The Glass House

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Mit THE GLASS HOUSE besinnt sich Christopher Young endlich wieder auf die beste Phase seines Schaffens und schenkt dem gefrusteten Sammler eine Partitur, die an frühere Zeiten anknüpft. Um diese Leistung würdigen zu können, sieht man sich allerdings genötigt, entweder den Kopfhörer aufzusetzen oder den Dynamikregler drastisch hochzufahren, um das wieder recht matte Varèse-Klangbild zur Geltung zu bringen.

Ins musikalisch-Schwarze trifft sogleich der «Main Title», mit dem er an einen wohlbekannten Thementypus anknüpft (vgl. die Rubrik „Einzelstück»). Den Anfang bildet hier ein langgezogener und auf die Oktaven verteilter Ton d›, der sich in dynamisch anwachsenden Repetitionen beschleunigt und einen kurzen Crash verursacht. Dann etabliert Young das Hauptthema in der schon anvisierten Tonart d-Moll. Mit personaltypischen Akkordzerlegungen präsentiert das Klavier den zentralen Einfall, während die Streicher nach oben und unten die Harmonie stützen. Mehr noch als in früheren Werken ist es das Prinzip der Wiederholung, das zur beklemmenden Wirkung dieser großartigen, weil manches Geheimnis bewahrenden Eröffnung beiträgt. Gebetsmühlenhaft werden die zentralen Melodietöne durchlaufen, ohne daß sich eine nennenswerte Veränderung anbahnte. Lediglich die in hohen Lagen warnenden Flageolettöne der Geigen bringen harmoniefremde Elemente ein. So weit die Exposition.

«Sunken Bells» liefert eine eindringliche Variation des ersten Stückes, denn nun bleibt das Klavier anfangs außen vor, wird vor allem das Klangfeld zur wogenden Hauptangelegenheit. Die Klavierfiguren, die sich schließlich einschalten, sind kraftlose Fortspinnungen des Hauptthemas, das hier nicht zu sich selbst kommt. Die sich ausbreitende musikalische Verstörung schreitet in den nachfolgenden Tracks weiter fort, wobei sich die thematischen Elemente zunehmend in die Defensive gedrängt sehen. Bedrohliche Baßlinien, kurze Floskeln ohne tonale Bindung, ab und an fragmentierte Erinnerungen ans Klavierthema, endlich eine sorgenvolle Cellomelodie, die nirgendwohin führt: «Even if I Had an Ax» eröffnet den Mittelteil der CD. Darin wendet sich Young vollends von der tonalen und motivischen Ordnung ab. «Twice Told Tales» ist ein typisches Angst-Musikstück, treibt den Blutdruck im Nu bis zum Anschlag. Und selbst wer das überlebt, wird in der Folge nicht aus den Fängen des Unheils entlassen: Baßtremoli, schrille Akzente, perkussive Entladungen lauern am Wegesrand.

Schließlich, in Track 8, beginnt die Umkehr. Im Rückgriff auf vertraute Figurenelemente und tonal verankerte Melodik weist Young den Weg ins Zwielicht. Vorerst kreisen die herben Harmonien richtungslos im Klangraum, drohen zurückzufluten ins akustische Dunkelreich. Die Hörner in «Where in Time?», einer immer noch mit Schwermut beladenen Komposition, sie bringen zwar Wärme und Fülle; doch ist die zweite Hälfte des Stücks ein hinterhältiger Mordanschlag. Da werden die Messer nicht nur gewetzt. Eine großangelegte, hektische Steigerung endet in brutalen Trommelschlägen. Dann ist alles vorüber. «Soubrette» kehrt in den Bereich des Schönen und Melodischen zurück, läßt das Thema anklingen, vollzieht sogar einen Wechsel ins Dur-Geschlecht und öffnet die Türen. Helles Licht dringt herein. Den Abschluß der CD bildet eine ungemein fesselnde Reprise des Hauptthemas, nun wieder in d-Moll: «This too Shall Pass» verarbeitet es in einer reich gestuften Instrumentierung, die endlich in einer klangprächtigen Übernahme durch die Violinen gipfelt. Gipfelt, ja: Mr. Young ist wieder obenauf.

Matthias  |  2002

THE GLASS HOUSE
Christopher Young
Varèse Sarabande
36:46 | 11 Tracks