Dumbo (2019)

Nach ALICE IN WONDERLAND (2010) nahm sich Regisseur Tim Burton mit DUMBO (2019) einer zweiten Live-Action-Adaption eines Disney-Klassikers an. Dabei erfreute es die Kreise der Filmmusik-Enthusiasten besonders, dass dieses Mal mit Danny Elfman auch sein «Hofkomponist» wieder mit von der Partie war. Nachdem deren Zusammenarbeit im Rahmen von BIG EYES (2014) von Turbulenzen durchgeschüttelt worden sein soll und Elfman am nächsten Burton-Film, MISS PEREGRINE’S HOME FOR PECULIAR CHILDREN (2016), nicht beteiligt war, rankten sich die Gerüchte haushoch. Doch mit DUMBO erreicht uns nun die 16. Elfman-Burton-Zusammenarbeit und das Ergebnis vermag in Bezug auf die Filmmusik zu überzeugen.

Die Filme von Tim Burton – ob nun die Geschichte zu packen vermag, oder nicht – warten stets mit ihrer ganz eigenen Art von schrulligem Humor und üppiger visueller Ausstattung auf. Elfman selbst hat sinngemäss mal gesagt, dass er in Burton einen kunstschaffenden Seelenverwandten gefunden habe, der mindestens so verrückt sei wie er. Eventuell geht es auf diese Tatsache zurück, dass dessen Filme Elfman auch stets zu ebenso opulenten und abwechslungsreichen Kompositionen inspirieren. Auch DUMBO bietet während der gut einstündigen Laufzeit eine breite Palette an Ideen und Stilismen – melancholische, dramatische und verspielte Orchestermomente, Songs und knallbunte Zirkusmusik. Dabei werden Kenner von Elfmans bisherigen Arbeiten dessen kompositorische Handschrift durchwegs gut heraushören können – das Zusammenspiel von Orchester, Chor und Knabenchor, gespickt mit märchenhaftem, tänzelndem Funkeln des Celestas erinnert besonders stark an frühere Arbeiten (u.a. EDWARD SCISSORHANDS (1990)). DUMBO vermag indes nicht ganz an solche Arbeiten aus dem «Märchen-Genre» anzuknüpfen, doch ist es Elfmans unterhaltsamste Filmmusik seit dem hervorragenden ALICE IN WONDERLAND geworden.

Für die Zeichentrickversion von DUMBO aus dem Jahr 1941 komponierten Frank Churchill und Oliver Wallace die Filmmusik. Ned Washington schrieb die Texte zu den zahlreichen Songs. Deren Arbeit flackert auch in der Live-Action-Adaption ab und an auf. Neben der Neuinterpretation des Songs «Baby Mine» (im Film gesungen von Miss Atlantis (Sharon Rooney) und im Abspann von der Gruppe Arcade Fire), erweist auch Danny Elfman ihrem Schaffen zwei Mal Referenz. Im herrlichen Stück «Train’s A Comin’» erklingt eine rein orchestrale Version des Songs «Casey Junior» und die «Pink Elephants on Parade» haben ein Workover à la Elfman erhalten und taumeln auch in der Live-Adaption kurrlig und mit Elfman-typischem Choreinsatz durch Dumbos angeheiterte Visionen, nachdem sich der kleine Zirkuselefant mit den riesigen Ohren versehentlich ausgiebig am Champagner gelabt hat. Neben diesen Anlehnungen an das Original erklingen zudem einige Stücke, die wie Source-Musik aus einem eigentlichen Zirkusprogramm klingen, jedoch allesamt von Elfman selbst komponiert wurden. Dazu zählen «Clowns 1», «Clowns 2» und «Carnival Music», aber auch das immer mal wieder erklingende Thema für die Zirkusfamilie Medici seiltänzelt in dieser Musikwelt herum. Es sind diese Momente, die den Musikfluss der weiteren, eher dramatischen und nicht selten auch intim-melancholischen Stücke empfindlich brechen und meiner Meinung nach besser isoliert am Ende oder am Anfang des Albums platziert worden wären.

Die Hauptattraktion der Filmmusik für DUMBO ist jedoch «Dumbo’s Theme» geworden. Damit dieses Thema richtig ins Ohr geht, muss man es sich zwar ein paar Mal anhören, nicht zuletzt, weil Passagen hieraus immer mal wieder in frühere Elfman-Arbeiten abdriften lassen. Von «Dumbo’s Theme» hat Elfman bereits ein Jahr vor Drehbeginn innert 20 Minuten eine Demoversion geschrieben, wie er in einem Interview erklärte. Dabei funktioniert dieses Thema als intime, von Trauer durchsetze Melodie genauso gut wie als euphorisches, losgelöstes Tutti-Spektakel – gespielt vom 85-köpfigen Orchester und Chor –, welches zusammen mit Dumbo durch die Lüfte fliegt. Im Kontrast zu diesem Thema steht das Bösewicht-Thema für den Vandevere-Charakter. Dieses Thema ist jedoch dermassen blass geworden, dass es im restlichen Trubel des Albums gänzlich untergeht (wie der Charakter im Film eigentlich auch). Auch «Colette’s Theme» kann sich neben dem markanten Hauptthema kaum hervortun, auch wenn diese ballettähnliche Komposition angeführt von Chor und Holzbläser an sich gesehen sehr schön geworden ist. Fazit: Mit DUMBO legt Danny Elfman einen farbenfrohen und abwechslungsreichen Score vor. Die Stärken liegen indes in den dramatischeren Momenten, kombiniert mit den variierten «Dumbo’s Theme»-Statements. Eine knapp 20-minütige Suite aus «Train’s A Comin’», «The Homecoming», «Dumbo’s Theme», «Dumbo Soars», «Goodbye Mrs. Jumbo», «The Final Confrontation», «Medici Circus – Miracles Can Happen» und die «Soaring Suite» präsentiert Elfman in Hochform und bereitet viel Hörfreude. In voller Länge hängt dem Album jedoch ein etwas sprunghafter Souvenir-Charakter an, da es neben vorgenannten, in sich stimmigen Highlights noch zahlreiche Zirkusmusik- und Song-Momente enthält. Doch nach vermehrt eher «nüchternen» Thriller- und Drama-Arbeiten von Elfman (GREY-Filme (2015/17), DON’T WORRY, HE WON’T GET FAR ON FOOT (2018), THE CIRCLE (2017), GIRL ON THE TRAIN (2016), BEVOR I WAKE (2016)) hebt er mit DUMBO wieder mal in emotionalere Sphären ab. Kein eigentlicher Überflieger, aber in gekürzter Form eine berührende Arbeit, der man gerne mehrmals lauscht.

Basil, 21.6.2019

 

DUMBO

Walt Disney Records (Universal)

61 Min.
29 Tracks