Dreamkeeper

Review aus The Film Music Journal No. 33/34, 2005

Zu den fragwürdigen Tendenzen des Gegenwartskinos gehört der Versuch einer möglichst getreuen Nachbildung der Wirklichkeit. Natürlich hat es derartige Bemühungen auch schon in früheren Jahrhunderten gegeben, doch ist der kinematographische Apparat ein besonders heikles Medium, das abbildet, was sich vor seinem Auge tummelt. Inzwischen trachten auch die Komponisten danach, mit dieser Pseudo-Authentizität Schritt zu halten, und so ähnelt die aktuelle Filmmusik mehr und mehr einem großen Ethnomix, der nur scheinbar näher am erzählten Objekt ist als frühere Kompositionen.

Stephen Warbecks DREAMKEEPER ist ein besonders kritischer Fall, wenn man ohne die zugehörigen Bilder auszukommen hat. Auf der CD versammeln sich 54 Minuten heterogenster Musik. Neben orchestralen Stücken, in denen sich Stephen Warbecks Handschrift zu erkennen gibt, mehren sich indianische Gesänge und rhythmische Anteile, die auf die Thematik des Films zu verweisen scheinen; ferner instrumentale Popstücke mit Gitarre und Beat.

Dabei sind die Stilelemente keineswegs streng geschieden. In den einzelnen Tracks wechseln oder überlagern sich mehrere Schichten, wodurch eine konventionelle Hörerwartung so oder so unterlaufen wird. So oder so? Ja, denn der normale Warbeck-Sammler mit seiner Vorliebe für symphonische Filmmusik wird kaum zufrieden gestellt und hat sich mit wenigen Momenten zu begnügen, während er die Authentizität der Indianergesänge und rhythmisch-instrumentalen Ethnoeinlagen abwehrt. Aus der naturalistischen, an den Indianern interessierten Perspektive wirken aber gerade die Warbeck-Orchesterstücke deplaziert, weil sie die Betrachtungen der fremden Kultur weichspülen und die Aussage im Dienste der Massentauglichkeit glätten.

Eine echte Synthese beider Klangwelten gelingt nur in rasch verwehten Augenblicken, ansonsten erwartet den Hörer einige Arbeit. Die CD ist folglich jenen Ohren zugedacht, die in aller Ruhe dazu bereit sind, sich auf den Perspektivenwechsel einzustellen, anstatt nur eine der beiden Seiten zu akzeptieren. Kein gewöhnliches Filmmusikerlebnis also.

Matthias  |  2005

DREAMKEEPER
Stephen Warbeck
Varèse Sarabande VSD 6528
54:14 | 24 Tracks