ARCHIPIELAGO – A Film Music Retrospective
Alberto Iglesias (Music Box Records)
Auf den Radar der Filmmusikallgemeinheit ist Alberto Iglesias, weder
verwandt noch verschwägert mit dem spanischen Schmusesänger, spätestens 2005
mit seiner Musik zu The Consant Gardener gekommen, jedenfalls bei all
jenen, denen die regelmässige Zusammenarbeit Igelsias› mit Pedro Almodóvar
nicht geläufig war. Seither tingelt der Spanier zwischen der iberischen
Halbinsel und Hollywood hin und her. Msuic Box Records brachte eben eine 5 CD
Box mit Musiken kreuz und quer aus seinem Schaffen heraus. Das Gute daran: Wer
das Tun des Komponisten noch nicht allzu gut kennt, kann sich hier eine
Übersicht verschaffen. Das Schlechte: Die Filme sind kreuz und quer über die 5
CDs verteilt anstatt sie zusammengefasst zu präsentieren. Auf itunes & Co.
kann man das selbst ausmerzen, doch der CD-Hörer guckt hier leider in die
Röhre.
Zu finden sind unter anderem Musiken aus Filmen wie Tinker Tailor Soldier
Spy, Che, La mala educacion, The Kite Runner, La flor de mi
secreto, Todo sobre mi madre, The Two Faces of January, Carne
trémula, Hable con ella, Volver oder The Consant Gardener.
Ausgenommen Arbeiten aus seiner ganz frühen Zeit anfangs der Achtziger und
Blockbuster wie Exodus: Gods and Kings ist so ziemlich alles aus
Iglesias› Schaffen abgedeckt.
4 Phil
TREASURE OF THE YANKEE ZEPHYR
Brian May (Dragon Domain)
Dragon Domain, hinter dem buysoundtrax steckt, brachte kürzlich diesen
Brian May Score zum obstrusen, wenig bekannten Actionfilm Treasure of the
Yankee Zephyr (1981), mit dem damaligen B-Filme Star Ken Wahl, Lesley Ann
Warren und Donald Pleasance, quasi als 1:1 Veröffentlichung der 1M1 CD heraus.
Brian May, damals dank Mad Max und Mad Max 2 der
gefragteste Komponist Australiens (der Film wurde als neuseeländisch-australische
Produktionsgesellschaft in Neuseeland gedreht), legt eine unterhaltsame Musik
hin, die von gekonnter Action, Verspieltheit bis hin zu Glenn Millers „American
Patrol“ (Track 2, „Newsreel Music“) und sogar einem platten rip-off von Elmer
Bernsteins The Great Escape („General Gibbie“) und ein, zwei
klassische Referenzen alles bietet. Dass das Musikbudget nicht riesig gewesen
sein dürfte ist hie und da an der kleineren Besetzung gut herauszuhören
(insbesondere bei „Gibbie’s Hearts and Flowers/Helicopter Chase“ oder „Tank
Chase“). Die CD ist mit 47 Minuten recht kurz ausgefallen, bietet scheinbar
aber alles was für Film komponiert wurde. Nach Angaben des Labels musste man
allerdings in Ermangelung anderer Quellen auf die Bänder des Originalalbums zurückgreifen.
Trotzdem ist Treasure of the Yankee Zephyr durchaus eine kleine,
angenehme Überraschung.
3 Phil
THE GIRL ON A TRAIN
Danny Elfman (Sony)
Mit The Girl on a Train (2016) liefert Danny Elfman einen kühlen,
urbanen Psycho-Thriller-Score und bedient damit ein Genre, welches leider
weniger auf musikalischen Wohlklang setzt, als auf spannungserzeugende
Dissonanzen und bedrohliches Brodeln. Abseits der Bilder mäandert seine
Filmmusik, angeführt von Streichern und mit Klavier-, Perkussions- und
E-Bass-Tupfern versehen, in dunklen Underscore-Gefilden umher, weshalb man der
Musik leider nichts Nachhallendes abgewinnen kann, ausser dass man allenfalls
eine passende, wenig absorbierende Musikkulisse für die Lektüre eines
spannenden Thrillers (oder gar dem gleichnamigen Buch selbst) gefunden hat.
Damit dient Elfman dem Film, doch für das heimische Wohnzimmer sind seine
vollorchestralen, verspielten, funkelnden Arbeiten für extrovertierte Fantasy-
und Abenteuer-Filme um Längen unterhaltsamer.
2 Basil
ROBOCOP 3
Basil Poledouris (Varèse Club)
Nachdem man mit Robocop 2 des Empire Strikes Back Regisseurs
Irvin Kershner am Publikum vorbei geschlittert ist, versuchte man es bei Teil 3
mit einer simpleren Maschine gegen Maschine Geschichte und kindgerechterem
Spektakel (was grundsätzlich bei einer Franchise wie Robocop völlig
verfehlt ist). Das vor sich hin siechende Detroit soll dem Erdboden gleich
gemacht werden und durch das neue Delta City ersetzt werden, doch die Bewohner
wehren sich gegen die bevorstehende Zwangsumsiedlung. Robocop muss entscheiden,
wem er loyal bleibt und bekommt es schliesslich mit einem „Samurai-Roboter“ der
neuen Herrschaft zu tun. Für diesen völlig misslungenen Teil 3, ohne Peter
Weller in der Hauptrolle, griffen die Macher, nach der durchaus andersartigen
Musik Leonard Rosenmans bei Robocop 2, wieder auf Basil Poledouris zurück,
der sein bekanntes Schema aus dem Original wiederbelebt ohne es einfach nur zu
kopieren. Die „alten“ Themen sind da, doch Poledouris nahm sich die Mühe an
diesen zu arbeiten und sie mit kleineren und grösseren Veränderungen zu
präsentieren. Desweiteren finden wir ein Motiv für den japanischen Gegenspieler
Otomo. Anders als im Score für Robocop ist die Verwendung elektronischer Klänge
deutlich eingeschränkter. Poldeouris sagte dazu, dass Robocop in Teil
3 sein Schicksal angenommen hat und nicht mehr mit seinem Schicksal
Mensch-Maschine haderte.
Robocop 3 ist ein kurzweiliger Actionscore, absolut typisch für den
Komponisten, der nicht an die kantige Härte und Originalität des ersten Teils
heranreicht. Erstaunlich ist, dass Teile der Musik, vergleicht man den Klang
mit anderen Musiken aus der Zeit, recht dumpf daherkommen. Ob beim Mastering
geschlampt wurde oder das Originalmaterial, was man sich kaum vorstellen kann,
wirklich nicht besser gewesen sein soll, bleibt offen.
4 Phil
OZZY
Fernando Velàzques (Quartet Records)
Das Leben des Beagles Ozzy wird auf den Kopf gestellt, als er von
seiner Familie wegen einer langen Reise in ein scheinbares Nobelhundeferienheim
gegeben wird. Dort ist alles mehr Schein als Sein und Ozzy findet sich alsbald
in einem Hundegefängnis wieder. Velàzques erfüllt die Erwartungen der
Filmemacher mit einer mit diversen Stilelementen besetzten Filmmusik:
schnelles, wechselhaftes Scoring und Spielereien mit den Instumenten.
Velàzques-Fans, die des Komponisten Arbeit gut kennen, sollten sich die
Anschaffung jedoch gut überlegen, denn Ozzy ist ein anderes
Wässerchen, das der Spanier hier köchelt, als man es sonst von ihm gewohnt ist.
Fans des Genres dürften sicher das ein oder andere für sich herausziehen
können, der ganz grosse Wurf ist Ozzy allerdings auch im gross
gewordenen Feld der Animationsfilme nicht. Eingespielt wurde die Musik übrigens
in Budapest, verglichen mit einigem was Goldsmith, nicht ganz freiwillig, in
den 80ern in Ungarn aufgenommen hat, ist der Klangkörper hier wesentlich
homogener.
3 Phil
ROOTS – THE SAGA OF AN AMERICAN FAMILY
Quincy Jones (Varèse)
Varèse Sarabande fährt fort mit den Veröffentlichungen altbekannter
Musiken, die anscheinend nicht mehr zu erhalten waren. Dieses Mal,
koinzidierend mit der Bluray, ist Quincy Jones› Roots an der Reihe,
seine Arbeit also, die Steven Spielberg dazu inspirierte Jones als
(Haupt-)Komponisten bei The Color Purple einzusetzen. Die
zwölfstündige Miniseries, die dem Buchbestseller von Alex Haley über eine
Familiengeschichte schwarzer Sklaven zu Grunde lag, war bei ihrer Ausstrahlung
1977 ein Riesenerfolg für ABC.
Das Label bringt die Musik 1:1 heraus, also genau so wie sie damals bei A&M
erschienen ist und einen zwiespältigen Eindruck hinterliess. Das Programm ist
recht anspruchslos aneinandergeknüpft. Orchestrale Stücke, gefolgt von
gesungenen, Gospel ähnlichen Stücken und Dialogstellen, dazu Gerald Frieds „Roots
Mural Theme“ (beide Kompnisten gewannen für Roots einen von insgesamt
neun Emmys). Fried ersetzte Quincy Jones nach Episode 1 weil die Macher einen
traditionelleren Sound wollten, ein Vorkommnis, das damals für Jones wie ein
Schock war, „they just dropped me, kicked me under the bus“. Doch seine Musik
mit afrikanischen Wurzeln verblieb im Film und er wurde engagiert ein Music
from and inspired by Album herauszubringen. Wie Buch und Serie wurde auch die
LP ein Hit.
2 Basil
COLLAGE
James Horner (Mercury)
Nach der faszinierenden Pas de deux aus selbem Haus, folgt nun
eine weitere CD mit Konzertwerken von James Horner. Es spielen unter David
Arnold das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra (Tracks 1 – 8) und unter
Jaime Martin das London Philharmonic Orchestra („Collage“).
Neben tollen Suiten und Ausschnitten aus den Filmen Legends of the Fall („The
Ludlows“), For Greater Glory („Jose’s Martyrdom“, wunderschön), Wolf
Totem („Little Wolf“ und „Return to the Wild“, was für ein Horner!), Iris („Iris:
Part I“, eignet sich prächtig für den Konzertsaal) und Aliens („Suite
No. 1“) dürfen wir zum ersten Mal den Stücken „Conquest of the Air“ und „Kitty
Hawk (geschrieben für den Studentenfilm First in Flight – dort aus
Budgetgründen mehrheitlich mit Synthesizern gefertigt) und dem Konzwertwerk
„Collage“ fröhnen. Letzteres ist ein Konzert für 4 Hörner, das im Mai 2015 in
der Royal Festival Hall Premiere feierte. Wer Horners Umgang mit Hörnern zu
schätzen weiss, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Schade werden die
beiden Stücke aus First in Flight auf der CD nicht nacheinander
präsentiert. Es hätte mehr Sinn und Zusammenhalt ergeben.
In den Liner Notes von Amanda Holloway ist zu lesen, dass Horner noch ein
Chorstück und ein Ballett plante, das er zusammen mit Collage präsentieren
wollte. Dazu kam es leider aus bekannten Gründen nicht mehr.
5 Phil
AMERICAN PASTORAL
Alexandre Desplat (Lakeshore)
Das Drama American Pastoral (2016) erzählt die Geschichte der
scheinbaren Bilderbuchfamilie Levov, welche zu zerfallen droht, nachdem die
Tochter zunehmend in radikale politische Szenen abdriftet und just dann
verschwindet, als ein Bombenanschlag auf das örtliche Postgebäude ein Todesopfer
fordert. Die Musik zu diesem bedrückenden Drama komponierte Alexandre Desplat.
Erwartungsgemäss fällt das Resultat im besten Falle melancholisch, jedoch meist
beklemmend und atmosphärisch-minimalistisch aus. Dass hierfür das London
Symphony Orchestra verpflichtet wurde, scheint einem dahingehend etwas
„überflüssig“, da die Musik keinen Platz für vollsinfonische Momente bietet.
Wieso dann ein solch potenter Klangkörper engagieren… Stattdessen bietet
Desplat intime, „verletzliche“ Themen, meist auf Klavier vorgetragen. Man kommt
jedoch nicht um Ernüchterung umhin, denn diese Musik ist zu anonym geworden,
als dass sie aus Desplats früheren Arbeiten für dieses Genre herausstechen
könnte.
2 Basil
14.11.2016