Es schien unvermeidlich, dass die deutsche Filmindustrie – hier verkörpert durch Constantin Film – irgendwann auf die Idee kommen würde, die legendäre deutsche Kinoserie um den FBI-Agenten Jerry Cotton neu zu verfilmen.
War es in den 60er Jahren „in“, harte Typen zu zeigen, die in James Bond-Manier keine Schmerzen kennen und mit unverwüstlicher Haartolle jede Frau haben können, so entschied man sich nun, das alte Konzept mit Humor aufzulockern, um vor allem Teenager in die Kinos locken zu können. Mittel zum Zweck sind hierbei Christian Tramitz und Christian Ulmen.
Der „Spiegel“ urteilte vorab: „Die Buddy-Krimi-Komödie von und mit den üblichen Verdächtigen der deutschen Comedyszene langweilt mit dröger Story und lahmem Klamauk“.
Auf die Musik bezogen lässt sich leider fast dasselbe sagen: Wer die alten Cotton-Filme kennt und die originale Peter Thomas-Musik zu schätzen weiß, wird wohl erschreckt sein, den ersten Track der Filmmusik von Zerlett und Zirngibl zu hören. „Jerry Cotton Marsch (The Next Generation)“ nennt sich dieser und enttäuscht auf ganzer Linie. Wie es im Lateinischen heißt:„Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas“, also „Auch wenn die Kräfte fehlen ist dennoch der Wille zu loben“, so muss man es den Produzenten des Films hoch anrechnen, das Ohrwurm-Thema der 60er Jahre auch im neuen Film auftauchen zu lassen, doch was daraus gemacht wird, ist leider alles andere als hip oder cool, sondern lediglich einfallslos, blass und austauschbar. Dem originalen Thema wurden hier in der neuen Version alle Kräfte geraubt, so zurückgenommen und schüchtern gibt sich der bekannte Marsch.
Das vordergründige, gepfefferte und nahezu selbstironische Pfeifen verschwindet hier fast im Hintergrund, es fehlen die vorwärtstreibenden Akzente, die Motivation und der Witz, welche das ursprüngliche Thema so kraftvoll und stürmisch machten. Hinzugesetzt wurden hippe Beats, Schlagzeug und eine simple Basslinie – alles zu vordergründig und aufdringlich auf Kosten der Melodie. Der Mittelteil wurde vom Original ohne Variation nahezu 1:1 übernommen.
Wenig intellektuell präsentieren sich auch die restlichen Score-Stücke auf vorliegender CD. Teilweise gemahnt die vorliegende Partitur an die Musiken zur „Bourne-Reihe“ von John Powell, wenn die Percussion über die Boxen gejagt wird, wobei das orchestrale Material arg blass ist. Streicherteppich à la Media Ventures hier, Bläserakzente dort, brummende Celli und Kontrabässe, wenn Spannung erzeugt werden soll, kompositorisch simple Streicherrhythmen, im Vordergrund steht jedoch sehr häufig die aufdringliche Percussion, d.h. Beats und Schlagzeug. Dies ist das Rezept, welches für eine deutsche Filmproduktion genügen muss.
Das Resultat aus dieser Einfallslosigkeit ist die völlige Leere im Gehirn, die man verspürt, wenn vorliegende CD zu Ende rotiert ist. Außer dem als Bonus gegebenen originalen Jerry Cotton Marsch ist nichts hängengeblieben, keine Melodie, kein Motiv, keine kompositorischen Kunstgriffe. Diese Mischung aus Orchester und Elektronik ist mittlerweile zu abgenutzt und austauschbar geworden, als dass diese neue Filmmusik noch irgendeinen Soundtrackfan begeistern könnte. Diese vertane Chance ist durchaus schade, wenn man sich vorstellt, welcher Witz und welche Ironie mit einem traditionellen Orchesterscore, in dem der Marsch öfter auftaucht, durch die dadurch erzeugte Over-the-Top-Stimmung hätte erzeugt werden können. Stattdessen wird hier ein Standard-Action-Score geboten, der sehr schnell sehr ermüdet.
Diejenigen, welche sich mit Filmmusik kaum auskennen, die Zielgruppe der 14-20 Jährigen, werden sich mit dieser CD immerhin gut unterhalten fühlen, trifft die Musik doch den Zeitgeist, unabhängig davon, ob dieses bereits erwähnte Rezept nun „ausgelutscht“ ist oder nicht.
Filmmusikfreunde sollten besser zur alten Musik von Peter Thomas greifen, die jedoch ironischerweise frischer und einfallsreicher klingt als vorliegendes Werk. Die Musik zu den Jerry Cotton-Filmen der 60er Jahre wurde kürzlich auf CD von All Score Media neu veröffentlicht.
Zur Albumpräsentation lässt sich soviel sagen, dass der Großteil des Albums aus Songs besteht, größtenteils Oldies wie Dean Martins „You’re Nobody ‹Til Somebody Loves You“, aber auch anspruchslose moderne Titel wie „S.W.A.T.“ als Club-Mix, zu dem die Teens in der Disco abgehen können.
Als hätte der Rezensent mit der Musik an sich nicht schon genug Spaß gehabt, haben sich die CD-Produzenten noch einen ganz besonderen Scherz einfallen lassen und ein unsichtbares 20. Stück als „Hidden Track“ an den 19. Track nach 5 minütiger Pause angehängt. Dieser besteht aus dem originalen Jerry Cotton-Marsch von Peter Thomas.
Fazit: Vorliegende Musik greift auf alte Action-Score-Konzepte zurück, ohne irgendetwas Neues einzubringen, das die Aufmerksamkeit des Filmmusikfans gewinnen könnte. Zudem leidet der Soundtrack unter extremer melodischer Einfallslosigkeit. Schade, aber dies ist nichts, was man nicht schon oft gehört hätte.
JERRY COTTON Helmut Zerlett, Christoph Zirngibl und diverse MOS2287182 76:04 Min. / 19 Tracks
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