Kiss the Girls (Milan)

Review aus The Film Music Journal No. 16, 1998

Eine gekaufte CD bis zur Hälfte anhören und dann genervt für Monate in den Schrank stellen. Wer kennt das nicht? Irgendwann kehrt aber doch die Neugierde zurück. Im Fall von

Ishams Thrillermusik bedarf es da freilich einer offenherzigen Einstellung, denn die fünf Score- Titel (vier Songs vorab verprassen ein Drittel der Spieldauer) bedienen keineswegs die durchschnittlichen Erwartungen an einen Soundtrack.

Nach dem SCHWEIGEN DER LÄMMER, den sieben Todsünden und kopierten Tötungsarten früherer Morde haben wir es nun mit einem Serientäter zu tun, der junge Frauen in einem Kellerverließ mitten in abgelegenen Waldgründen am Leben erhält, so lange sie nicht zu fliehen versuchen. Erneut muß sich Morgan Freeman als Officer in die Gehirnwindungen des Finsterlings eindrehen, scheinbar mit Erfolg. Aber wie stets, wenn eine Masche abgespult ist, versucht man die Dekadenz mit Haken und Ösen zu übertünchen, weshalb es hier nach dem Finale noch eine neue Wendung gibt. Eine Milchtüte liefert die Befreiung.

Ishams Musikbeitrag, eine typische Heimwerker-Arbeit, entbehrt thematische Zusammenhänge; lediglich das neunminütige Schlusstück zelebriert als Zentrum einen pathetischen Blechbläserchoral mit Streichereinfassung. Sonst läßt Isham orchestrale und chorale Teile in seinen flächig wuchernden Elektroniksound hinübergleiten. Es sei empfohlen, die CD in nachdenklichen Stunden sehr aufmerksam und mit einem guten Kopfhörer ausgestattet zu verfolgen, denn in der solchermaßen begrenzten, solipsistischen Welt entfaltet sich die räumliche Weite der Musik auf besonders gewinnende Weise. Vielleicht braucht man vier, fünf Versuche nacheinander, aber irgendwann treibt man symbiotisch mit in diesem seltsamen Klangozean. Vom anfänglichen Eindruck und den dabei zusammengezogenen Brauen bleibt spätestens im meditativen Epilog nichts mehr übrig.

Matthias  |  1998

KISS THE GIRLS
Mark Isham
Milan
43:12 | 9 Tracks