Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005
Die Zeiten, in denen über zu kurze Varèse-CDs gejammert wurde, sind längst vorbei. Inzwischen sind die Alben vollbepackt und wirken im Verhältnis von Quantität zu Qualität ein wenig windschief. Auch bei HELLBOY (2004) könnte man 10-12 Minuten kürzen, ohne dass etwas fehlen würde. Gleichwohl gehört die CD zu den erfreulicheren Hollywood-Ausstößen der letzten Zeit.
Beltrami nimmt weder sich selbst noch den bekloppten Film sonderlich ernst und tummelt sich auf der dargebotenen Spielwiese der musikalischen Stile. Als Spezialist für Fantasy und Science Fiction hat er sich längst seine Routine erworben, bei der man nur gelegentlich auf mehr musikalische Substanz hoffen würde. Immerhin zeigt HELLBOY den Komponisten auf jener Höhe, die zu erreichen ihm derzeit möglich ist.
Die Attraktivität beruht auf einem halben Dutzend verschiedener Einfälle, die auf der CD teilweise nur im Singular erklingen, den Film aber thematisch prägen. Der Löwenanteil entfällt natürlich auf das Hauptthema, das sich bereits im ersten Track als unbegleitete Melodie formt, zu Beginn des zweiten im Stadium unschuldiger Kindheit angelangt ist und im dritten zu voller (d.h. pubertär-protziger) Entfaltung gelangt. Hellboys Schicksalsgefährtin Liz wird mit einem eigenen pathetischen Thema bedacht (Track 5), und die im Film recht schemenhaft bleibende Nazi-Fraktion hat ihr eigenes Material.
Dann gibt es noch ein traurig-wiegendes Siziliano für die Beziehung zwischen HELLBOY und seinem `Vater` («Funeral»), ein köstlich-schräg gesetztes Bläserstück (Track 9), und ein merkwürdiges «Lied»: Im Film spielt der Nazi-Zombie Kroenen eine Schellackplatte ab und hört ihr noch posthum ergriffen zu, wird jedoch unterbrochen, weshalb die knisternde Scheibe bald zur Ruhe kommt. Die vollständige Fassung ist ein klanglich taufrisches Operettenduett, dessen deutscher Nonsenstext anfangs gut verständlich ist, in der 2. Strophe aber ziemlich verschmiert wird.
Desweiteren hat Beltrami ein paar Actionstücke eingefügt, die aber selten in der nervtötenden Media Ventures Manier vor sich hinrumpeln. So ergibt sich ein über weite Strecken unterhaltsames Album, weil der Komponist als Musikschuster bei seinem Leisten geblieben ist, mit offenen Karten spielt und die vielen Vorbilder nirgends vertuscht. Ein mit den opernhaften Teilen aus MIMIC gegebenes Versprechen wird endlich eingelöst.
2016 veröffentlichte Varèse Sarabande im Club-Programm eine limitierte und mit 122 Minuten satte Doppel-CD.
Matthias | 2005
HELLBOY
Marco Beltrami
Varèse VSD 6562
45:09 | 20 Tracks