In Dreams

Review aus The Film Music Journal No. 19, 1999

Man nehme seinen Portable CD-Player, vorliegende Varèse-Scheibe, begebe sich in einen niederländischen Coffee Shop, bestelle und genieße dort vom Feinsten und warte auf den Eintritt der Wirkung. Dann drücke man zwischen den Lach- und Tobsuchtsanfällen die Starttaste. Ab geht die Post. Nach innen. Wer dergleichen Unternehmungen verschmäht, tut immerhin gut daran, die Dunkelheit abzuwarten, ehe er sich Elliot Goldenthals Traumsphäre anvertraut. Nur lichtscheues Gesindel entspringt hier den Boxen.

Goldenthals neueste Filmkomposition entsagt, nicht gar so radikal wie BUTCHER BOY, aber doch in hinreichendem Maß, den ausgestanzten Schablonenlösungen für Thrillermusik und sucht einen Sonderweg, der phasenweise mehr mit manchen Led Zeppelin-Liveexzessen um 1970 zu tun hat als den heutzutage anzutreffenden 08/15-Scores. Dieses Komponisten Partituren neigten stets schon zur Uneinheitlichkeit, und auch hier reicht das bunte Programm vom Streichquartett über Klavierpiecen und geschärfte E-Gitarrensalven bis hin zu mächtigen Blechblaskonvulsionen. An berstenden Orchesterentladungen hat er ja noch nie gespart, in manchen Fällen (A TIME TO KILL) dabei auch kraß überreizt.

Diesmal wußte er sich zu beherrschen, reduzierte beispielsweise die Aktion des Klavierstücks auf eine rhythmische Etüde mit wechselnden Terzpendeln. Nur in «Appellatron», einem Bilderbuchbeispiel des Gothic Horror, fährt er alle Regler hoch, blendet nacheinander komplementäre Rhythmen in den Vordergrund, treibt die Solostreicher zu markigen Sequenzen an und projiziert diverse Saxophonspuren in die verschiedenen Raumzonen. Drei Songs passen immerhin thematisch zur Traumszenerie; angesichts anderer Alben ist man dankbar für die Auswahl und Beschränkung; zumal das letzte Schlummerlied, untertreibend harmlos aus Goldenthals eigener Feder, als trojanischer Gast ins Herz des Hörers sich einschmeichelt: das Ende? Für wen?

Goldenthal liebäugelt ja immer mit seiner Doppelbegabung als funktionaler wie auch autonomer Komponist – seit längerem ist eine Opernadaption der Grendel-Sage verabredet -; und italienische Tempobezeichnungen wie Andante wählt er mit Gusto, sogar für Stücke, die eigentlich Adagio heißen müßten. Selbst die Elegie, letzte Instrumentalschlagobers auf der CD, kreist mit traditionellen Patterns um ein schwarzes Loch im Zentrum.

Nicht zu vergessen ist bei alledem die beträchtliche Manipulation sämtlicher Kraftquellen durch einen elektronischen Filter. Exquisite Klangqualität für eine hervorragende Filmmusikkomposition, bei dieser Firma ja leider nicht immerzu erwarten… Und? Schon auf dem Weg nach Holland?

Matthias  |  1999

IN DREAMS

Elliot Goldenthal

Varèse Sarabande

49:48 | 16 Tracks