De l’Amour

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Nimmt man den Ausstoß der letzten Zeit als Maßstab, so wird Bruno Coulais einst eine stolze Diskographie vorweisen können. Allerdings gibt es bislang wenig Anzeichen für eine breite Rezeption seiner Musik über den französischen Sprachraum hinaus; natürlich auch deshalb, weil etliche von ihm betreute Filme gar nicht oder nur in begrenztem Umfang außerhalb Frankreichs gezeigt werden. Es lohnt sich daher, immer wieder auf seine stets interessante Musik aufmerksam zu machen, und das, obwohl ich eingestehe, daß sie meinen persönlichen Geschmack nur von Zeit zu Zeit trifft: Nirgends aber mehr als hier, in DE L’AMOUR, einem musikalischen Nachtschattengewächs.

9 Tracks, gut 23 Minuten Musik, zu wenig für all jene, die ihre Ankäufe nach dem quantitativen Preisleistungsverhältnis vornehmen. Dabei kann sogar noch weiter reduzieren, denn 8 Tracks füllen zusammen 13 Minuten und bedürfen bei all ihren Qualitäten kaum des kommentierenden Wortes. Aber da sind noch jene zehn Minuten des ersten Stückes «La Cabine», und die sollte man kennen. Unbedingt!

Man kann «La Cabine» konservativ hören – dann wird man eine abgetönte Streichermelodie zu schätzen wissen, sich hingegen am umhüllenden Soundmix stoßen, akustischem Störfeuer gegen hemmungsloses Schwelgen. Diese Hörweise scheint jedoch unflexibel. Denkt man sich allein den träge in Sekundschritten dahinziehenden Melodiestrom als solchen, so wird man kaum länger als zwei Minuten hinhören. Erst die zusätzlichen Elemente bringen die notwendige innere Dynamik hinein. Rasch erfolgende Tonrepetitionen und ein nicht genau benennbarer, wohl elektronisch erzeugter Klang, mit dem man alles mögliche assoziiert, sorgen für das Rückgrat der Komposition, ehe sich Englischhorn und Streicher mit elegischen Verlautbarungen bemerkbar machen.

Zwischen ihren Einsätzen vergehen aber mehrfach Phasen, in denen einzig das rhythmische Element die Stille übertönt. Flötenfiguren kündigen einen neuen formalen Aufbau an, das melodische Modell kehrt in einer höheren Lage wieder, und schließlich setzt das rhythmische Continuo minutenlang aus. Die orchestralen Gruppen entwickeln daraufhin etwas planlos kurze Vorstöße, die aber so lange ohne Richtung bleiben, bis sie wieder rhythmisch an die Leine genommen werden.

Bei aller Einfachheit liegt eine hypnotische Kraft in dieser von den Pariser Philharmonikern einfühlsam intonierten Komposition. Betörende, dunkelleuchtende Musik für den späten Abend.

Matthias  |  2002

DE L’AMOUR
Bruno Coulais
Crépuscule/Warner
23:46 | 9 Tracks