The Eiger Sanction (Intrada)

Bis vor kurzem war THE EIGER SANCTION der wahrscheinlich gesuchteste Williams, da letztmals vor bald 30 Jahren erschienen und schon längst vergriffen. Für die Veröffentlichung auf Tonträger bearbeitete der Komponist seine Musik nochmals um, damit ein möglichst optimales Hörerlebnis gewährleistet war. Natürlich präsentiert Intrada auf der nun erschienenen Doppel-CD dieses Re-recording ebenso wie die Premiere der im Vergleich dazu über doppelt so langen Filmeinspielung.

In seiner vierten Regiearbeit spielt Clint Eastwood zugleich auch die Hauptrolle, den Kunstprofessor, Hobby-Bergsteiger und Auftragskiller Jonathan Hemlock. Basierend auf einem Roman von Trevanian (Rod Whitaker), liegen die Stärken dieses etwas konfusen Spionage-Thrillers eindeutig im Visuellen; vor allem die spektakulären, atemberaubenden und damals bahnbrechenden Kletterszenen an Originalschauplätzen im Monument Valley und im Berner Oberland haben bis heute nichts von ihrer Wirkung eingebüsst. Neben Eastwood gehören George Kennedy, Jack Cassidy und Heidi Brühl zu den bekannteren Gesichtern der Besetzung.

John Williams schrieb für THE EIGER SANCTION ein melancholisches Hauptthema mit europäischem Flair, das vor allem in der Filmfassung oft genug zu hören ist, aber dank etlicher Tempo-, Instrumental- und Stilwechseln (Neo-Barock, Jazz, Lounge, Pop, volkstümlich) bleibt es stets schmackhaft. Auch im romantischen Bereich spielt es, zuweilen in abgewandelten Variationen, eine Rolle, wobei mit «Felicity» ein besonders hübsches Stück für Gitarre und Cembalo für eine Figur gedacht war, die aus dem fertigen Film gestrichen wurde und deshalb hier erstmals genossen werden kann. Nicht das einzige Beispiel unbenutzter oder gekürzter Cues übrigens, aber dazu später etwas mehr.

Vieles tut sich rund um das Hauptthema. Hervorzuheben sind «Montage ‒ Running With George» wo Williams seinen Barock mit Gitarre, Flöten, Streichern und Cembalo auf tänzerische Art und Weise zum Besten gibt. In «The Top Of The World» und «The Eiger» kommt die Majestät der Berge zum Ausdruck, sozusagen standesgemäss mit den Waldhörnern in einer tragenden Rolle. Und auch «The First Sunset» und «Sunrise» reihen sich in Tracks mit eindrücklichen Naturbeschreibungen ein.

Spannung gibt es natürlich auch reichlich, und vieles spielt sich hier im atonalen Bereich ab. «Up The Drainpipe» etwa, mit mysteriösen und dramatischen Klängen in Klavier, Streichern und tiefen Holzbläsern, zu welchen sich auch noch eine dezente E-Gitarre gesellt. Das Herzstück im Action-Bereich ist das den Puls beschleunigende, hauptsächlich von Klavier, Schlagzeug und Blech bestrittene «The Car Chase», das interessanterweise zwar im Trailer zum Einsatz kam, im Film aber nicht zu hören ist, wodurch diese Verfolgungsjagd doch so einiges an Brisanz einbüsst.

Die letzte halbe Stunde des Films ist dem grossen Showdown an der berüchtigten Eiger-Nordwand vorbehalten. Auch hier blieb letzten Endes einiges von Williams› atonalem und dissonantem Spannungs-Scoring, ‒ in das er zwecks Nervenberuhigung und Angstabbau immer mal wieder das Hauptthema einbaut ‒ das dem unwirtlichen und feindseligen Bergmassiv mehr als gerecht wird, leider auf der Strecke und kann nun also erstmals in seiner vollen Länge begutachtet werden.

THE EIGER SANCTION mit seinen delikaten Orchestrationen und trotz vieler Stimmungs- und Richtungswechseln in sich schlüssig bleibt ein einzigartiger Eintrag in Williams› Filmmusik-Katalog. Zumindest mir ist nichts Vergleichbares von ihm bekannt. Rechnet man zudem noch das klangliche Upgrade des Originalalbums, ein paar Extras sowie ein gefälliges Booklet mit Texten von Jon Burlingame und Mike Matessino dazu, dann gibt es nur ein Fazit: diese Doppel-CD ist für jede Williams-Sammlung unentbehrlich.

Andi 10.09.2021

 

THE EIGER SANCTION

John Williams

Intrada ISC 465

CD 1: 75:16 Min. / 27 Tracks
CD 2: 52:44 Min. / 19 Tracks