kurzweilige Angelegenheit.

Basil

BAROCCO/LES SOEURS BRONTË
Philippe Sarde, Quartet Records

BAROCCO (1976) erfuhr bereits diverse Veröffentlichungen bei anderen Labels. Quartet Records hat nun noch drei Bonustracks draufgelegt. Für den Film mit Gérard Dépardieu und Isabelle Adjani hat Sarde die Musik vor den Drehs geschrieben, nach wie vor eine Seltenheit. Sein Score lässt durchaus Herrmann-esque Qualitäten erahnen, so man sich durch die teils nicht clever platzierten source cues wie «La Radical» und «Les mers du sud» gekämpft hat.
LES SOEURS BRONTË (1979), ebenfalls mit Isabelle Adjani aber auch Isabelle Huppert, kommt hier ohne Dialoge aus, wobei es auf diversen Samplern ebenfalls schon rein musikalische, aber kürzere Versionen gab. Für die Musik zu André Téchinés Film oblag es Sarde zum Grossteil klassische Musik aus der Zeit zu verwenden. Einen wichtigen Bestandteil bilden dabei Kompositionen von Richard Schumann. Sarde füllte schliesslich die Lücken zwischen den klassischen Werken mit seiner eigenen Musik.

Phil

MASTERS OF THE UNIVERSE: REVELATION
Bear McCreary, Mattel

Wir erinnern uns mit Schaudern an die grausam missratene live action Verfilmung mit Dolph Lundgren aus dem Jahr 1987. Sie brachte jedoch immerhin eine vergnügliche Musik von Bill Conti mit sich – man wundert sich allerdings, was der Veteran damals gedacht hat als er den Film zu sehen bekam (take the money and run?). Nun hat Mattel für Netflix in Sachen Zeichentrick nachgelegt und führt (zumindest für eine Season) die Geschichte von He-Man, Skeletor und der «Power of Grayskull» weiter. Ein erster Augenschein hat war aber nicht reizvoll genug, um sich diese Serie anzutun.
Etwas überraschend war die Ankündigung des Komponisten: Bear McCreary, der ein wenig Pech hatte mit seinem gepushten Kinofilmjahr mit GODZILLA: KING OF THE MONSTER (2019), CHILD’S PLAY (2019) und FANTASY ISLAND (2020). Für MASTERS OF THE UNIVERSE hat er eine vollorchestrale und teils mit tiefem Chorgesang ausgestattete, düstere Filmmusik geschrieben, die stellenweise durchaus ihren Reiz hat und ein bisschen an seinen GODZILLA Score sowie LORD OF THE RINGS (Shore) erinnert.

Phil


15.09.2021