Creature from the Black Lagoon

Review aus The Film Music Journal No. 24, 2000

David Schecter gehört noch zu jener Spezies von Menschen, die ihre Träume verwirklichen. Er liebt vor allem die Horror- und Science-Fiction-Filme der vierziger und fünfziger Jahre, samt ihren Scores. Da der Soundtrackmarkt ihm kaum etwas anbot, gründete er 1996 ein Privatlabel namens Monstrous Movie Music und ließ ein polnisches Orchester verschiedene Genre-Scores aufnehmen (vgl. das Interview in FMJ 13/14). Inzwischen hat Schecter neue Aufnahmen vorbereitet, das Booklet zusammengestellt und auch den Versand selbst durchgeführt; ein von seiner Frau unterstützter Enthusiast auf der Pirsch in abgelegenen Gebieten.

Liest man in US-Magazinen mit Schwerpunkt Horrofilm, so stößt man zwar auf eine kleine Anhängerschaft derartiger Musik; hierzulande regt sich allerdings nur wenig Interesse, sobald nach Herman Stein, Irving Gertz oder Hans J. Salter gefragt wird. Letzterer hat bei Marco Polo ein Heim gefunden; nun sind die beiden erstgenannten, mittlerweile 85 Jahre alten Komponisten dran. Sie schrieben ihre Genremusik vor allem für die Filme des Studios Universal Pictures, und meistens in gemeinschaftlicher Arbeit, wobei ein jeder bestimmte Teile eines Films zugewiesen bekam, ohne sich mit dem anderen abzusprechen. Wenn die Zeit nicht reichte, wurde Material aus der Studiobibliothek geholt und einmontiert. Nachweis und Zuordnung dieser Übernahmen sind schwierig, und Schecter hat Jahre zugebracht, um sich die Rechte zu sichern und die Herkunft der einzelnen Stücke zu ermitteln. Ein lohnendes Detektivspiel, vor allem für die Liebhaber besagter Genrefilmem, in deren Vorspann meistens nur der Name des Musikalischen Direktors Joseph Gershenson genannt wird.

Vor allem der titelgebende Score CREATURE FROM THE BLACK LAGOON (1954) läßt das Herz höherschlagen. Gleich fünf Komponisten, neben Stein und Salter auch der junge Mancini sowie Milton Rosen und Robert Emmett Dolan, teilten sich die Arbeit, von der bislang nur eine kurze, lärmende Suite der Salter-Stücke bei Intrada lieferbar war. Leider wurden die Komponisten gezwungen, bei jedem Erscheinen des Gill-Man (so heißt das Monster diesmal) ein Schreckenssignal ertönen zu lassen, was beim Hören manchmal Irritationen verursachen mag; um so mehr, da die 35 Minuten ansonsten sehr viele lyrische, oftmals betörend schöne Momente enthalten, vor allem für die Unterwasseraufnahmen, aus heutiger Sicht der sinnlichste Teil des ganzen Films. Vor allem Steins und Mancinis Beiträge sind außerordentlich gutkomponierte Stimmungsstücke, die zwischen impressionistischen und modernen Techniken changieren und ihr motivisches Material auf engstem Raum entfalten. Wo nicht gerade das Untier für Panikstimmung sorgt, lassen sich die Stile der einzelnen Künstler ohne weiteres ausmachen.

Doch sind nicht nur Universal-Filmmusiken Teil der MMM-Collection, sondern auch die „monstrous movies» anderer Studios. Auf den ersten Blick mag die kurze Suite aus den berühmten TARZAN-Filmen mit Johnny Weissmüller nicht hierher gehören, und ich kann persönlich auch weniger damit anfangen als mit den anderen Partituren, aber es ist schon erstaunlich, daß nach zum Teil über sechzig Jahren diese Kompositionen hierzulande unbekannter Filmkomponisten wie William Axt oder David Snell aus dem Orkus auftauchen. Eine faszinierende Partitur von Irving Gertz komplettiert das Programm: THE ALLIGATOR PEOPLE (1959). Mag der Film auch ein Riesenhokuspokus sein, so war Gertz doch ein viel zu guter Musiker, um sich davon irritieren zu lassen. Weniger an sangbaren Themen interessiert als andere, schrieb er ein dichtes Gefüge aus Stimmen und freitonalen Akkorden, außerdem einen traurigen Walzer, der leider viel zu früh abbricht. Das slowakische Orchester spielt frisch auf, und der trockene Raumklang spiegelt die damaligen Aufnahmegewohnheiten wider.

Ob man sich nun für diesen Musikstil erwärmen kann oder nicht, eines steht jedenfalls fest: David Schecters kleine Reihe gehört zum Erstaunlichsten, was je in diesem Bereich vorgelegt worden ist. Und einen Superlativ kann ich mir nicht verkneifen: Schecters Booklets sind die mit weitem Abstand besten aller Zeiten. Auf 40 reichhaltig bebilderten Seiten beschreibt der Produzent die Mühsal der Recherche: Wurde jener kurze Achtsekundenschnipsel eines bestimmten Stücks nicht schon drei Jahre vorher für eine Westernszene komponiert? Kein Problem, sofern man bereit ist, sich dafür zig Universal-Western zigmal anschauen, oder besser: nur anzuhören. Und soviel steht fest: Die kleine MMM-Serie wird spätestens dann, wenn ihre Auflage vergriffen ist, Kultstatus erlangen. Wer also direkt bestellen oder akustische Schnipsel der kommenden Alben hören möchte, begebe sich auf die Internetseite www.mmmrecordings.com. Ansonsten helfen die üblichen Spezialhändler.

Matthias  |  2000

Tarzan Suite
Creature from the Black Lagoon
The Alligator People
Editorische Leistung
CREATURE FROM THE BLACK LAGOON

Herman Stein, Hans J. Salter, Henry Mancini, Milton Rosen, Robert Emmett Dolan, William Axt, David Snell, Irving Gertz

Monstrous Movie Music Vol. 3

64:28 | 49 Tracks