All Fall Down / The Outrage

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

Ich gestehe es gleich: den Film ALL FALL DOWN (1962) habe ich noch nie gesehen und fast hätte ich den blutjungen Warren Beatty auf den Fotos nicht erkannt. Gemäss dem Booklet wird All Fall Dawn als eine Art Remake von East of Eden umschrieben, zumindest habe der damals junge John Frankenheimer den Stoff um die jugendlichen Erwachsenenprobleme des schwierigen Berry-Berry (W. Beatty) auf diese Weise mit angesehenen Akteuren wie Karl Malden, Angela Lansbury und Eva Marie Saint verfilmt. Alex North wurde, man dankt es im Nachhinein, als Komponist betraut und entschied sich für eine eher süffige, nicht üppig besetzte, leichtfüssig beginnende Komposition. Das Hauptthema, für Berry-Berry’s kleinen Bruder Clint stehend, im Main Title von einem Sopransaxophon intoniert, erinnert während den ersten Noten in belustigender Art an ein naives Schweizer Kinderlied namens „Dört äne am Bärgli“ (Dort drüben am Berg…), aber das nur ganz am Rande und für urige Schweizer.

Die leichte, populäre Art (unterlegt mit zurückhaltender Perkussion) des Eröffnungsstückes ist eigentlich nicht massgebend für die kommenden 38 Minuten, in denen North zwischen fröhlich-anmutiger Stimmung, zumeist wenn Clint’s Thema zu hören ist, etwas ernsthafter in den Stücken Diary oder beim Erklingen des brüderlichen Themas, das Berry-Berry’s Beziehung zu Clint repräsentiert und Echo’s (E.M. Saint) in ¾ Takt gehaltenem Thema (Oboe in Echo, vom Sax kurz angespielt in Trouble und wunderbar ausgedehnt von den Violinen in Decision) mit reichlich Fingerspitzengefühl und sehr unauffällig fliessend wechselt. In Stück 14, Conflict, wird die Musik für einmal äusserst markant, nämlich wenn North das Finale von Sibelius’ Symphony No.2 ertönen lässt. Ohne Vorstellung, wie dies im Film funktionieren mag, lasse ich mich zur Behauptung hinreissen, dass dieser Wechsel von North gehaltener und zwiespältig dramatischer Musik mit diesem „ernsthaften Werk“ etwas befremdlich klingt.

North verlässt den ruhigen Grundton seiner Komposition kurz darauf im rauen, jazzigen Mittelteil des Tracks Trouble/Shut Up um Berry-Berry’s Wutausbruch, der sich mehr und mehr in eine emotionale Ecke gedrängt sieht, zu betonen. Erst in Revenge lässt er eine nochmals dramatische, diesmal dissonant gefärbte Musik erklingen, im Showdown der beiden Brüder, der schliesslich zum Abbruch ihrer familiär-freundschaftlichen Beziehung führt, schön eingefangen von North. ALL FALL DOWN ist eine sehr personalisierte, eindringlich-schmeichelnde Komposition, die weit mehr die romantische, verinnerlichte Seite von North favorisiert und nur wenig von seiner aggressiven Seite erahnen lässt.

Kurz zu seinen gerne gebrauchten hispanischen Idiomen zurückgreifen darf North in THE OUTRAGE, der mit einer kleinen 14:29-Minuten Suite auf der CD enthalten ist. Unter der Regie von Martin Ritt mit einem (wiederum auf den Fotos) fast nicht erkennbaren Paul Newman in der Rolle eines mexikanischen Banditen, komponierte North knapp 15 Minuten eher stimmungsbetonter Musik in mittlerer Besetzung, oft für Holzblassoli und betont agierenden Streichern. Dabei begleitet er die ein und dasselbe Geschehnis umrahmenden Erzählungen aus der Sicht verschiedener Protagonisten, eingefasst von einem elegischen Main und End Title für Claire Blooms Charakter. THE OUTRAGE ist eine nette Dreingabe als Auffüller dieser CD, die stimmungsmässig aber auch stilistisch gar nicht mal so schlecht zu ALL FALL DOWN passt und sonst wohl, ausser im Verbund mit einer anderen Musik von North, nicht das Licht der Hörwelt auf CD erblickt hätte.

Phil  |  2003

ALL FALL DOWN / THE OUTRAGE

Alex North

FSM Silver Age

52:54 | 21 Tracks