«Cleaning Woman.» Jeder, der DEAD MEN DON’T WEAR PLAID schon mal gesehen hat, wird bei diesem an sich harmlosen Begriff leicht ins Schaudern kommen. Der Clou der in Schwarzweiss gedrehten Detektiv-Parodie aus dem Jahr 1982 ist die Verwendung zahlreicher Clips aus Hollywoods Schwarzer Serie der 1940er-Jahre, um die herum ein Plot geschrieben wurde, der zwar ziemlich hanebüchen, aber trotzdem höchst vergnüglich ist. Alt und neu wird derart raffiniert zusammengeschnitten, dass Schmalspur-Marlowe Steve Martin mit damaligen Stars wie Cary Grant, Barbara Stanwyck, Ingrid Bergman, Burt Lancaster, Bette Davis u. a. interagieren kann. Unterstützt wird er dabei von Rachel Ward als geheimnisvolle Femme Fatale und Humphrey Bogart als seine rechte Hand, während Carl Reiner nicht nur Regie führt, sondern auch in die Rolle des Oberschurken schlüpft.
«Ich mache keine Komödien», entgegnete Rózsa Reiner auf dessen Anfrage, ob er die Musik zu seinem Film machen möchte. Erst als der Regisseur ihm das Konzept erklärte und den Wunsch nach einer ernsthaften Musik äusserte, willigte der Komponist ein. Vielleicht erkannte Rózsa auch die wunderbare Gelegenheit, Szenen aus seinen alten Film Noirs in einem neuen Kontext nochmals zu vertonen, denn wem wird solch eine einmalige Chance schon zuteil? Er packt denn auch den Stier bei den Hörnern und kehrt quasi zurück zu seinen Wurzeln, wobei schon zu erkennen ist, dass man es hier trotz der Thematik mit dem «modernen» Rózsa zu tun hat, der im Laufe der Zeit, besonders ab den 1970er-Jahren, eine Spur abgeklärter komponierte. Sehr nah an seine alte Noir-Intensität kommt er aber beispielsweise mit der «Cleaning Woman»-Musik, die durch den Einsatz des Theremins Erinnerungen an SPELLBOUND weckt. Hier wie da bringt der irre Klang Kindheits-Traumata zum Vorschein.
Thematisch getragen wird der Score vom Hauptthema mit seinem alarmierenden Fünfton-Motiv und dem schmachtenden Liebesthema, das in den Händen der Streicher und ‒ wenig überraschend bei Rózsa ‒ einer inbrünstigen Sologeige in guten Händen ist. Aufgelockert wird der dramatische Grundcharakter immer mal wieder durch teilweise lasziven Jazz, etwas Humor, der ‒ auch das kennen wir vom Komponisten ‒ in den Holzbläsern, insbesondere der Klarinette zum Vorschein kommt, sowie leichtherzige, spanische Klänge. In der von Intrada gegenüber der nunmehr bald auch schon wieder dreissigjährigen Prometheus-CD rund eine Viertelstunde längeren Komplettfassung gibt es von allem etwas mehr, und das wertet den Score unerwartet derart auf, dass man zur späten Einsicht kommt (zumindest mir geht es so), dass sich Dr. Rózsa mit DEAD MEN DON’T WEAR PLAID sehr ehrenvoll von der Filmwelt verabschiedet hat.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der gesundheitlich angeschlagene Komponist von verschiedenen Seiten unterstützt wurde. Eingespielt wurde die Musik unter der Leitung von Lee Holdridge, für die Orchestration war hauptsächlich Christopher Palmer zuständig, in den Credits werden aber auch Scott Smaley und Angela Morley genannt. Diese drei werden dann wohl auch für die von Rózsa in dieser Art nicht gewohnten Jazz-Nummern verantwortlich sein, von denen es auf CD 2 eine ganze Anzahl gibt. Hier findet man im Bereich von Source-Musik Bearbeitungen für Ensembles verschiedener Grösse bis hin zum Soloklavier. Eine nette Überraschung ist der liebliche «Dead Man’s Bolero» für Gitarre, Flöte, Violine und Klavier.
Einen Ehrenplatz in den Filmmusik-Annalen geniesst DEAD MEN DON’T WEAR PLAID nicht in erster Linie der Qualität wegen ‒ obwohl die fraglos vorhanden ist ‒ sondern weil es sich um das Schlusswort des einzigartigen Miklós Rózsa handelt. Und also um die letzte Filmmusik ihrer Art.
Andi | 02.07.2022
DEAD MEN DON'T WEAR PLAID
Miklós Rózsa
Intrada ISC 475
CD 1: 68:48 Min. / 36 Tracks
CD 2: 25:04 Min. / 17 Tracks