The Journey of Natty Gann

Vor gut drei Monaten ist bei Intrada eine Horner-Mania ausgebrochen: drei bisher unveröffentlichte Scores zu Disney-Produktionen in den 80er Jahren wurden in limitierter Anzahl veröffentlicht. Zusammen mit seinem langjährigen Arbeitskollegen Simone Rhodes kramte James Horner aus seinen Archiven seine Referenz-Kopien heraus und liess sie von Rhodes mastern. Das Ergebnis wurde von Intrada in drei wunderbaren Realises auf je einen Silberling gebannt: Honey, I Shrunk the Kids (1989), Something Wicked this Way comes(1983) und als krönender Abschluss ein Holy-Grail für so manchen Horner-Kompletisten, The Journey of Natty Gann (1985). Während die ersten beiden Veröffentlichungen für Horner-Enthusiasten schon spektakuläres Material boten, ist besonders der letztere eine sehr erfreuliche Sache. The Journey of Natty Gann hat sich dann auch innert knapp zwei Wochen ausverkauft.

Inzwischen wohl den meisten bekannt, war James Horner nicht von Beginn an mit diesem Vertonungsprojekt betraut worden. Vor ihm arbeitete Elmer Bernstein an einem Orchesterscore für das bewegende und actiongeladene Abenteuer, welches Natty Gann erleben darf/muss. Weder Horners noch Bersteins Musik wurde von Disney veröffentlicht, doch dies gehört nun zum Glück der Vergangenheit an. Während Bernsteins Musik in Robert Townson einen Anhänger fand, der diese Komposition zusammen mit den verworfenen Arbeiten zu Gangs of New York und The Scarlett Letter als vierer-Box Varese-Club-Release veröffentlichte, erbarmte sich das Label Intrada für Horners musikalischen Beitrag zu The Journey of Natty Gann. Als Grund für den ausbleibenden Release nennt Townson in den Liner Notes der Varese-Club-Box die sehr schwierigen Zeiten für die Musik Labels und die Soundtrack-Veröffentlichungen während den 80er Jahren (das hatten wir also auch früher schon mal).

Jetzt können sich die Filmmusikbegeisterten gleich beide Werke ins Regal stellen (oder besser gesagt, konnten). Gerade auch zusammen macht das ein sehr schönes Hörerlebnis, ja fast schon eine filmmusikalische Studie. Denn auch wenn James Horner dem Film letztendlich seinen musikalischen Stempel aufdrücken durfte, so wurde Bernsteins Musik nicht gänzlich fallen gelassen und in zwei/drei Szenen mit Horners Musik zusammen geschnitten. Überhaupt bietet das Booklet des Intrada-Releases noch das eine oder andere weitere interessante Detail zu Horners Musik.

Nun aber zur eigentlichen Komposition: Während Bernstein einen einiges dunkleren musikalischen Pfad für Natty Gann vorgesehen hatte, wählte Horner mit seinem sehr schönen Hauptthema (gleich zu Beginn in Main Title erklingend) einen etwas leichfüssigeren Ansatz. Dies war nach Bernsteins Musikkonzeptverwurf dann auch die Forderung der Produzenten.

Dieses Hauptthema dominiert den Score zu einem grossen Teil, wird jedoch ja nach Stimmung anders orchestriert dargeboten, was es unterhaltsam bleiben lässt. In Stücken wie Into Town und dem tempogeladenen Rustling würzt Horner die americana-angehauchte Komposition mit Rodeo-Grundrhythmen und –Drive und lässt den Disney-Abenteuer-Charakter aufleuchten. Denn auch wenn Horner mit seiner Musik einen unbeschwerteren Weg wählte, so ist seine Musik nicht im Geringsten dramaabstinent. Stücke wie Goodbye, Farwell, Reunion-End Credits und vor allem auch der erste Bonus-Track Locked Up bieten unter anderem sehr dramatische Streicherpassagen. Besonders erfreulich ist, dass es das Stück Locked Up auch noch auf die Scheibe geschafft hat, denn ab 1:20 fährt Horner grosses dramatisches Geschütz auf, welches einem Gänsehaut den Rücken runter jagt. Toll!

In The Forest betritt Horner Territorien, welche er besonders in The Spitfire Grill und später zu einem gewissen Grad auch in The Boy in the Striped Pyjamas weiter ausführte. ‚Flackernde’ Flötenspiele (kombiniert mit Shakuhachi) lassen mysteriöse Stimmung aufkommen.

Ein weiteres Highlight auf der CD sind die letzten Sekunden von Reunion-End Credits wo Horner den ersten Teil des Hauptthemas in einem fulminanten kanonartigen Abschluss nochmals darbietet, bevor dieses Stück stimmungsvoll, ruhig ausklingt (von diesem Thema dürfte Horner wohl für seine Arbeit an den NBC News-Melodien inspiriert worden sein, erinnert doch gerade diese Passage relativ stark an jene Arbeit).

Fazit: Wenn nicht nur für diese tolle Veröffentlichung, so muss man dem Label Intrada für das gesamte James Horner-Trio aus den 80er Jahren einfach ein grosses Lob aussprechen. Diese Veröffentlichungen sind sehr unterhaltsam und schön gelungen. Für Fans des Komponisten sind sie eh Pflichtkauf, können damit doch unter Umständen noch drei sehr interessante Lücken in der Sammlung gefüllt werden. The Journey of Natty Gann ist eine wunderbare Komposition von James Horner, angereichert mit viel Herz und Abenteuercharakter. Für den Reviewer definitiv ein frühes Meisterwerk des Komponisten und daher auch ein abschliessendes 5-aus-5-Smileys-Verdikt.

Basil, 13.7.2009

 

THE JOURNEY OF NATTY GANN

James Horner

Intrada Special Collection Volume 103

43:09 Min. / 16 Tracks

Limitiert auf 2500 Stk.

 

 

 

 

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