An diesem Film scheiden sich die Geister: Die einen bemängeln die dunkle Atmosphäre, zu viel Regen und plumpe Action, andere finden gerade die Endzeitstimmung klasse und erfreuen sich an geschickt eingefädelten Wendungen, die sogar eingefleischte Plotprofis staunen lässt. Ich gehöre eher zu denen die Mikael Salomons raubeinigem Film etwas abgewinnen können. Dazu gehört auch Christopher Youngs Actionscoring aus dem Jahre 1997 – ein tolles Stück Musik, dem eigentlich viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Schon das Opening („Main Title“) lässt hellhörig werden und macht Appetit auf mehr. Ein Ensemble aus acht Hörnern intoniert fanfarenhaft das Hauptthema, zwischenzeitlich werden Horrorelemente musikalisch angeschossen; Young zitiert hier vorsichtig das berühmte ALIENS-Opening Motiv, aber ohne konkret zu werden und nur um die verregnete Stimmung zu unterstreichen. Zu den Hörnern gesellen sich später noch drei Trompeten, drei Posaunen und eine Tuba. Ab 2:23 spielt eine Mundharmonika das zweite Thema, welches Morgan Freeman und seine Gang musikalisch abbildet. Dieses Thema, das wie mit einem Salzstreuer verteilt hin und wieder aufblitzt, bildet einen emotionalen Anker und verbreitet eine gewisse Sympathie, da auch der Gangsterboss im Filmverlauf immer sympathischer scheint.
Nachdem das Blech in der Eröffnung tonal gespielt hatte, geht es in den folgenden Tracks rauer zu: Hörner werden überblasen, scharfkantige Streicher-Glissandi und Paukenschläge treiben den Film voran ohne Zeit zu verlieren. Der Bassrhythmus sorgt synkopiert für Antrieb. Zwischendrin – auf einer vertikalen Ebene – garniert Young seine Musik mit Submotivik. Umgesetzt wird dies mit Vibraslap, Pauken und allerlei Synthetik. Young-Kenner werden einige pizzicati, Holzschlagwerk und Samples aus seinen anderen Kompositionen – beispielsweise JENNIFER 8 – wiedererkennen.
Die filmischen Figuren und deren charakterliche Entwicklung finden wenig Platz in Youngs Musik, dadurch wirkt sie spätestens in der zweiten Hälfte etwas langatmig. Action steht von Anfang bis Ende im Vordergrund. Erwähnenswerte Highlights sind ausserdem «Karen», «Jim Saves the Day» und «The Cemetary»; alle drei Cues sind eher melodisch und dadurch eingängiger. Den Abschluss des Films und des Scorealbums bildet ein Song, «Flood». Hier ist nicht nur der Titel passend.
Fazit: Wer Lust auf Actionscoring hat, ist bei Chris Youngs gelungenem Mainstream Hammer an der richtigen Adresse. Weitere Pluspunkte sind ein ausführliches Booklet (Young erzählt hier von seiner Musik) und eine ausgewogene Spieldauer von rund 52 Minuten (inkl.Song).
Oliver 31.3.2020
HARD RAIN
Christopher Young
Milan
52 Min.
20 Tracks