Harry Potter & the Deathly Hallows-Part 1

Harry Potter tritt sein letztes Abenteuer an. Anlässlich dieses Grande Finales wurde lange spekuliert, ob denn nun auch John Williams, der Ziehvater der Harry Potter-Musik, nochmals zum Taktstock greifen würde. Klar war, dass Nicholas Hooper nicht mehr antreten würde und eine Rückkehr von Patrick Doyle war auch unwahrscheinlich und wäre aufgrund der Regisseur-Besetzung und Doyles (allen Anschein nach etwas nervaufreibenden) Arbeit an Kenneth Branaghs Thor (2011) unwahrscheinlich gewesen. Williams’ Rückkehr wäre also theoretisch durchaus möglich gewesen. Dass die Wahl letztendlich auf den nimmermüden Alexandre Desplat gefallen ist, kam dann jedoch ähnlich überraschend, wie Horners Zusage zu The Karate Kid (2010).

Desplat ist weder bezüglich der Vertonung von Grossprojekten unerfahren, noch ein Neuling im Fantasy-Genre (The Golden Compass, 2007 und The Twilight Saga: New Moon, 2009). Was man bisher von ihm jedoch noch nicht gehört hat, ist ein richtig „lauter“, krachender und furioser Score. Seiner Äusserung, stets so diskret wie möglich den Musikeinsatz zu gestalten, scheint er bisher sehr treu zu bleiben.

Der Trailer zu Harry Potter and the Deathly Hallows – Part I wartet mit ein paar epischen Schlachtenszenen und jeder Menge Thrill (wobei hier wohl einiges Bildmaterial bereits aus dem zweiten Teil zu stammen scheint) auf. Ein lauter, epischer Score wäre also angezeigt gewesen und in einem Interview äusserte Desplat zusätzlich, dass er das Thema von Williams möglichst häufig einfliessen lassen möchte.

Inzwischen hat Harry Potter and the Deathly Hallows – Part I seinen 1. Siegeszug durch die Kinosäle dieser Welt gemacht und Desplats Filmmusik wurde gehört. Das Ergebnis ist gemischt. Der Film erscheint über weite Sterecken als eine Art Road Movie. Vom Zauber blieb nicht mehr allzu viel übrig. Auch Hogwarts ist nicht mehr Dreh- und Angelpunkt und so musste sich das auch in der Musik reflektieren. Das berühmte, beliebte Thema von Williams, „Hedwig’s Theme“, hat auf der CD lediglich drei Anspielungen (im wortwörtlichen Sinne), was sicherlich viele Fans (Entwicklung der Geschichte weg von Hogwarts dahingestellt, wenn auch als Begründung nachvollziehbar) enttäuschen wird.

Dies ist ein Hauptproblem der unter dem Strich durchschnittlichen Filmmusik von Desplat: War die Harry Potter-Serie filmmusikalisch nie wirklich stetig (Komponistenwechsel!) so drückt auch Desplat der Serie wieder einen anderen Stempel auf, was in einer durchaus feinen, handwerklich hochstehenden und dramatischen Musik resultiert, jedoch nur aufgrund des Covers (und der drei „Hedwig“-Anspielungen) als Harry Potter-Soundtrack deklariert werden kann.

Eine zweite Schwäche erhält der Score aufgrund seines unzufriedenstellenden, narrativen Verlaufs: Die zweite Hälfte des Scores ist sehr reserviert und dunkel in der Klangestaltung (schon fast kompletter Underscore) und läuft mit dem 26. Stück ins Nichts. Dies hängt natürlich mit der Zweiteilung des Films und der Story zusammen, lässt den Hörer nach 73 Minuten (mit den Bonus-Tracks der Deluxe-Box nach gut 88 Minuten) jedoch trotzdem ordentlich stehen. So muss man denn wohl auch festhalten, dass eine finale Bewertung von Desplat’s Schaffen für das Harry Potter-Universum erst nach Anhören des Scores für Part II, welchen er ebenfalls vertonen wird, wirklich möglich sein dürfte.

Die erste Hälfte des Albums eröffnet an sich sehr unterhaltsam. „Obliviate“ setzt den unheimlichen Ton der Komposition in einem von den Bässen getriebenen Stück (die vielerorts gemachten Kommentare zur störenden Zimmer/MV-Abmischung mit den überlauten Bässen, kann ich an dieser Stelle nicht teilen). „Snape to Malfoy Manor“ präsentiert eine weitere Themenidee und wartet mit unheimlichen Streichereffekten auf, während „Polyjuice Portion“ doch noch ein wenig verspielte Klänge präsentiert, wobei hier der Auftakt massiv nach Dances with Wolves (1990) klingt, was etwas befremdet. Ein Highlight ist das vierte Stück, „Sky Battle“. Hier lässt Desplat die furiose Action erklingen und vermag damit zu packen (wobei sich die Streichereinsätze im
Williams’schen Territorium und die Bläserfanfare stark an Shores Musik
(konkret: die Fanfare aus «Night Camp» aus The Two Towers) ansiedeln lassen).

Ein schönes, wenn auch sehr melancholischen Stück erhalten „Harry und Ginny“, wobei das Pianomotiv fast 1:1 aus James Horner’s All the Kings Men (2006) stammt (ähnlich befremdend, wie die Dances with Wolves-Anleihe).

Nach diesem, doch mit markanten Ideen aufwartenden Auftakt fällt der Score ein bisschen häufig in die reine „Stimmungsmusik“ ab – mit einem Unterhaltungspeak mit dem Track „Ron Leaves“.

Auch die Bonus-Tracks, welche mit der Deluxe-Box erstanden werden können, vermögen an diesem Gesamteindruck nicht wirklich viel zu ändern. Einzig nennenswert sind die Chorpassagen in den Stücken „My Love is Always here“ und „The Tale of the Three Brothers“.

Fazit: Alexandre Desplat’s Musik für Harry Potter and the Deathly Hallows – Part I ist etwas ernüchternd ausgefallen. Viele gute Ideen sind hier verborgen, doch wartet man in der Regel vergebens auf eine fulminante Präsentation (was bei einem solchen Film irgendwie einfach erwartet wird). Es ist zu hoffen, dass Desplat seine hier lancierten Motive und Themen im zweiten Teil zu einem tollen Ganzen schnüren kann.

Das abschliessende Verdikt ist also aufgrund der Zwei-Teile-Struktur nur mit Vorsicht zu verstehen.

Basil, 27.11.2010

 

HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS – Part I

Alexandre Desplat

Sony Music (Sony Masterworks) 

73:43 Min. (+ 15:52 Bonus-CD der Deluxe-Box)
26 Tracks (+6 aus Bonus-CD der Deluxe-Box)

 

 

 

 

 

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