
Spätestens seit PETE’S DRAGON (2016) lässt einem Daniel Hart aufhorchen. Für den skurrilen Mittelalter-Fantasy-Film THE GREEN KNIGHT (2021) lieferte er eine spannenden Genre-Mix und für die Live-Action-Verfilmung PETER PAN & WENDY (2023) komponiere er eine klanglich und thematisch vielfältige Fantasy-Filmmusik für Orchester und Chor. 2022 vertonte er zudem die 1. Staffel der 8-teiligen TV-Serie INTERVIEW WITH THE VAMPIRE, eine neue Adaption von Anne Rices gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1973.
Dieser Stoff wurde auch 1994 verfilmt und von Elliot Goldenthal opulent vertont. Für die 1. Staffel wählte Daniel Hart, ganz zur Freude der Fans, einen vergleichbar opulenten Musikstil. Inspiriert haben ihn unter anderem Werke von Florence Price und Aaron Copland, aber auch William Grant Still und Duke Ellington, wie er in einem Interview sagte. Letztere rühren daher, weil die TV-Serie die gotische Horror-Romanze ins New Orleans des Jahres 1910 verlegte, weshalb Harts Musik für die 1. Staffel auch einen jazzigen Anstrich hatte. In der 2. Staffel ziehen die Vampire während der Zeit des Zweiten Weltkriegs durch Russland und Osteuropa, wobei sie sich dann letztlich ins befreite Frankreich und nach Paris begeben. Auf der Suche nach Vampiren der alten Welt treffen sie auf Armand, den künstlerischen Leiter des «Theatre des Vampire».
Gerade weil Daniel Harts Musik opulent und stellenweise schwermütig ist, war die 53-minütige Highlight-Zusammenstellung aus der 1. Staffel perfekt. Der Soundtrack zur 2. Staffel ist weniger kompakt kuratiert. Hier erhält man geballte 105 Minuten Musik und weil die Handlung nun auch das Varieté-Milieu von Paris ab 1944 streift, sind hier auch viele solche Source-Musik ähnliche Varieté-angelehnte Musikstilismen zu hören – ausgelassene Band-Kompositionen und Bar-Piano-Musik. Man vermisst die Kompaktheit des ersten Albums, doch bietet auch die 2. Staffel sehr schöne Highlights – die man sich indes zusammenprogrammieren muss.
Während einem die «Overture» der 1. Staffel mit ihrem Pomp beinahe den Atem verschlug, eröffnet das Album für die 2. Staffel ruhiger und gemächlicher. Die Musik hier erinnert gar an Max Richter, wobei das herrliche Stück «The Whole World Was Ready to Return» schon beinahe Richters «Vivaldi Recomposed» entstammen könnte. Danach folgt mit «Paris Sucks» eine jazzige Gershwin-Hommage. Diese stilistischen Wechsel sind fordernd – insbesondere, wenn dann das Kinderlied ähnliche «I Don’t Like Windows When They‘re Closed» angestropht wird… um dieses Lied richtig einordnen zu können, muss man wohl die Serie gesehen haben (wahrscheinlich auch eine Varieté-Nummer).
Viele Stücke sind kammermusikalisch besetzt, angeführt vom Klavierspiel. Irgendwann lässt die Aufmerksam nach, bis dann wieder ein dramatisches Tutti-Highlight wie «I Did’t Know It Was A Gift», oder eine avantgardistische Herausforderung wie «Jardin de Satan», oder ein beschwingter Ragtime wie in den Stücken «Ladies and Gentlemen» und «Flirty Salesman Shuffle» aufwecken. Und wenn dann zwischen all diesen neuen Melodien und Klangfarben plötzlich die Melodie des schönen Staffel-1-Liedes «Come to Me» zu hören ist, freut man sich ob diesem «alten Bekannten» umso mehr.
Basil | 26.03.2025
INTERVIEW WITH THE VAMPIRE (SEASON 2)
Daniel Hart
Milan Records
105:58 | 34 Tracks