Cutthroat Island

Review aus The Film Music Journal No. 7, 1996

Was anderes als des Lobes voll kann man bei einem solchen Release wie Silva Screens CUTTHROAT ISLAND (1995) von John Debney sein? Alles ist luxuriös: Die Aufmachung, die Spieldauer, das Orchester (120 Musikers des LSO), der Chor und, ja, auch die Musik selbst. Kritisches Geschreibsel über CUTTHROAT ISLAND loszuwerden, fällt wirklich schwer. Was KRULL (1983) für James Horner, STAR WARS (1977) für John Williams, CONAN THE BARBARIAN (1982) für Basil Poledouris, THE TEN COMMANDMENTS (1956) für Elmer Bernstein und BACK TO THE FUTURE (1985) für Alan Silvestri waren, das ist CUTTHROAT ISLAND für John Debney. Hoffentlich der erwartete Karrieresprung für den Komponisten! Wieso die Academy of Motion Picture Arts and Sciences kein Gehör für Debneys Score hatte, darüber kann nur gemutmasst werden.

Der Film jedenfalls war ein kolossaler Flop, einer der teuersten Rotstiftansetzer der letzten 20 und wohl noch der kommenden 20 Jahre. Ausserdem hat CUTTHROAT ISLAND eigentlich keinem der Beteiligten Glück beschert: Matthew Modine nicht, der sich über die Extravaganzen von Davies und Harlin aufregte – und auch dem kurzzeitigen Paar Geena Davies/Renny Harlin, dem finnischen Regisseur (DIE HARD 2, 1990; CLIFFHANGER, 1993), nicht, die immerhin fast gleichzeitig mit THE LONG KISS GOOD NIGHT (1996) noch einen netten Erfolg hatten. Danach aber ging es auf der steil angestellten Leiter für Harlin und Davies nur noch bergab. Nein, 1995 war die Zeit noch nicht wieder reif für ein zünftiges Piratenabenteuer, es sollten weitere 8 Jahre vergehen, ehe Disney deutlich mehr Wohlsein hatte (die Stories beider Filme sind nicht wirklich umwerfend, es war vielmehr der Zeitpunkt, die Besetzung und die technischen Möglichkeiten, die Disneys Seeräuber im neuen Jahrtausend zu Kassenknüllern werden liess – und also Glück).

Nun, was haben wir überhaupt auf der Habenseite von CUTTHROAT ISLAND? Die Musik natürlich. Debney hat fürwahr eine tüchtige Seefahrermusik, für Piraten mit Säbeln zwischen den Zähnen und voll aufgeblasene Segel im Wind geschrieben. Gross, grösser am grössten. Mit viel Schlagwerk wurden die flott gemachten, spannend dramatischen Stücke ausgestattet. Das grossartige Hauptthema bläst uns bereits in «Main Title» und im brillanten «Carriage Chase» um die Ohren. Oder man höre sich nur schon das Intro von «Setting Sail» an und weiss sofort, was es hier geschlagen hat. Debneys Musik spricht Bände und Bilder – und wenn es das immens aufwändige Setting des Films schon nicht geschafft haben den Kinogänger zu entzücken, so tut dies wenigstens die Musik mit uns Filmmusikfans. Sie vermittelt ganz viel Hörspass, Hörspass und nochmals Hörspass. Dazu der fantastische Klangkörper der Londoner, lieb Soundtrackherz, was willst du mehr?

Abschliessend: Notabene hatte auch John Debney wenig Glück nach CUTTHROAT ISLAND. Zwar erhielt er tonnenweise Aufträge, aber allzu bald fand er sich wie der bekannte Hamster im Rad wieder. Seines drehte sich vor allem und hauptsächlich um (meistens sehr laue) Komödien.

CUTTHROAT ISLAND erschien 2005 beim belgischen Label Prometheus erstmals in einer Langfassung. 2016 tat es La-La Land Records fast gleich, dieses Mal aber mit der zusätzlichen Marke «besserer Klang».

Phil, 1996

 

CUTTHROAT ISLAND

John Debney

Silva Screen

71 Min.
19 Tracks