The Hammer Film Music Collection Vol. 1

Review aus The Film Music Journal No. 17/18, 1999

Einige CDs mit Neuaufnahmen ausgewählter Hammer-Scores hat uns Silva Screen bereits in den vergangenen Jahren serviert, wobei sowohl die Auswahl als auch die Darbietung gemischte Gefühle hinterließen. Mit dem Hammer-Kult ist das ja so eine Sache: den einen schmeckt er überhaupt nicht, andere füllen ihre gesamte Freizeit damit aus. Dabei geht es oft genug um das gleiche: Kaum jemand verneint die enormen Altersspuren, welche die Zeit auf den dreißig, vierzig Jahre alten Filmen hinterlassen hat.

Das Hammer Studio imprägnierte all seinen Produkten den markanten, aber eben auch markant altmodischen Stil, und um die Empfindungen angesichts der Filme dreht sich das Karussell von Reiz und Gegenreiz. Neben der Ausstattung und den Protagonisten, darunter Terence Fisher, Peter Cushing und Christopher Lee, liefert James Bernards Musik einen erheblichen Faktor für die Nachwirkung des Hammer Horrors (die anderen Filme des Hauses sind ja weitaus weniger bekannt), stilistisch ebenso eigenwillig wie Salters Universal-Scores, diesen allerdings weit unterlegen. Im Vergleich mit den übrigen Komponisten vorliegender CD schneidet Bernard – 10 der 25 Main Titles entfallen auf ihn – eher schlecht ab, weil er zu häufig mit den primitivsten Schreckgespenstern hinter dem Vorhang lauert. Demgegenüber setzen Harry Robinson, Franz Reizenstein, Laurie Johnson oder auch Christopher Gunning weniger auf die Gruselkarte, um stattdessen ansprechende Themen in sinnfällig orchestriertem Gewand aufzufahren.

Ihre stilistischen Mittel sind dabei selten aufsehenerregend, doch die zwei- bis dreiminütigen Ouvertüren zu THE MUMMY, CAPTAIN KRONOS VAMPIRE HUNTER und HANDS OF THE RIPPER besitzen einen aparten Reiz und bezeugen allemal das handwerkliche Können ihrer Urheber. Bernards Vorspannmusiken rufen dagegen meist das Überfallkommando auf den Plan. Mein Lieblings-Spuk besitzt gleichzeitig auch die beste Begleitmusik Bernardscher Provinienz: THE GORGON (1963) belebt auf herrlich verquaste Weise den Mythos von der griechischen Medusa neu und verfrachtet ihn nicht nur ins 19. Jahrhundert, sondern, bei Hammer Productions fast selbstverständlich, in ein abgelegenes Schloß. Wer die Medusa aufspürt und direkt ansieht – so manchem im Verlauf des Films passiert das -, erstarrt zu Stein. Ausnahmsweise übernimmt Christopher Lee die Van Helsing-Rolle, Peter Cushing spielt einen zwielichtigen Arzt, und auch die übrigen Schauspieler agieren mit Geschick; nur das Medusenhaupt läge heute in jedem Spielwarengeschäft als schrecklichere Maske herum (gibt es noch Spielwarengeschäfte?).

Der Vorspann zeigt ein gemaltes Schloß, und Bernards Musik lauscht sogleich den wortlosen Tönen einer häßlichschönen Frauenstimme, deren Intonation einen weiteren Mythos – Odysseus und die Sirenen – heraufbeschwört. Ihr Lockruf zieht vor allem Männer in die Nähe des Verderbens, verstummt aber, bevor die Medusa sich in ihrer wahren Gestalt zu erkennen gibt. Die letzten Opfer wissen um die Gefahr, suchen sie aber dennoch, als sei der Sexualtrieb an den Todestrieb gekettet. Um diesen schaurigen Ruf herum baut Bernard eine Stafette von „hämmernden» (man verzeihe die Assoziation) Dissonanzakkorden, als Mahnung an jeden Besucher, das Brunftverhalten nochmals zu überdenken.

Der Hammer-Nostalgie sei man wenigstens ein bißchen zugewandt, lasse ansonsten bitte die Finger von der CD. Als Vol. II ist übrigens schon eine Ansammlung mit Finalstücken angekündigt, ehe dann komplette Scores folgen sollen. Sämtliche Editionen sind streng limitiert. Falls alle mit solch faszinierenden Fotogalerien und informativen Booklets aufwarten sollten: «Nur herbei, ihr regen Geister!»

Matthias  |  1999

THE HAMMER FILM MUSIC COLLECTION VOL. I

James Bernard & various

GDI Records

55:14 | 25 Tracks