Review aus The Film Music Journal No. 16, 1998
Filmmusikjournalisten ziehen ja gern den Schlüssel im Rücken ihrer Beckmesser-Identität auf: schon wieder Songs auf der CD, und sie sind ja so schlecht! Heute versuche ich’s mal in die andere Richtung -einen Augenblick Geduld bitte.
Zunächst gilt es die erneut eindringlich schöne Filmmusik des immer noch viel zu wenig ins Szenegespräch eingemeindeten Philippe Sarde zu preisen, und zwar lautstark: seine verhaltenen Orchesterstücke zu K, einem französischen Film, der sich wieder einmal jüdischer Schicksale im Zeichen des Holocaust zu widmen scheint -die Infos fließen spärlich -, werden in 14 Auszügen gespielt, wirken homogen in ihrer auf wenigen, intensiven Einfällen gründenden Gestalt. Wie meistens verzichtet Sarde auch hier auf den „großen» Ton, schreibt einen kammermusikalisch-transparenten Satz, dessen Hauptthema gleich im ersten Stück zu Ehren kommt.
Die meisten Abschnitte entfalten ein schattiges Panorama, in welches vereinzelt dissonante Klangpartikel hineindämmern. Track 3 («Le Mur») ist eine „negative» Samba, lädt das Ohr zwar über ein rhythmisches Continuo zur Anteilnahme ein, drängt ihm aber gleichzeitig mißgestimmte Streicherfäden auf, die sich als Tentakel rasch festwickeln.
Das alles reicht für vier Bewertungspunkte; ganz sicher in jener Liga ist die CD aber erst wegen der drei beigefügten Lieder, von denen eines explizit für den Film geschrieben wurde, mit den anderen gemeinsam hat, daß es schwerfällt, die Stimmung, die Intonation zu halten. «Ver les cimes» setzt mit der Stimme ein, aber die aufs Wort folgende Gitarre taumelt neben dem vokalen Strom. Auch die jiddische Ballade Mote/e zwingt die Stimme – eines anderen Sängers -dazu, sich mühevoll auf dem Kurs des Akkordeons zu behaupten. Schließlich das schönste, verlorenste Poem seit sehr langer Zeit: «Father» beginnt mit einer thematischen Abspaltung von Sardes Hauptthema, und dann singt eine Frauenstimme, deren vokale Konstitution so zerbrechlich ist, daß man wärmend beispringen möchte, ihr vereinsamtes Lied.
Gerade weil so viele Popsongs auf Filmmusik-CDs die Analogie zum Kropf erfüllen, muß hier auf die erschütternde Intensität der eingefügten Vokalstücke hingewiesen werden. Mit ihrer Hinzunahme wurde die CD erst zu dem was sie ist: schwermütige, gedeckte Todeslyrik – nachträglich mit einem Ehrenpreis neben dem (schon überreichten) „Score of the Year 1997″ zu versehen!
Matthias | 1998
K
Philippe Sarde
EMI France
53:33 | 17 Tracks