The Gypsy Moths

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

DIE DEN HALS RISKIEREN (1969) hieß in Deutschland John Frankenheimers mit Burt Lancaster, Deborah Kerr und Gene Hackman hochkarätig besetzter Film über eine Truppe von Kunstfallschirmspringern, die in einem kleinen Städtchen in Kansas gastieren und dort ihre Sturzflüge vorführen. Der reißerische deutsche Titel vermittelt ein etwas schiefes Bild dieses sensibel inszenierten Kleinstadtdramas, das von stiller Verzweiflung, Enttäuschung und Desillusionierung handelt. Burt Lancaster als Fallschirmspringer verliebt sich in die unglücklich verheiratete Deborah Kerr, die sich aber nicht dazu entschließen kann, sich von ihrem Mann zu trennen. Das tragische Ende bleibt somit unausweichlich, und Lancaster begeht Selbstmord, indem er beim Sprung die Leine seines Fallschirms nicht zieht und vom Himmel stürzt.

Auf einer Bootleg-LP (Cinema LP 8011) waren Ende der 70er Jahre bereits etwa 30 Minuten Musik aus THE GYPSY MOTHS enthalten gewesen, ein recht skurriler Mix aus dem reinen Elmer Bernstein-Score, einigen Nachtclub-Barmusiken sowie den Zirkusmärschen, die bei den Fallschirmakrobatik-Vorführungen über Lautsprecher im Film erklingen. FSM hat vernünftigerweise nun die 11 Score-Tracks mit insgesamt 27 Minuten separat an den Anfang dieser CD gestellt und mit den restlichen Nightclub Source und March Source Tracks, die zum Großteil ebenfalls aus Bernsteins Feder stammen, die zweite Hälfte der CD gefüllt.

Interessant sind für den Filmmusikfreund im Endeffekt natürlich hauptsächlich die ersten 27 Minuten, so daß man schon ein gewisses Maß an Bescheidenheit in diese Scheibe investieren muß, um an ihr Gefallen zu finden. Doch man wird beileibe nicht enttäuscht von Bernsteins sinfonischem Scoreanteil, da hier für einmal Qualität über Quantität den Sieg davonträgt. Bernstein hat für THE GYPSY MOTHS eine überwiegend ruhige und gefühlvolle Komposition abgeliefert, während drei der zu heroisch und dramatisch ausgefallenen Stücke, nämlich «Trio’s Tricks with Banner», «Bridgeville» und «Malcolm’s Feat», im Film gar nicht zur Verwendung kamen. Auch der ursprünglich von Bernstein komponierte «Main Title» ist um 50 Sekunden länger, so daß FSM beide Versionen auf der CD präsentiert, die kürzere Filmversion dabei als abschließenden Track der Scheibe. Das Hauptthema, das im Main Title und noch in ein paar anderen Stücken auftaucht, erinnert sehr deutlich an dasjenige aus dem im selben Jahr 1969 entstandenen John Wayne-Western TRUE GRIT und kann sofort als typischer Bernstein voll rhythmischer Verve eingeordnet werden, der des öfteren von der Solo-Trompete intoniert wird, um dann vom vollen Orchester ausgereizt zu werden.

Weitaus charakteristischer für diesen Score sind jedoch die verhalten melancholischen Passagen, die von delikaten Holzbläser-Soli (Oboe, Flöte) bestimmt werden. Am intensivsten kommt diese resignative Stimmung in dem mit 5 Minuten längsten Track auf der Scheibe «Into the Night» zum Ausdruck, der im Film den langen nächtlichen Spaziergang von Burt Lancaster und Deborah Kerr sehr poetisch untermalt. Zauberhafte Klänge voller Wehmut und Trauer gibt es hier zu hören, die die der Szene zugrundeliegende Atmosphäre der Vergeblichkeit in sanfte musikalische Töne fassen. Eine melodische Perle im Oeuvre des Komponisten liegt hier bereit, die bislang leider allzu sehr ein Schattendasein geführt hat und dank FSM nun endlich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Auf gewohnt hohem Standard bewegt sich wiederum das recht informativ gehaltene Booklet, in dem Bernstein ein wenig aus der Komponierstube plaudert, wenn er erzählt, daß man im Gegensatz zu heute eben mit Regisseuren wie Frankenheimer auch noch über musikalische Charakterzeichnung gesprochen habe.

Stefan  |  2003

THE GYPSY MOTHS

Elmer Bernstein

FSM

61:08 | 29 Tracks