Auf drei gemeinsame Filme können Jerry Goldsmith und Paul Verhoeven zurückblicken: Der furiose Start setzte der vielbeachtete und fantastische TOTAL RECALL (1990), der den Komponisten alles abfordernde BASIC INSTINCT (1992) belohnte Goldsmith mit einer weiteren Oscar-Nomination und HOLLOW MAN (2000), vier Jahre vor dem Tod Jerry Goldsmiths geschrieben, bildet den Abschluss. Alle drei waren an den Kinokassen erfolgreiche Filme, HOLLOW MAN mit seiner Mischung aus Science Fiction, Thriller- und Horrorelementen, vielleicht der Schwächste der drei und schliesslich auch der Film, der in den USA unter seinem Budget blieb.
In HOLLOW MAN spielt Kevin Bacon den (über)ehrgeizigen und egoistischen Wissenschaftler Sebastian Caine, der sich einem Experiment unterzieht, um unsichtbar zu werden. Das funktioniert zwar, doch scheitert das Team daran, Caine wieder sichtbar zu machen. Das alles bringt auch Nebenwirkungen mit sich, schält das tiefste Innerste Sebastians hervor und so malträtiert Caine alsbald seine Arbeitskollegen, darunter seine einstige Freundin Linda McKay (Elisabeth Shue). HOLLOW MAN war der letzte grosse Hollywoodfilm Verhoevens, der sich danach wieder auf Europa als sein Filmkontinent konzentrierte.
2000 war die Zeit der halbstündigen Varèse Alben so gut wie vorbei und so wurde HOLLOW MAN mit einer 51 Minuten CD bedacht. Jetzt, 22 Jahre danach, erfährt der Score mit diesem Doppelalbum seine definitive Veröffentlichung. Der gesamte Score, 92 Minuten, wird präsentiert, dazu gibt es satte 47 Minuten «alternate» und «revised» Tracks sowie ein feines 24-Seiten-Booklet.
HOLLOW MAN darf durchaus als letzter grosser Genrevertreter Goldsmiths mit pfundig typischen Actionelementen bezeichnet werden, ein Score, der im Gegensatz zu TIMELINE (2003) auch in den finalen Film gelangte. Interessant die Tatsache, dass Goldsmith zu kaum einem Film so viel Musik geschrieben hat wie zu HOLLOW MAN, da sind die diversen «alternates» auch dazugezählt. Dennoch, im Film sind es rund 90 Minuten, die zu hören sind, viel Musik für einen 112 Minuten Film.
Durchgehend spannend und mit viel Suspense und Actionmusik, aber auch mit Horrorelementen ausgestattet, bietet der Score kaum Zeit zum Durchatmen. Goldsmith hatte Mussestunden, in dem er hier eine richtige Titelmusik schreiben konnte, was zu jener Zeit leider mehr und mehr im Verschwinden begriffen war. Der dreiminütige «The Hollow Man» legt das Fundament für das, was musikalisch (aber auch filmisch) folgen würde: Einiges an Elektronik, Synonym für Goldsmiths Actionarbeiten, Wechseltakte in 6/8, 5/8, 7/8, die Musiken für die Transformationen (des weiblichen Gorillas und des Wissenschaftlers Sebastians) und für die misslungenen Berechnungen und Tests, Sebastian wieder die sichtbare Gestalt zu geben aber auch Spannungsmomente mit einem Hauch Erotik versehen («Buttons» und «I Can’t See Him») und mehr und mehr Gewalt und Wahnsinn, die in Sebastian schlummerten und nun, ebenfalls musikalisch, zu Tage treten.
War ich damals, 2000, nicht wirklich überwältigt von der Musik, so unterhält der 92 Minuten Score auf hohem Goldsmith-Niveau in der letzten Schaffensphase des Komponisten, der vier Jahre später verstarb. Die Tonqualität der von Bruce Botnick zur Verfügung gestellten Digitalbänder ist grossartig, das 24-seitige Booklet mit Notes von Jeff Bond und Douglass Fake, unterhaltsam. Ein rundum zufriedenstellendes Paket! Und wie immer die Frage: Braucht man diese Doppel-CD, wenn man das Original hat? Für Goldsmith-Fans ein klares Ja, 40 Minuten mehr Filmscore, dazu kann man doch nicht nein sagen!
Phil, 27.11.2022
HOLLOW MAN
Jerry Goldsmith
Varèse Sarabande Club
CD 1: 76:37 | 27 Tracks
CD 2: 62:29 | 18 Tracks
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