A Hidden Life

Mit A HIDDEN LIFE (2019) liefert Regisseur Terrence Malick seinen zehnten Langzeitspielfilm – ein knapp drei stündiges Epos. Der Film erzählt die Geschichte des österreichischen Landwirts Franz Jägerstätter (1907–1943). Jägerstätter lebte mit seiner frommen Frau und drei Töchtern im ländlichen Dorf St. Radegund. Auch er sei sehr gläubig gewesen, gemäss der Überlieferungen. Dies bewegte ihn denn auch dazu, während des Zweiten Weltkriegs den ihm zugedachten Kriegsdienst zu verweigern, denn die Absichten der NS und deren Anführer seien mit seinem religiös geprägten Gewissen nicht vereinbar, wie er wiederholt öffentlich aussagte. Er soll sich letztlich für Einsätze als Feldsanitäter bereit erklärt haben, aber für solche Dienste wurde er nicht einberufen. Eine Vielzahl von Personen versuchten ihn von dieser Meinung abzubringen. Nicht zuletzt auch aus purer Verantwortlichkeit als Vater und Ehemann gegenüber seiner Familie. Doch Jägerstätter liess sich auch in Gefangenschaft und unter Folter nicht umstimmen. Der berühmte Satz «Besser die Hände gefesselt als der Wille!» stammt von ihm. Er wurde wegen «Wehrkraftzersetzung» zum Tode verurteilt und 1943 enthauptet. 1946, nach Kriegsende, wurde die Urne mit seiner Asche nach St. Radegund gebracht und beigesetzt.

2007 hat die römisch-katholische Kirche Franz Jägerstätter seliggesprochen. Dies soll auch der Grund gewesen sein, weshalb Malick seinen Film persönlich im Vatikan hat zeigen dürfen. Der Weltpremiere von A HIDDEN LIFE am renommierten Cannes-Festival blieb Malick indes fern. Auch das ein angeblich typisches Verhalten dieses als sehr zurückhaltend, ja eigenwillig geltenden Regisseurs. Stets werden seine Arbeiten in Bezug auf die Filmbilder gelobt, doch nicht selten verliert man sich in den Erzählungen, wobei Malick lieber Bildpoesie statt klassische Narratologie walten lässt. Hier soll A HIDDEN LIFE eine Ausnahme gebildet haben, denn für diesen Film hat Malick sich auf ein klar strukturiertes und ins Detail ausgearbeitetes Drehbuch gestützt, wie er in einem Interview sagte. Das sei bei vielen seiner früheren Filme in dieser Form nicht der Fall gewesen. Dennoch hat der Film eine lange Zeit in der Post-Produktionsphase gesteckt: zwei Jahre hat Terrence Malick gemäss Internetquellen am Film geschnitten und vertont. Dies ist besonders überraschend, wenn man in die Betrachtung miteinbezieht, dass für A HIDDEN LIFE scheinbar nur zehn Wochen Vorbereitungsarbeiten und sechs Wochen Filmdrehzeit benötigt wurden. Diese lange Post-Produktionsphase hat bedauerlicherweise auch mit sich gebracht, dass die Schweizer Schauspielikone Bruno Ganz, der im Film eine kleinere, aber gewichtige Rolle als Richter einnimmt, das Ergebnis nicht mehr hat sehen können. Ganz verstarb drei Monate vor der Weltpremiere.

Ob diese lange Post-Produktionsphase die Arbeiten an der Filmmusik tangiert hat, ist nicht bekannt. Frühere Zusammenarbeiten Malicks mit Filmkomponisten führten immer mal wieder zu Auseinandersetzungen, weil Malick im Filmschnitt-Prozess scheinbar regelmässig die Arbeit der Filmkomponisten «zerstückelt» und gestrichen haben soll. Legendär sind die Aussagen von Komponist James Horner im Rahmen des Films THE NEW WORLD (2005) geworden, wobei sich Horner stark über den Umgang mit seiner Musik enerviert hat. Im finalen Film hat von seiner auf CD sehr schön anzuhörenden, poetischen Klangkreation nicht mehr viel Platz gefunden. Stattdessen hat Malick viel Musik von Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Wagner verwendet. Doch seitens Komponist James Newton Howard, der im Rahmen von A HIDDEN LIFE zum ersten Mal mit Terrence Malick zusammengearbeitet hat, gibt es zu seiner Arbeit an A HIDDEN LIFE kaum Aussagen. In einem Interview soll er gesagt haben, dass seine Filmmusik «spirituell» ausgestaltet sein werde. Newton Howard: «Terry hat mit mir viel über das Leiden, das der Liebe innewohnt, gesprochen. In meiner Musik wollte ich dem Verlangen, dem Leiden und der Liebe Ausdruck verleihen.» James Newton Howards Musik wurde in nur einem einzigen Tag in den Abbey Road Studios in London mit einer eher kleinen Besetzung von gut 40 Musikerinnen und Musikern aufgenommen. Die Sologeige, gespielt von James Ehnes, und das Klavierspiel von Andrew Armstrong stehen dem Orchester vor. Die Aufnahmen fanden bereits im Juni 2018 statt. Newton Howard hat teils Musik für spezifische Szenen geschrieben und teils Musik noch losgelöst von konkreten visuellen Inhalten und für «freie Verwendung» des Filmemachers aufgenommen. Das Ergebnis ist unaufgeregt, intim, ruhig. Die Klangfarben wiederspiegeln in diesem Falle die CD-Cover-Gestaltung auffallend passend – erdig, schlicht, ländlich, intim, lyrisch. Verspielte Klänge, episches Drama oder gar Action-Akzente gibt es hier keine. Auch hier kommen mir wieder Aussagen von James Horner für seine Arbeit am Kriegsdrama THE BOY IN THE STRIPED PAJAMAS (2008) und Newton Howard selbst für seine Arbeit an DEFIANCE in den Sinn: beide meinten sinngemäss, dass im Umgang mit Themen wie Krieg und Holocaust musikalisch Zurückhaltung angezeigt sei. Diese Zurückhaltung prägt auch A HIDDEN LIFE – wohl einerseits aufgrund des dramatischen Themas, aber sicherlich auch wegen der von Malick bewusst intimen Inszenierung. Sollte man A HIDDEN LIFE in den Kontext anderer Arbeiten von Newton Howard einzubetten versuchen, ist diese Musik wohl am ehesten als wehmütigerer, ruhigerer, dunklerer Cousin von THE VILLAGE (2004) und DEFIANCE (2008) zu beschreiben.

Das musikalische Juwel von A HIDDEN WORLD ist das hervorragende, sehr berührende Hauptthema, das James Newton Howard komponiert hat. Dieses wird im ersten Stück, «A Hidden Life», denn auch sogleich mit prägnanten Geigensoli, begleitet von Klavier-Arpeggios präsentiert. Dies erinnert einem unweigerlich an THE VILLAGE aber das tut dem Ergebnis keinen Abbruch. Wann immer dieses Thema aufspielt, ist es ein Hinhörer. So auch in den schönen Stücken «Return», «Love and Suffering» und dem abschliessenden «There Will Be No Mysteries», die alle in eine Newton Howard «Best of»-Playlist Einzug finden dürfen. Abseits dieses Themas gibt es in Bezug auf die Originalmusik jedoch kaum mehr aufregendes zu entdecken. Wenn nicht dieses Hauptthema erklingt, dann liefert Newton Howard eher routinierte dunkle, traurige Hintergrundmusik – nicht unpassend, aber zwischen den Themenstatements und den eingestreuten klassischen Stücken eher blass. So gesehen, sind die knapp 40 Minuten Newton Howard-Musik auf dem Sony-Album absolut ausreichend, obwohl dem Liebhaber von dessen Musik anfänglich etwas das Herz bluten dürfte, wenn er sieht, dass über 30 Minuten der Albumspielzeit mit klassischer Musik belegt sind. Diese Kombination funktioniert im Falle von A HIDDEN LIFE jedoch überraschend gut.

Auf dem Album von Sony Music sind neben den zehn Stücken aus der Feder von James Newton Howard vier klassische Werke enthalten. Dabei ist es wirklich erfreulich, wie gut sich die Musik von Arvo Pärt, Antonín Dvořák und Henryk Górecki in Klang und Stil mit der Originalmusik von Newton Howard «vertragen». Einzig der «Israel in Egypt»-Choral von Georg Friedrich Händel, der als zweites Stück auf dem Album zu hören ist, zerstampft mit seiner wuchtigen Präsenz die mit «A Hidden Life» fragile, angeführte Gefühlswelt, weshalb ich dieses Stück wegprogrammieren muss, um den Hörfluss nicht zu stören. Im Film selbst sind noch weitere Kompositionen von Johann Sebastian Bach und anderen Komponisten eingebunden.

Fazit: Nachdem James Newton Howard im Jahr 2018 mit seinen Soundtracks zu RED SPARROW, THE NUTCRACKER AND THE FOUR REALMS und der FANTASTIC BEASTS-Fortsetzung pompöse Arbeiten für Orchester und Chor abgeliefert hat, hören wir ihn für A HIDDEN LIFE nun auf ganz anderem Ton spielen. Wobei das Ergebnis im Film hervorragend gelungen ist. Auf CD kommt dem Hauptthema in seinen verschiedenen Darbietungsformen Highlight-Status zu, abgesehen von diesem Hauptthema übt sich die Musik indes in unaufgeregter dunkler Dramatik. Zusammen mit den klassischen Stücken hört man sich diese Musik jedoch gerne mehrmals an und das Hauptthema wird schnell zum Ohrwurm.

Basil, 28.1.2020

A HIDDEN LIFE

James Newton Howard

Sony Music

14 Tracks (Score: 10)
69:30 Min. (Score: 38:59)