Walt Kowalski ist ein grantiger Geselle – Kriegsveteran und einstiger Industriearbeiter in den Fordwerken. Er kann nicht mit seinen beiden erwachsenen Söhnen umgehen, schon gar nicht mit deren Enkeln oder seinen Stieftöchtern. Er hasst alles, was nicht seinen Vorstellungen und schon gar nicht seiner Hautfarbe entspricht. Aber er liebt seinen Hund, sein Bier und seinen alten Ford Gran Torino.
Nachdem seine Frau gestorben ist, zieht er sich noch mehr in sein Schneckenhaus zurück. Die vietnamiesische Familie Thao, die gerade erst ins Nachbarhaus eingezogen ist, weckt zusätzlich seinen Argwohn gegen alles Fremde. Der Versuch des Nachbarsohns, angestachelt von seinem Cousin, den Grand Torino zu klauen, führt schliesslich dazu, dass sich Walt mit der Tochter der Familie, die dem Zynismus des alten Kowalski als einzige Paroli bietet („There’s a ton of food.“ „Yeah, well just keep your hands off my dog.“ „No worries, we only eat cats.“), anfreundet und sich des vermeintlichen Diebs annimmt. In seiner ihm eigenen Art selbstverständlich.
Clint Eastwood sieht man seine 79 Jahre inzwischen wirklich an. Nicht etwa, dass das schlimm wäre, nein, es passt ganz wunderbar zum Charakter des grimmigen, missmutigen Walt Kowalski, den er spürbar mit viel Wonne spielt. Aber in seinem fortgeschrittenen Alter und besonders nach einem Film wie Gran Torino, kommt natürlich auch das Gefühl auf, wie lange Eastwood noch hinter und vor der Kamera agieren dürfte. Angeblich soll er in Gran Torino, nach eigenen Worten, seine letzte grosse Rolle gespielt haben. Wir werden sehen und hoffen natürlich auf den ein oder anderen weiteren Auftritt eines noch lange gesunden Clint Eastwoods.
Um Gran Torino rankten sich zuvor einige Gerüchte, unter anderem jenes hartnäckig, dass Eastwood hier zum letzten Mal den Dirty Harry Calahan geben würde. Das war allerdings mehr Wunschdenken der Fans, obschon Walt Kowalski so einige Charakterzüge mit dem harten und wortkargen Polizeiinspektor teilt. Insofern ist Kowalski, der in der Tat der typische harte Schale, weicher Kern-Typ ist, mit dem man zunächst wenig anzufangen weiss, wenn man ihn nur vom Sehen her kennt, ein Charakter, den man nur zu gerne nochmals auf der Leinwand sieht.
Gran Torino strotzt vor zynischen, manchmal fast nicht zitatreifen, aber immer wieder zum Schmunzeln anregenden Sprüchen. Ähnlich brummig war Eastwood zuvor in Million Dollar Baby, hier setzt er dem Ganzen allerdings noch eine „nette“ Schippe drauf. Und er überrascht mit einer Verletzlichkeit, die den toughen Dirty Harry oder Philo Beddoe (Every Which Way But Loose, Any Which Way You Can) nur ansatzweise anzumerken waren.
Ein gelungenes Alterswerk, flott gespielt und mit kauzigen Nebenrollen besetzt (herrlich, John Carroll Lynch als Kowalskis Friseur).
Musikalisch geht Eastwood nur fast neue Wege. Anstatt nun solo auf dem Klavier zu klimpern, lässt er seinen Sohn Kyle die Musik schreiben. Dieser ist musikalisch übrigens kein Nobody: in der New Yorker Jazzszene besitzt er durchaus einen Namen und mit seinem Vater hat er bereits bei Letters from Iwo Jima und an Songs in Million Dollar Baby, Flags of Our Fathers, Mystic River und The Rookiegearbeitet. Den Komponisten Credit teilt Kyle Eastwood sich mit Michael Stevens. Musikalisch bleibend an Gran Torino ist aber eigentlich nur der Titelsong, „Gran Torino“, über den Schlusstiteln zu hören. Ein wirklich gelungenes Lied, das in seiner trägen und simplen Art Walt Kowalski bestens illustriert und sicher eine Oscarnomination verdient gehabt hätte – weitaus mehr als die Slumdog Millionaire Songs jedenfalls.
Phil, 14.7.2009
GRAN TORINO Regie: Clint Eastwood Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Anhey Her Musik: Kyle Eastwood, Michael Stevens Verleih: Warner