Kennen Sie Vermithrax Pejorative? Nein, das ist nicht irgendein unaussprechliches Medikament aus der Apotheke, sondern so heisst die Hauptattraktion in Dragonslayer ‒ ein geflügelter Drache, den Tricktechniker von Disney in Zusammenarbeit mit ILM zum Leben erweckt hatten. Zwar war diesem mittelalterlichen Fantasystreifen, den Jeff Bond seiner Düsternis und Kälte wegen als «mehr von Watergate als von Camelot inspiriert» bezeichnet, zu Beginn kein Erfolg beschieden, er erwarb sich im Lauf der Jahre jedoch immer mehr Respekt und hat mittlerweile sogar Kultcharakter.
Auch Alex Norths Beitrag erfuhr anfangs Kritik, wurde als zu düster für ein Fantasyabenteuer erachtet ‒ dies umso mehr, als mit Disney ein eher mit Kinderfilmen assoziiertes Studio an der Produktion beteiligt war ‒ anderseits von einigen wichtigen Stimmen aber sofort anerkannt. Die berühmte Kritikerin Pauline Kael nannte die Musik als eines der grössten Plus des Films. Auch bei Filmmusikliebhabern wurde sie hoch gehandelt. Obwohl 1981 kein Album erschien, veröffentlichte schliesslich das australische Label Southern Cross den Score zunächst auf einer Doppel-LP und später auch auf CD, bei der es sich angeblich um ein Bootleg handelt. In beiden Fällen in limitierten Auflagen, so dass der Titel bis zum Erscheinen dieser neuen Edition zum teuren Sammlerstück wurde.
Mit Drehbuchautor Hal Barwood einigte sich North darauf, dass er sich an Prokofjew orientieren würde; ein Komponist, der ihn schon früher, beispielsweise bei Spartacus, beeinflusst hatte. Dissonanzen, Kontrapunkte und mehrfache, gegeneinander spielende Melodielinien dominieren diesen Score, an dessen archaischen Klangwirkung nicht alltägliche Instrumente wie Kontrabass-Klarinette, Bariton- und Bass-Oboe, Kontrabass-Posaune, Euphonium und Wagner-Tuba beteiligt sind. Das heisst aber nicht, dass nebenbei kein Platz für romantische oder verspielte Momente wäre. Periodenmusik gibt es kaum, abgesehen von einem Track mit mittelalterlichen Tänzen sowie etwas liturgischer Musik basierend auf einem Gregorianischen Gesang aus dem 6. Jahrhundert, deren Bearbeitung ein wenig an Vaughan Williams erinnert.
Dragonslayer ist ein höchst anspruchsvolles Werk, das sehr viel Konzentration erfordert, denn bei oberflächlichem Hören entgeht einem leicht, wie viel an Motiven und deren meisterhafter Verarbeitung darin steckt. Nicht alles geht leicht ins Ohr, wie etwa die Themen für den Zauberer Ulrich oder das trostlose Königreich Urland. Andere kristallisieren sich schnell heraus, so das Drachenmotiv mit seinen bedrohlichen Bassposaunen, das Thema für den Zauberlehrling Galan, meist in Form eines glitzernden Scherzos mit sechs Piccolos und Snare Drums, sowie das pastorale Liebesthema, das besonders gegen Ende Auftrieb bekommt und den Score in impressionistischer und hoffnungsvoller Stimmung beschliesst.
Zweifellos darf man Dragonslayer als wichtigstes Werk in Norths später Schaffensphase bezeichnen. Im Film selbst leider heftig umgestaltet, präsentiert La-La Land den Score erstmals in der richtigen Reihenfolge und mit korrekten Cue-Titeln. Während die alte Doppel-LP klanglich in Ordnung sein soll, liess die Southern Cross-CD diesbezüglich viel zu wünschen übrig. Fast müssig zu erwähnen, dass einem dadurch Details entgangen sind, die man erst jetzt so richtig wahr nimmt. Für North-Einsteiger ist diese Musik eher weniger geeignet, wem jedoch Scores wie Cleopatra oder 2001 gefallen, ist damit bestens bedient.
Andi, 4.5.2010
4.5
DRAGONSLAYER Alex North Lalaland Records LLLCD 1128 73:24 Min. / 25 Tracks Limitiert auf 3000 Stk.
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