Review aus The Film Music Journal No. 9/10, 1997
In den zwanziger Jahren produzierte der junge Walt Disney eine grosse Anzahl von sogenannten «Alice-Komödien», Kurzfilme in denen das kleines Mädchen Alice mit Zeichentrickfiguren zusammen Abenteuer erlebt. Diese Stummfilme – eine Mischung aus Realität und Fiktion – waren damals in den Vereinigten Staaten sehr populär und dürfen sicher als Vorstufe zu Disneys späterem Erfolgsschaffen angesehen werden.
Der deutsche Komponist Paul Dessau, der sein filmmusikalisches Schaffen als „eine eigentümliche, aber wichtige Schule“ einordnete, schuf 1928/29 die Musik zu den hier eingespielten Alice-Animationsfilmen, wobei er in „Alice In The Wooly West“ typische Western-Melodien – Stephen Foster lässt grüssen! – einfliessen lässt, dazu noch ein paar Takte Nationalhymne. Hier erinnert mich die Musik ein wenig an jene von Charles Ives.
Nebst den Alice-Tracks findet sich Musik aus dem Puppen-Trickfilm «The Magic Clock» (1928) von Ladislaw Starewicz. Hier bediente sich Dessau, der 1933 wegen der Übernahme Deutschlands durch die Nazis nach Paris und später in die USA emigrierte, einer komplexeren, vielschichtigen Kompositionsweise, es sind da nicht mehr eingängige Melodien zu finden. Zu Beginn quälen sich zwei Geigen in hoher Tonlage, eine Oboe gesellt sich dazu. Da gibt es kein Aufatmen bis zum Schluss.
Das Booklet wiederum ist erstklassig, das RIAS Sinfonietta-Orchester nett, aber nirgends überbordend, was ich gern einmal gehört hätte.
Andreas Schweizer | März 1997
FOUR ALICE COMEDIES
Paul Dessau
BMG
57:20 | 6 Tracks