Ende 1962 erhielt Jerry Goldsmith von Lionel Newman, dem damaligen Musikdirektor von 20th Century Fox, einen Siebenjahres-Vertrag, und gleich der erste Film sollte für den Komponisten von Bedeutung sein. Noch bevor er offizieller Mitarbeiter des Studios wurde, ersuchte ihn Newman bereits 1960, einen Cue für den Elvis-Presley-Film FLAMING STAR zu schreiben. In diesem Don-Siegel-Film spielt Elvis das Halbblut Pacer Burton, das zwischen den Fronten von Indianern und Weissen steht, und der King beweist sich, wie generell in seinen frühen, vergleichsweise qualitätsvollen Filmen, als recht passabler Schauspieler, bevor er sich später in meist formelhaften Streifen als stets selber Charakter verdingen musste. Bei «Pacer’s Farewell» handelt es sich um das Finale, und im zweieinhalb-minütigen Track präsentiert Goldsmith zum einen schicksalsschweres Eigenmaterial, zum anderen das von Cyril Mockridge stammende, ethnische «Family Theme» sowie ein Arrangement von Sherman Edwards Titelsong. Beim sich als Bonus am Schluss von CD 1 befindlichen Track handelt es sich möglicherweise um das erste je veröffentlichte, orchestrale Background-Stück eines Elvis-Films überhaupt.
THE STRIPPER war die Geburtsstunde der bedeutenden Zusammenarbeit von Franklin J. Schaffner und Jerry Goldsmith. Schaffner brachte zwar jahrelange Fernseh-Erfahrung mit, aber sein Kino-Erstling, der sich um die Probleme des in die Jahre gekommenen Showgirls Lila (Joanne Woodward) dreht, erhielt nur maue Kritiken und floppte an den Kinokassen. Besser weg kam Goldsmith, dessen Score von Variety als Musik mit «Glanz und Charakter» und «auf konstruktive Weise aufdringlich» beschrieben wurde.
Goldsmith zeigt sich noch recht beeinflusst von Alex North, George Duning und Elmer Bernstein, und sein Score ist einerseits von Jazz und Blues, anderseits von behutsamer und verletzlicher Musik geprägt, dazwischen kommen bedrohliche und aggressive Klänge, ein Trauermarsch, ein durchaus bereits auf POLTERGEIST hindeutendes Lullaby und mit der einem männlichen Charakter zugeordneten Solotrompete ein Markenzeichen des Komponisten zu Gehör. Für Lila trifft Goldsmith nebst Streichern mit der Okarina eine ungewöhnliche Wahl, und wenigstens für ihn war THE STRIPPER eine recht gelungene Vorbereitung auf die grossen Dinge, die ihn im Zusammenhang mit Schaffner künftig erwarten sollten.
Die 1974 von Irwin Kershner gedrehte Agenten-Komödie S*P*Y*S erleidete ziemlichen Schiffbruch und ist deshalb wohl mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden. Das hatte der zögernde Elliott Gould anhand des Scripts wohl vorausgeahnt, heuerte aber dank Donald Sutherlands Begeisterung trotzdem an. Die beiden spielen schusselige Agenten, die nichts auf die Reihe kriegen und sich Ärger mit der CIA, dem KGB etc. einhandeln. Nebst Sutherland scheint wenigstens Goldsmith Spass an der Sache gehabt zu haben, und er versäumt es nicht, seine Musik mit allen möglichen Klischees zu versehen. Die Russen werden mit bekannten Volksweisen, Balalaikas, Don-Kosaken-Chor und ein wenig Schwanensee aufs Korn genommen, es gibt französisch angehauchte Akkordeon-Klänge, Beethovens Schicksalsmotiv auf chinesisch, «Hail To The Chief» für die Amis und den Filmtitel intonierende Vokalisten. Jazz, Solo-Instrumente wie Klavier und Tuba, etwas Romantik und Drama sind ebenso zu nennen wie die Tatsache, dass Goldsmith die Comedy-Tauglichkeit der damals zur Verfügung stehenden Elektronik auslotet. Der Score ist aus kompositorischer Sicht sehr gut gemacht und für die einen deshalb eine Riesengaudi, für die anderen aber trotzdem der Ablöscher.
Die europäische Fassung des Films wurde übrigens mit einem Score von John Scott ausgestattet, der wohl noch nicht einmal illegal je veröffentlicht wurde. Ich habe S*P*Y*S vor ewiger Zeit mal im Fernsehen gesehen, und da müsste dann wohl Scotts Musik drin gewesen sein. Ich habe aber leider keinerlei Erinnerung mehr daran und hätte daher nichts dagegen, diese anhand eines Tonträgers irgendwann mal auffrischen zu können. Die Doppel-CD von La-La Land Records kommt mit einem hübsch gestalteten und von Jeff Bond getexteten Booklet. Wer nur auf THE STRIPPER schielt und diesen Score schon hat (wurde von Tsunami und FSM veröffentlicht), braucht nicht unbedingt zuzugreifen, ausser der zweifellos verbesserte Klang lockt. Generell braucht man THE STRIPPER als Vervollständigung des Gesamtwerks von Schaffner/Goldsmith aber schon. Wer auf S*P*Y*S steht, der wird über das Zusatzmaterial gegenüber von Varèses Fox-Box entzückt sein, und nur die eingeschworensten Goldsmith-Fans werden bloss wegen FLAMING STAR zugreifen. Es gibt also verschiedene Blickwinkel, diese limitierte Edition als essenziell für die Sammlung einzustufen.
Andi, 14.6.2021
GOLDSMITH AT 20TH VOL III
Jerry Goldsmith
La-La Land Records LLLCD1557
CD 1: 69:16 Min. / 34 Tracks
CD 2: 33:21 Min. / 18 Tracks
Limitiert auf 2000 Stk.