Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001
Bei HANNIBAL sollte sich der Zuschauer im Kino gruseln, erschrecken, Angst bekommen, ja vielleicht sollte er/sie sogar angewidert sein. Doch soll all dies auch zutreffen, wenn man sich nach dem Film die Soundtrack-CD in seinen Player einlegt? Wohl eher nicht. Doch genau fast die gleichen Reaktionen löste diese CD bei mir aus.
Beim ersten Blick auf das Tracklisting überkam mich schon ein leichter Schauer, denn bei drei der Tracks steht «featuring Sir Anthony Hopkins». O Graus, Dialoge!! Warum um alles in der Welt denken Musikproduzenten immer, dass man Soundtracks mit einer Unmenge an Dialogen aufpeppen muss? Zu oft war dies ärgerlich, hier störte es mich zum ersten Mal massiv. Auch wenn Sir Anthony Hopkins› Stimme sehr interessant und eindringlich ist, sie hat nichts auf dieser CD zu suchen. Wenn man Hopkins› Stimme hören will, dann soll man sich ein englisches Audiobook kaufen, dann kann man ihm stundenlang zuhören. Gleich im ersten Track «Dear Clarice» setzt der Dialog bei ca. 1:45 ein und dauert bis 3:35, also fast zwei Minuten des sechsminütigen Stücks, danach darf wieder Zimmer ran. Störend daran ist, dass weder Dialog, noch Musik von der Lautstärke her dominieren, was somit beides eigentlich unhörbar macht. Im Film ist Hopkins› Dialog eindeutig lauter. Der Dialog taucht dann nochmals in Track 9 und 10 auf. Auch hier ist der Dialog schlecht und teilweise unverständlich. Es stellt sich die Frage, warum man nicht auf Zimmers effektvolle Musik vertraute und stattdessen Hopkins› Text darüber legte, der so wie hier leider damit auch alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Ach ja, zu Hans Zimmers Musik haben wir ja noch gar nichts gesagt, man muss sie erst mal finden: Tracks 1, 3, 5, 6, 8, 9, 10 und 11 stammen von Zimmer (immerhin 38 Minuten), der nach seinem Oscar nominierten Score zu GLADIATOR die erfolgreiche Kooperation mit Ridley Scott fortsetzt. Zuvor hatten die beiden schon bei BLACK RAIN und THELMA & LOUISE zusammengearbeitet. Wer ein ähnlich bombastisches Werk wie GLADIATOR erwartet, wird
enttäuscht. Ganz Zimmer untypisch, sehr zurückhaltend, mit viel Chor und Streichern setzt er deutlich leisere, ja fast elegische Töne an. Und bis auf die teilweise nervenden Soundeffekte fielen mir keine Synthesizer auf, auch mal ein Novum. Die CD wird von drei klassischen Stücken und einem Track von Klaus Badelt ergänzt, dem «Gourmet Valse Tartare», einem eindeutigen Wiener-Blut Ripp-off, wenn auch gar nicht mal schlecht. Gut geklaut ist halt doch besser, als schlecht selbst komponiert, oder?
Die ganze CD klingt eigentlich recht rund, wären da nicht die extrem störenden Dialoge; daher auch die schlechte Bewertung für diese Scheibe. Schade.
Uwe | 2001
HANNIBAL
Hans Zimmer
Decca
54:07 | 12 Tracks