James Horner Atlantic Records 7567-89576-1 78:57 Min. 14 Tracks
Als Liebhaber der Musik von James Horner fällt es mir schwer seinen neuen Score unvoreingenommen zu betrachten. In 30 Jahren Filmmusik hat Horner beachtliches geleistet. Viele seiner Scores sind Klassiker und sein orchestraler Klang hat andere Komponisten beeinflusst. Gleich mit seiner ersten Filmmusik gelang es ihm, seine eigene persönliche musikalische Sprache zu finden, die unverkennbar geworden ist. Melodische Hauptthemen, rhythmische Dramatik, seine klassische Ausbildung oder behutsame Sentimentalität sind charakteristisch für seinen Kompositionsstil.
Anhand dieser Merkmale identifiziert man einen Horner Score. Horners musikalische Farbpalette ist facettenreich, doch leider auch bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Es gibt nur wenige Komponisten, die ihre eigene Musik dermaßen „ausgeschlachtet“ haben. Funktionierende Themen und Melodien werden übernommen und in ein anderes musikalisches Konzept gezwängt. Trotz allem ist James Horner ein perfekter Komponist, der weiß wie die Musik im Film wirken wird. Er ist der perfekte Gegenpart zu James Cameron, der es versteht dessen visuelle Effekte adäquat in musikalischer Weise umzusetzen. Ob man den Score anschließend auch auf CD genießen kann, muss jeder für sich selber herausfinden. Im Film jedoch, ist der Horner Score stets erste Wahl!
Um für Avatar einen neuen musikalischen Ansatz zu finden, verordnete sich James Horner in Absprache mit James Cameron einer einjährigen Pause. Frei und ohne störenden Blick auf ein anderes Projekt widmete sich Horner ausschließlich Avatar und der Schaffung eines eigenen Na’vi Kosmos. Trotzdem erfindet Horner mit Avatar die Filmmusik natürlich nicht neu und letztendlich ist die Musik eine Fortführung der erfolgreichen Titanic Musik.
Das Liebesthema aus Titanic wird ersetzt durch ein eigenes Thema für die Na’vi Bevölkerung, irische Folklore ersetzt durch exotische Chormusik und ethnische Instrumente und die Spannungsebene ist einem militärischen Beiklang gewichen. Auffällig sind sicher der über die gesamte Laufzeit der CD zu hörende Einsatz eines nativen Chorgesanges und das Crossover aus ethnischer Folklore, versetzt mit elektronischen New Age Klängen. Horner bemüht Weltmusik und bedient sich an unterschiedlicher Kulturen.
Nicht nur Ethnisches aus Afrika oder Südamerika wird verwndet, sondern auch Obertongesang und indische Fragmente finden sich in der Musik. Für mich kein Kritikpunkt, da ein eigener Klangraum für das Na’vi Volk basierend auf bekannter Ethnomusik geschaffen wird. Viele bekannte Themen aus früheren Horner Scores erklingen. Sie werden nur marginal abgewandelt und mit einem neuen Sound versehen eingesetzt. Selbst der von Prokofiev entliehene Ansatz aus Iwan the Terrible oder Krieg und Frieden wird in den heroischen Einsatz der Chormusik erneut aufgenommen.
Highlight des Scores sind der Wohlklang in den Tracks The Bioluminescence of the Night und Becoming One of The People, sowie dem fulminanten actionlastigen War Track. Die Instrumentierung für den Orchesterappart ist schlicht und anspruchslos, Schwerpunkt bleibt in der Na’vi Welt und ihrer eigenen Folklore. Unterschiedliche Blasinstrumente, unterschiedliches Schlagwerk bis hin zu dem stimmlich leicht gebrochen Einsatz eines Boysoprans erklingt als zeitgemäßes und trendiges Sounddesign. Perfekte, kalkulierte und ohne jedes Risiko komponierte Musik, die ihre Käuferschicht finden wird.
Einige Themen von Avatar sind gelungen und hörenswert, doch «neu» klingt für mich anders. Avatar ist keine musikalische Innovation, sondern traditionelle Musik im trendigen Sound – mehr nicht. Horner hat das eine Jahr nicht zu einer musikalischen Zäsur genutzt um nach neuen kompositorischen Wegen zu suchen, sondern er hat sein vorhandenes Vokabular «perfektioniert».
Eine Bewertung fällt mir schwer! Meine Erwartungshaltung an die neue Horner Musik war groß, doch wurde mein Wunsch nach sinfonischer Musik nicht erfüllt. Auf der anderen Seite hat Horner eine Musik geschaffen, die genau den Zweck, für den sie komponiert wurde, erfüllt. Sie schafft einen eigenen musikalischen Kosmos und bedient gleichzeitig die Hörgewohnheiten der Zuschauer.
Bernd, 25.12.2009
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