Das war nun wirklich eine Überraschung als Prometheus anfangs Dezember eine Neueinspielung von Hour of the Gun verkündete. Gleichzeitig war zu lesen: „The first in a series of newly recorded classic Goldsmith scores“. Spannend. Was wird uns also demnächst noch serviert von Goldsmith, das gar nicht oder nur in verkürzten Form erhältlich ist? Rate mal mit Rosenthal!
Also bleiben wir bei Hour of the Gun. Von allen Goldsmith Western Musiken mein Favorit und bestechend als hervorragend produziertes 30 Minuten Album. Trotzdem hätte es meiner Ansicht nach immer noch ein bisschen mehr sein dürfen. Mehr gibt es jetzt zwar nicht im Original – wie schon so oft werden auch bei Hour of the Gun die Musiktapes als „für immer verschollen“ bezeichnet – dafür als Neueinspielung unter Nic Raine mit dem City of Prague Orchester, das uns zuletzt mit qualititativ hochstehenden Einspielungen nun wirklich verwöhnte (Quo Vadis, The Alamo, Fall of the Roman Empire). Anstatt der bisherigen 30 Minuten haben wir nun satte 56 Minuten Hour of the Gun. Und was bringt’s? Vor allem ein ganz anderes Hörerlebnis.
Erstens bietet uns Prometheus in Zusammenarbeit mit Tadlow eine „filmfreundliche“ Chronologie und das bedeutet u.a., dass die CD nun mit den „Hour of the Gun Main Titles“ beginnt anstatt mit dem (absolut tollen, schmissigen) „Hour of the Gun Theme“ (auf dem Originalalbum mit „Hour of the Gun“ betitelt) – da muss sich der geneigte Hour of the Gun Liebhaber also gleichmals umgewöhnen. Zweitens bekommen wir eine Menge mehr an Spannungstracks zu hören, und das ist durchwegs positiv gemeint, insbesondere im Wilden Westen hat Goldsmith keine besseren geschrieben!
Kurz ein paar Anmerkungen zum Film: John Sturges wollte mit Hour of the Gun ein Sequel zu seinem Gunfight at the O.K. Corral (1957) inszenieren und den damaligen Hauptcast, Burt Lancaster und Kirk Douglas, übernehmen. Schliesslich aber besetzte er Hour mit den damals noch weniger bekannten – und wesentlich günstigeren – James Garner als Wyatt Earp und Jason Robards als Doc Holliday. So beginnt er also auch gleich mit der Schiesserei zwischen den Earps und Clantons, die in die Geschichte des Western eingegangen ist. Goldsmith vertont diese Anfangssequenz übrigens brillant, man sehe sich dazu einmal den empfehlenswerten Film an (Deutscher Titel: Die fünf Geächteten). Ab der Schiesserei beginnt dann die eigentliche Story des Films, in der die Clanton Bande Attentate an den Earps verübt und Wyatt schliesslich auf den gnadenlosen Rachefeldzug zieht.
Goldsmith bietet uns in Hour of the Gun ein famoses Hauptthema, das er abermals repetiert, mal in Fragmenten, oft als Ganzes. Er benützt es in langsamer Spielweise, unterteilt es und verwendet es oft als eines seiner Haupt-Suspensemotive. Kurz nach dem Hauptthema in „Main Titles“ folgt das zweite Thema, gespielt vom Akkordeon. Eine gelungene Variation des Hauptthemas ist in „The New Marshalls“ zu erleben. Nebst dem was Goldsmith erstaunlicherweise aus seinen beiden Motiven herausholt (insbesondere was das Hauptthema angeht), sind Action gefüllte Passagen wie in „The Ambush“ (hier vereinigt Goldsmith zu Beginn seine beiden Themen in heroischem Ausmass für das ganze Orchester) oder mexikanisches Ambiente im duften „Whose Cattle?“ oder stillere Momente in „Doc’s Message/A Room for the Night/On the Train Again“ zu hören. Ein Highlight und exemplarisch für fantastisches Suspensescoring ist „Hour of the Gun Main Titles“. Der langsame Aufbau, die feinen kleinen Zugaben bis hin zur Konfrontation zwischen den Earps und Clantons, das ist schlicht fantastisch gemacht – und doch eigentlich so simpel gestaltet – man spürt förmlich den Gang des Quartetts durch die staubige Strasse Tombstones .
Abgerundet wird der Score schliesslich mit dem eingangs erwähnten fetzigen „Hour of the Gun Theme“, ein Klassiker.
Die Einspielung ist gelungen. Man ist ja, wenn man eine CD auf und ab gehört hat, immer sehr voreingenommen und hofft auf möglichst wenig Interpretation, dafür mehr Echtheit oder „psychologisch“ ausgedrückt: Das (Hör)Gefühl des Gewohnten! Einzig beim „Hour of the Gun Theme“ tauchen hie und da Passagen auf, die (eben…) nicht ganz dem „gewohnten“ 60er Jahre Feeling Sound entsprechen. Hier gilt dann das Zauberwort „Interpretation“. Abschliessend darf man sicher behaupten, dass der Neueinspielung, will man schnippisch sein, kantige, das dem Original den passenden Hauch an Pfeffer gibt, fehlt, aber ich würde das keineswegs als störend oder sogar misslungen empfinden. Nein, Nic Raine und sein Team haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet.
Den Abschluss der CD bilden 13 Minuten aus The Red Pony. Ein bisschen unglücklich getimed, ist doch erst vor kurzem in Varèses Clubrepertoire der Score dazu erschienen, und zweifellos im Schatten von Hour of the Gun stehend. Aber dafür war’s wohl schon zu spät. Ich hoffe sehr, dass dieser Umstand dem Verkauf der Neueinspielung nicht im Wege stehen wird.
Das Original und diese Einspielung ergänzen sich übrigens wunderbar. Während das ein ohne Umschweife ungemein kurzweiliges Hörvergnügen darstellt, ist das andere eben der Filmscore. Und solange es keinen solchen in Gänze als Original gibt, ist die Prometheus durchaus ein Muss für Fans von Hour of the Gun! Plus: es macht einfach ungeheuren Spass diese 56 Minuten durchzuhören.
Phil, 19.12.2012
HOUR OF THE GUN Jerry Goldsmith Prometheus XPCD 173 70:08 Min. / 19 Tracks
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