Crouching Tiger, Hidden Dragon

Review aus The Film Music Journal No. 25, 2001

Nun hat also wieder ein klassischer Komponist einen Oscar für einen Filmscore gewonnen. War es im letzten Jahr John Corigliano für THE RED VIOLIN, so durfte dieses Jahr Tan Dun die begehrte Statue entgegennehmen. Ob diese Auszeichnung gerechtfertigt

war, sei mal dahingestellt, doch diesmal wurden alle «großen» Tiere der heutigen Filmmusikszene ausgestochen: Nicht nur die Newcomer Rachel Portman und Hans Zimmer waren unterlegen, sondern auch die Veteranen John Williams und Ennio Morricone, der bereits fünf Mal nominiert war und bisher jedes Mal verlor. Gerechtigkeit? Nun, die hat’s bei den Oscars sowieso fast nie gegeben. Ich kann für meinen Teil nur sagen, dass ich alle anderen nominierten Scores (CHOCOLAT, GLADIATOR, MALÈNA und THE PATRIOT) öfter gehört habe (und noch öfters hören werde), als CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON hier. Zudem gefallen sie mir alle besser.

Gut, dies ist noch keine ausreichende Bewertung. Zugegeben: Diese CD war meine erste Berührung mit fernöstlicher Filmmusik, ich kannte bisher nur Toru Takemitsus RISING SUN und Kitaros HEAVEN & EARTH; beide Filme sind jedoch englischsprachige US-Produktionen und CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON ist eine US-chinesische Produktion, die ausschließlich in chinesischer Sprache gedreht worden ist. Der Komponist war mir bis zu diesem Film ebenfalls unbekannt.

In der klassischen Musikszene ist Tan Dun jedoch kein Unbekannter: So hat er neben der weltweit aufgeführten Oper «Marco Polo» (1997) die «Symphony 1997 (Heaven Earth Mankind)» anläßlich der Rückgabe Hongkongs an China komponiert und bei der Übergabezeremonie sogar selbst dirigiert. Ein weiteres bedeutsames Werk war sicherlich auch seine «World Symphony for the Millennium», die während der 27-ständigen Live-Übertragung der BBC zum Jahrtausendwechsel gespielt wurde.

Nun aber zu seinem ersten großen Filmwerk: Die CD beginnt mit «Crouching Tiger, Hidden Dragon» und dabei wird gleich ein Hauptakteur des Scores vorstellig: Yo-Yo Ma, von dem die Cello Solos stammen. Der zehnfache Grammy-Preisträger ist mit Sicherheit einer der großen Pluspunkte dieses Scores und der CD. Doch der erste Track kommt eher schwermütig, ja fast traurig daher und war für mich nicht unbedingt ein Ansporn zum Weiterhören. «The Eternal Vow» ist da schön deutlich schöner. In diesem Stück setzt das Hauptthema ein, das mit dem Titelsong «A Love Before Time» einhergeht. Man könnte es fast als Instrumental-Version des Songs bezeichnen. Mit «A Wedding Interrupted» und «Night Flight» setzen dann die actionreichen Passagen ein.

Ersterer hört sich fast wie ein gewöhnlicher Actioncue mit Streichern und Bläsern an und könnte auch von einem Hollywoodkomponisten stammen, doch «Night Flight» setzt voll auf Percussion mit Trommeln ähnlich wie das Taiko Drum Opening aus RISING SUN. So stelle ich mir eigentlich asiatische Filmmusik vor…. In den folgenden Stücken mischt Tan Dun dann unterschiedliche Musikstile, dafür ist er auch in seinen klassischen Kompositionen bekannt: fernöstliche mit westlichen, aber auch arabische Einflüsse sind erkennbar. Dieser Mix ist zwar ganz nett anzuhören, doch es klingt alles leider nicht sonderlich aufregend oder sehr einprägsam. Einziges Highlight am Ende ist Farewell, der nochmals die Instrumentalfassung des Songs mit leichter Percussion untermalt. Die CD schließt mit zwei Versionen des Titelsongs «A Love Before Time» ab (englisch und mandarin), gesungen von Coco Lee.

Im Film wirkt die Musik hervorragend, doch auf der CD bleiben leider nur wenige Stücke wirklich einprägsam.

Uwe  |  2001

CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON
Tan Dun
Sony
50:27 | 15 Tracks