Alexandre Desplat Colosseum CST-6968.2 39:44 Min. / 18 Tracks
„Die fabelhafte Welt der Amélie“ hieß der Film, mit dem Audrey Tautou berühmt wurde. Ihr neuester Film ist die Biographie über die Modedesignerin Coco Chanel. Am 13. August 2009 soll der von Anne Fontaine in Szene gesetzte Film in den deutschen Kinos starten. Die Filmmusik dazu ist bereits bei Colosseum erschienen.
Die fabelhafte Welt des Alexandre? Die Euphorie über „The Curious Case Of Benjamin Button“ ließ diesen Eindruck entstehen. Die Filmmusikwelt (zumindest die halbe) schien vor Freude zu taumeln. Was danach folgte, ernüchterte zumindest den Kritiker. Der dröge und substanzlose „Et Aprés“ und der uninspirierte Elfman- Klon „Largo Winch“ sorgten für eine vorzeitige Ernüchterung. Mehr oder weniger gespannt sein durfte man deshalb auf seine Musik zum Coco Chanel Film, dessen CD fast zeitgleich mit Desplats Soundtrack zum aktuellen Stephen Frears-Film „Chéri“ erschien. Ist es bei der Menge an zu vertonenden Filmen (2009 sind es bislang derer 8) zu vermeiden, dass sich die Filmmusiken zu stark ähneln? Man wird sehen. Doch zunächst zu Coco:
Das Album beginnt immerhin vielversprechend mit einem bezaubernden minimalistischen Hauptthema. Auf Desplat’sche Art simpel und wie gewohnt mit Klavier und Celesta vorgetragen, tänzerisch leicht, augenzwinkernd und verschmitzt, macht es zumindest neugierig auf den Rest, was Themenvariation und weitere Verwendung angeht. Das, was die Hörfreude bei besagtem erstem Stück „L’abandon“ trübt, ist die Nebenstimme der Streicher, die Desplat über vier Minuten lang stets dieselben zwei Noten als Pizzicati spielen lässt. Ein wenig Abwechslung hätte sicher nicht geschadet.
Den Hörer milde stimmen wird dafür der schwungvolle fröhliche Walzer „Chez Coco“, mit dem Desplat auf seine Art den Landesgenossen Maurice Jarre und Georges Delerue Tribut zollt. Der Komponist schafft es hier wie lange nicht mehr, französische Eleganz und Leidenschaft in ein zweieinhalbminütiges Stück zu packen, die man in vergangenen Werken schmerzlich vermisst hat.
Doch genug der Lobhudelei, denn die Ernüchterung des Hörers folgt auf dem Fuße, wenn Desplat sich dreißig Minuten lang in gewohnten, endlosen Streicherbögen, minimalistischen Flötenrhythmen und ermüdenden Einwürfen von Klavierakkorden ergeht. Das, was einem mit dieser CD präsentiert wird, hat weniger mit einer zauberhaften Welt zu tun als vielmehr mit einem weiteren Benjamin Button- Klon – klingt diese Musik doch nicht anders als der nunmehr 4. oder 5. Teil der besagten hochgelobten Filmmusik. Anders gesagt: Hätte man die Coco Chanel-Musik nach dem Benjamin Button-Soundtrack mit auf die CD zum Brad Pitt- Film gepackt, wäre es niemandem aufgefallen, dass es sich nicht um den Button handelt, sondern um die Chanel. All das, was bereits von kritischen Rezensenten zu „Et Aprés“ geschrieben wurde, ließe sich hier mühelos hineinkopieren: minimalistische Nebenstimmen für Zupfinstrumente, sich ständig wiederholende Streicherfiguren, ausgereizt bis weit über die Grenzen einer ansprechenden, unterhaltsamen Filmmusik hinweg zu einem öden, wabernden Klanggebilde, grob orchestriert und in etwa so spannend wie das Nachtprogramm eines drittklassigen deutschen Fernsehsenders.
Es ist sehr bedauerlich, dass sowohl das Hauptthema als auch der Walzer im weiteren Verlauf kaum noch auftauchen. Aus diesen hübschen Themen hätte sich noch Einiges herausholen lassen. Ärgerlich besonders auch deshalb, da das Desplat’sche Klangkonzept mittlerweile genügend ausgereizt ist. Würde sich der Franzose mal wieder von seinen trägen Dramenscores mit Harfe, Klavier, Glockenspiel und Flöten, die sich in endlos lang andauernden Staccaato-Noten ergehen, abwenden und sich mal mehr Zeit für eine Musik nehmen, könnte nach dieser Durststrecke mal wieder was Hübsches entstehen. Schade, Monsieur Desplat.
Stefan, 24.5.2009
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