Agatha Christie’s Poirot

Christopher Gunning

Discovery Records DMV103

70:24 Min.
15 Tracks

Es ist die Rolle seines Lebens für David Suchet: seit nunmehr 24 Jahren verkörpert der Engländer in bisher 70 Episoden der TV-Serie Agatha Christie’s Poirot die exzentrische belgische Spürnase und hat diesen Charakter damit mehr geprägt als jeder andere Schauspieler vor ihm.

Aber auch auf musikalischer Ebene weist die Serie eine lang währende Konstante auf, denn Christopher Gunning hat zwischen 1989 und 2004 immerhin 41 Episoden vertont. Einen kleinen Einblick in dieses umfangreiche Werk bietet nun eine jüngst erschienene Discovery-CD, wenngleich ihr Inhalt zum grossen Teil identisch ist mit einem bereits 1992 veröffentlichten Poirot-Album (Virgin Records VTCD 8).

The Belgian Detective präsentiert das raffiniert konstruierte Hauptthema, wo Gunning mit Saxophon und leicht verstimmtem Klavier den Kontrast zwischen der unbedarft wirkenden Erscheinung Poirots und dessen Scharfsinn, Hintergründigkeit und Melancholie hervorhebt. Dieses zwar etwas altmodisch, aber keineswegs angestaubt wirkende Thema zieht sich mannigfaltig verarbeitet durchs Programm, sehr präsent ist es in The ABC Murders, Grey Cells oder The Double Clou.

Die schwermütige Nachdenklichkeit, die letzteren Track beherrscht, taucht auch in The Innocence of Caroline Crale und ‒ noch weitaus dunkler ‒ in The Victory Ballauf. Aber Gunning versteht sich auch im pastoralen und romantischen Bereich meisterhaft auszudrücken. So finden sich feinfühlige Soli von Violine, Viola und Klarinette, aber auch volksliedhafte Melodien in A Country Retreat, To the Lakes!und Amya’s Last Painting.

Natürlich sind auch Spannung und Dramatik Bestandteil der Poirot-Krimis, und Kostproben davon bieten War und Amya’s Last Painting; hier gibt’s zudem eine kleine Actionpassage im Geiste Jerry Goldsmiths. Zupackender wird es in The Death of Mrs Inglethorpe, wo Waldhörner und herrmanneske Streicher das Szenario mitbestimmen. Einen kurzen Schreckmoment erlebt man bei One-two, buckle-my-shoe mit seinen gruseligen, zum Teil elektronisch manipulierten Kinderstimmen und einem Klavier, das wiederum an Goldsmith erinnert.

Eine etwas bessere Ahnung, wie Gunning einzelne Episoden dramaturgisch durchgestaltet, bekommt man bei den zwei längsten Tracks der CD. How does your Garden grow? befasst sich zunächst mit dem Hauptthema, das nach einem dramatischen Auftakt für einmal vom Saxophon an andere Instrumente übergeht. Dann wird ein kinderliedartiges Thema eingeführt, unschuldig zunächst, dann immer verstörender; damit einhergehend driftet das Orchester ins Heftige, Avantgardistische ab, bevor Soli von Violine, Saxophon und Klavier die Situation wieder beruhigen.

Düster, leise und geheimnisvoll wogen Streicher und Harfe zu Beginn von Death on the Nile und setzen damit das passende Ambiente für diesen in Ägyptens antiken Stätten angesiedelten Who-done-it-Krimi, der zu den populärsten von Agatha Christie gehört. Tragische Romantik für eine verhängnisvolle Leidenschaft, ein liebliches Intermezzo, ethnische Klänge, die mal direkt, mal andeutungsweise auf die Lokalität anspielen, eine gut abgemessene Portion Suspense, ein kurzes Psycho-Zitat für einen Mord (wenn auch nicht unter der Dusche) und elegische Momente zeichnen diese äusserst gelungene Suite aus, die nicht zuletzt eines beweist: Gunning kann Nino Rota und dessen Musik für die Kinoversion von 1978 durchaus das (Nil-)Wasser reichen.

Diese gediegen gestaltete und mit einem dreisprachigen Booklet ausgestattete CD ist eine sehr feine Sache und für alle, die gut gemachte und gehaltvolle Orchestermusik mögen, eine klare Empfehlung; dies nur schon deshalb, weil die verfügbaren Tonträger von Gunning in keinem Verhältnis zu seinen Fähigkeiten stehen. Da ist er natürlich keine Ausnahme, aber es bleibt trotzdem zu hoffen, dass sich vielleicht auch eines unserer Spezial-Labels in nicht allzu ferner Zukunft seiner mal annimmt.

Andi, 2.5.2013

 

 

 

 

 

 

 

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