Captain Corelli’s Mandolin

Review aus The Film Music Journal No. 28, 2002

Wer ein wenig Ferien sucht von der nimmermüden strukturlosen Kurzlebigkeit und dem substanzlosen Lärm der meisten US-Scores dieses Jahres, der sollte zu dieser nach altmodischem Bauprinzip verfertigten Komposition greifen. Ein handwerklich sorgfältig ausgearbeiteter und stilsicherer Score hochromantischer Prägung liegt hier vor, mit dem Stephen Warbeck sein bei SHAKESPEARE IN LOVE (1998) abgegebenes Versprechen in stimmungsvoller Weise einlöst.

Eine herbe Enttäuschung bereitet hingegen der wiederum vom selben Regisseur John Madden inszenierte Film, eine plump-kitschige Schmonzette, die während des Zweiten Weltkriegs auf der griechischen Insel Cephalonia spielt: Der italienische Offizier Corelli (Nicolas Cage), der an der Spitze von Mussolinis Besatzungstruppen auf das Eiland kommt, verliebt sich in Pelagia (Penelope Cruz), die schöne Tochter des Dorfarztes, die bereits einem Einheimischen versprochen wurde. Als nach dem Sturz Mussolinis 1943 die Deutschen auf der Insel einmarschieren, wird diese Liebesaffäre vom brutalen Kriegsgeschehen überrollt. Leider läßt der Regisseur kein noch so abgedroschenes Handlungsklischee aus und verspielt somit jede Chance, dem Stoff jenseits blasser Oberfläche und putziger Postkartenbilder irgendeinen Anflug von Tiefgang zu verleihen. Völlig unglaubwürdig und am Rande der Lächerlichkeit bleibt dabei Nicolas Cage als Mandoline spielender Capitano Corelli, der so hölzern und unbeholfen agiert, als würde er sich im völlig falschen Film befinden. Weder die teils exquisiten Landschaftsaufnahmen von Kameramann John Toll noch Warbecks atmosphärisch dichte und lyrische Musik können unter solchen Voraussetzungen das mißlungene Liebesepos retten.

So bleibt für den gewillten Filmmusikfan folglich die Soundtrack-CD als einziges Glanzlicht übrig, deren Tracks im Vergleich noch etwas konzertanter ausgearbeitet erscheinen. Zwei melancholisch-verträumte Themen sind es vor allem, die den ganzen Score bestimmen und in vielfältigen Variationen und wechselnden Instrumentierungen zu hören sind. Track 1 bringt zunächst die später auch noch vokal dargebotene instrumentale Fassung von «Pelagia’s Song», eine satte und sehnsüchtig aufsteigende Streichermelodie, die sich auf angenehmste Weise im Gehörgang einnistet. Mit diesem schwärmerischen Thema schönster italienischer Gangart – von seinem Tonfall und der Melodieführung durchaus dem Hauptthema aus SHAKESPEARE IN LOVE verwandt -, das vom vollbesetzten Streichorchester in reizvollem Wechsel mit Soloinstrumenten wie natürlich der titelgebenden Mandoline, der Gitarre und dem Akkordeon vorgetragen wird, ist das emotionale Klima vorgegeben, das für die gesamte Komposition bestimmend ist. Die breit dahinströmende und stark südländisch angehauchte Kantilene (auch Morricone läßt durchaus grüßen) evoziert vor dem geistigen Auge des Hörers förmlich das Bild eines idyllischen, sonnendurchfluteten Strandes.

Gitarrenklänge nebst begleitenden Streichern dominieren auch im zweiten Hauptgedanken der Partitur, einem weitaus tragischer und wehmütiger angelegten Thema («Senza di te»), das den unglückseligen Handlungsverlauf bereits in Töne faßt und ab Track 2 («The Recruiting Officer») immer wieder in leicht veränderter Form auftaucht, am zauberhaftesten vielleicht in «Horgota Beach», wo Gitarre und Akkordeon sich gegenseitig die Melodie wie ein sanftes Wiegenlied zuraunen. Als durchaus gelungen zu bezeichnen sind auch die mit düsteren und schicksalsschweren Streichern und Bläsern bestückten Spannungsszenarien wie «Surrender», «The Battle» oder «The Aftermath», die die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Deutschen illustrieren sollen. Stets versteht es Warbeck hier, sich aus den Untiefen einer formlosen und rein funktional wirkungsvollen Suspensemusik herauszuhalten, so daß seine Komposition nie den großen melodischen Bogen und die innere Geschlossenheit aus den Augen verliert.

Gerade deshalb darf dieser Soundtrack in seiner autonomen Form unabhängig vom Film als eines der in sich schlüssigsten Hörerlebnisse des Jahres gelten. Der Höhepunkt des von tiefgreifender Nostalgie durchtränkten Werks ist das allerletzte Stück «Reunion», in dem noch einmal das wunderschöne «Senza di te»-Thema in opernhafter Aufbereitung zelebriert wird: Zuerst bauen die Mandolinen und danach das Akkordeon in einem Intermezzo die Melodielinie auf, bevor sich das volle Orchester noch einmal in schwelgerischen Wohlklängen baden darf.

Ein wahrlich melodisch inspirierter Score, der an Qualität weit über dem zu betreuenden Film steht. Sehr schön eingearbeitet sind zudem die beiden vom Tenor Russell Watson gesungenen Arien der beiden Hauptthemen, wogegen ein paar von den Soldaten deklamierte Songs und Opernarien aus dem italienischen Rossini- und Verdi-Repertoire (Track 7-9) reine Source Music-Zwecke erfüllen.

Wer wie ich ein Faible für romantische und ruhige Sinfonik mit stark italienischem Flair hat, kommt bei diesem Score, den man in etwa George Fentons IL LOVE AND WAR (1997) oder Trevor Jones› FOR ROSEANNA (1997) an die Seite stellen kann, voll auf seine Kosten. Wer hingegen eher actionbetonte Dramatik bei einer Filmmusik favorisiert, wird sich mit dieser CD kaum anfreunden können.

Stefan  |  2002

CAPTAIN CORELLI’S MANDOLIN

Stephen Warbeck

Decca

60:21 | 23 Tracks