Der Scout, Präriejäger in Mexiko

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Die Jahrtausendwende hat auf dem Sektor der CD-Labels zwei unerfreuliche Tendenzen mit sich gebracht. Zum einen reißen wenige große Finnen (Decca, Sony, BMG) mehr und mehr die erfolgversprechenden Orchesterpartituren an sich, so daß für kleinere Labels hauptsächlich der Durchschnitt übrig bleibt; zum anderen verabschieden sich immer mehr spezialisierte Firmen vom Filmmusikmarkt (Pendulum, Ryko, Chapter III) oder wenden sich den kommerziell gewinnträchtigeren Song-Samplern zu.

Für Kleinstlabels wird die Luft schon deshalb dünn, weil ihnen die wichtigen Vertriebswege fehlen, damit aber auch die notwendige Werbung, weshalb ihre Produkte nur kleine Käuferkreise erreichen; zu wenig, um die nicht unbeträchtlichen Kosten wieder einzuspielen. Dieses Malheur hat nun auch die Essener Firma Cobra Records heimgesucht, die in den letzten beiden Jahren durch ihre liebevoll aufbereiteten Silberlinge für sich einzunehmen wußte. Neben drei Rolf Wilhelm-CDs sind auch Karl-May-Kompositionen von Raimund Rosenberger und Riz Ortolani erschienen. Und das Booklet der jüngsten Veröffentlichung kündigt weitere Cobra-CDs an, die nun aber wohl nicht mehr realisiert werden.

Damit scheitert neuerlich der ambitionierte Versuch, qualitätvolle Filmmusik früherer Tage an den Mann zu bringen. Es läge nahe, an dieser Stelle die fehlende Bereitschaft hiesiger Sammler anzuprangern, den eigenen Horizont zu erweitern und das Risiko einzugehen, sich auf Unbekanntes einzulassen. Doch bringt das Gejammer nichts, zumal niemand ein Rezept gegen die grassierende Hollywood-Hörigkeit zu besitzen scheint. Erfreuen wir uns also an dem, was wir bekommen haben.

Das ultimative Cobra-Records-Album widmet sich Karl-Ernst Sasses Musik zu Indianerfilmen des DDR-Kinos bzw. -Fernsehens. Wie allgemein bekannt sein dürfte, existierte in der DDR durchaus ein Interesse an westlichen Filmgenres, und von den späten sechziger Jahren an florierte eine Reihe mit DEFA-Western, die unter dem Oberbegriff «Indianerfilme» an eine Wunde im Gedächtnis der US-Geschichte rührte. Getreu der ideologischen Vorgabe galt es, den kapitalistisch fundierten Kampf der Weißen gegen die amerikanischen Ureinwohner aufs Korn zu nehmen und eine rigorose Pro-Indianer-Haltung zu vertreten, die jenseits des Atlantiks nur zögernd Gehör fand.

Mit dem Hauptdarsteller Gojko Mitic wurde bald ein Markenzeichen gefunden, und zu den ständigen Crewmitgliedern gehörte Karl-Ernst Sasse. Während die westdeutsche Karl-May-Reihe 1968 ausgelaufen war, wurde der sächsische Dichter in den achtziger Jahren in seiner Heimat noch einmal richtig populär, und mit DER SCOUT entstand 1983 ein letzter DDR-Western alten Schlages.

Zu seinen Vorzügen gehört die teilweise für sehr große Besetzung gehaltene Partitur, die nun allerdings keine ideologischen Barrieren kennt und ohne weiteres an west- und südeuropäische Westernscores der sechziger Jahre anknüpft: Gitarre, Flöte, große Streicherteppiche und verwegene Rhythmen prägen Sasses eingängige Komposition, die durch ihre melodischen Qualitäten und die gekonnte Instrumentation mit ständigen Wechseln zwischen Soli, Ensemble- und Tutti-Passagen besticht. Neue Klänge wird man vergeblich suchen, doch die souveräne Darbietung des DEFA-Sinfonieorchesters wiegt entsprechende Einwände auf. Vor allem die beiden Haupteinfälle sollten jeden Westernmusikverehrer in Bann schlagen, zumal die Klangqualität keinerlei Wünsche offen läßt.

Glaubt man dem Booklet-Text, so ist der Fernsehzweiteiler PRÄRIEJÄGER IN MEXIKO ein eher dürftiger Nachklapp zur Westerntradition made in GDR. Das gilt gleichermaßen für die Musik. Zwar gibt es auch hier ein markiges, vorpreschendes Hauptthema, doch läßt sich Sasses Neigung zur routinierten Auszeichnung der Schablone nicht überhören, und bisweilen herrscht der Gleichmut eines Rundfunkmittagskonzertes vor. Trotzdem muß Sasse sich in den besten Momenten auch dieser Komposition mitnichten hinter Martin Böttchers Winnetou-Sound verstecken.

Mittlerweile haben sich weitere Labels der ostdeutschen Musikbestände angenommen, die zum Teil durch unfreiwillige Komik auf sich aufmerksam machen. Die Musik zum SCOUT hingegen besticht durch ihren Ernst genauso wie Sasses Anteilnahme an den erzählten Geschichten.
Ein würdiger Schlußstein für die nun vorliegende «Edelstein»-Collection des Hauses Cobra Records. Dafür an dieser Stelle vielen Dank!

Matthias  |  2002

DER SCOUT / PRÄRIEJÄGER IN MEXIKO
Karl-Ernst Sasse
Cobra Records
43:24 | 31 Tracks