Kürzlich endete mit der 7. und letzten Staffel von DER BESTATTER eine Erfolgsgeschichte im Bereich Schweizer Fernsehserien. Die mit Humor durchsetzten Krimis um den in Aarau ansässigen Bestatter Luc Conrad, verkörpert vom in erster Linie als Komiker und Parodist bekannten Mike Müller, der es als Expolizist ‒ meist zum Missfallen seiner Mitarbeiter und der Polizei ‒ nicht lassen kann, beim gewaltsamen Ableben seiner «Kunden» auf eigene Faust zu ermitteln, sind nicht nur hierzulande sehr beliebt, sondern wurden nebst dem deutschsprachigen Raum sogar bis in die USA und Kanada exportiert.
Für die Musik sämtlicher Staffeln zeichnet der 1987 in Basel geborene Raphael Benjamin Meyer verantwortlich, und es handelt sich um die bisher sicherlich bedeutendste Arbeit des jungen, dreimal für den «Jerry Goldsmith Award» nominierten Komponisten, der nebst Filmen auch Werbespots und Videospiele vertont und des Weiteren als Studio- und Konzertmusiker, Dirigent mehrerer Orchester und Musikproduzent mit eigenem Tonstudio tätig ist.
Mit viel Kreativität bringt Meyer die grosse weite Welt in die aargauische Provinz. Egal, ob internationale Folklore (Italien, Spanien, Frankreich, Japan), Klassik, Jazz, Blues, Blasmusik, Rock, 1960er-Groove, 1980er-Pop oder meditative Momente, hier ist von allem etwas dabei. Generell mit kleineren Besetzungen, instrumentalen Solisten und Vokalisten jeglicher Couleur zaubert Meyer unzählige Stimmungen hervor und vertraut dabei zum grossen Teil dem akustischen Klang. Vor allem im Spannungsbereich ist auch Elektronik mit im Spiel, was manchmal zwar nicht ganz so hörerfreundlich ist, aber selten zum blossen Klangdesign verkommt.
Einen grossen emotionalen Bezugspunkt bildet das Hauptthema, das wahrscheinlich eher zufällig, aber natürlich sehr passend wie eine Abwandlung des alten Volksliedes «Im Aargau sind zwöi Liebi» klingt. Da es universell eingesetzt wird, ist es nie weit weg vom musikalischen Geschehen. Den Vorspann pietätvoll mit Streichern, Klarinetten und Kirchenglocken begleitend, zeigt es sich ansonsten in allen erdenklichen Idiomen und Befindlichkeiten. Ein weiteres, wiederkehrendes Element ist das vom Klavier bestimmte, recht melancholische Liebesthema für die On-Off-Beziehung von Luc Conrad und Polizeikommissarin Anna-Maria Giovanoli. Auch liebenswert-kauzige Figuren wie der Pathologe Dr. Alois Semmelweis oder Gothic-Neobestatter Fabio Testi werden musikalisch verewigt, wobei das Thema für Letzteren ein wenig Morricones STANNO TUTTI BENE ähnelt.
Mit viel Bedacht verleiht Meyer jeder Episode ihre eigene musikalische Identität. Zwei seien hier hervorgehoben. Für die auf dem Wasserschloss Hallwyl spielende Folge «Gespenster» verwendet der Komponist das Hauptthema als kurzes Spieldosen-Motiv und verarbeitet es in zum alten Gemäuer passenden, kaum harmonisch miteinander aufspielenden Flöten, sorgt mit gespenstischen Frauenstimmen, Streichern und Elektronik für wohlige Schauer und bringt als Kontrast das Liebesthema mit ein. «Der erste Stein» ist geprägt von Sopran, Mönchs-Chorälen (ja, auch hier taucht das Hauptthema auf) und zuweilen recht progressiv aufspielender Kirchenorgel, die auch den Abspann der Folge mitbestreitet.
Es ist ja schon ein Ereignis, wenn die Musik zu einer Schweizer Fernsehserie überhaupt auf Tonträger erscheint; dass dem BESTATTER sogar gleich drei CDs gewidmet werden, die die Staffeln 1 bis 5 abdecken, ist hingegen schon als Sensation zu bezeichnen. Die praktisch durchgehend engagierte und auch auf sich alleine gestellt gut funktionierende Musik rechtfertigt jedoch eine Veröffentlichung dieser Grössenordnung durchaus. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass auch die letzten zwei Staffeln dereinst zu Ehren kommen werden, um das Bild zu komplettieren.
Andi, 19.3.2019
DER BESTATTER
Raphael B. Meyer
Alhambra Records A 9044
CD 1: 78:31 Min. / 33 Tracks
CD 2: 79:40 Min. / 38 Tracks
CD 3: 79:25 Min. / 36 Tracks