
Das Kultphänomen ABBOTT AND COSTELLO MEET FRANKENSTEIN ist in erster Linie ein amerikanisches, zu den bekennenden Verehrern dieser Horrorkomödie von 1948 zählten und zählen Elvis Presley, John Landis, Joe Dante, Jerry Garcia, Quentin Tarantino und Robert De Niro. Das macht es uns Europäern vielleicht etwas verständlicher, warum der Score seit Dekaden in etlichen Holy-Grail-Listen auf Filmmusik-Foren herumgeistert. Eine Neuaufnahme stand schon zu Morgan-Stromberg-Zeiten zur Debatte, nun ist sie dank Intradas erfolgreichem Kickstarter-Projekt Tatsache geworden.
Die Musik stammt von Frank Skinner, der während fast 30 Jahren ebenso produktiv wie vielseitig dem Universal-Studio zur Verfügung stand und seinen Peak wahrscheinlich in der inspirierenden Zusammenarbeit mit Douglas Sirk fand. Eine selten erwähnte und unterschätzte Zusammenarbeit, die veröffentlichungstechnisch – wie leider Skinners gesamtes Schaffen – nicht allzu gut abgedeckt ist.
Da Skinner schon in frühere Universal-Monsterfilme wie THE WOLF MAN (1941) involviert war, bot sich der Job für ABBOTT AND COSTELLO MEET FRANKENSTEIN geradezu an, denn hier lehren Dracula, Frankensteins Monster und der Werwolf das beliebte Comedy-Duo das Fürchten. Bela Lugosi und Lon Chaney Jr. schlüpfen erneut ihre Paraderollen, während das Frankenstein-Monster nicht von Boris Karloff, sondern von Glenn Strange verkörpert wird.
Skinner geht grundsätzlich ernsthaft zur Sache, man hat meist tatsächlich das Gefühl, einem dramatischen Horrorfilm beizuwohnen (einige Momente erinnern an Waxmans THE BRIDE OF FRANKENSTEIN). Finstere, tragische, spannungsvolle und gruselige Stimmungen beherrschen das musikalische Geschehen, Skinner besitzt ein gutes Gespür für die Materie und bestückt seine Musik mit unzähligen raffinierten und wirkungsvollen Details. Zu diesen zählt die Nutzung der elektronischen Instrumente Novachord und Ondes Martenot, die sich zu den bemerkenswerten orchestralen Klangfarben gesellen. Thematisch wirkt der Score zunächst etwas unscheinbar, erweist sich diesbezüglich aber dann doch als gut strukturiert; den grössten Eindruck hinterlässt das Monster-Thema mit manch einem wuchtigen Auftritt. Der fein dosierte Humor macht sich durch Xylophon, gestopftes Blech und verspielte Holzbläser bemerkbar. Insgesamt gesehen ist die Musik hervorragend ausbalanciert und sehr charaktervoll. Man kann gut nachvollziehen, warum dieser Score bei vielen so hoch im Kurs steht.
Wer an Stummfilme denkt, die oft mit irrwitzigen Verfolgungsjagden aufwarten, hat bestimmt Bilder von Polizisten im Kopf, die wie eine Kette aneinandergereiht an an Autos hängen und mitgeschleift werden. Mit ABBOTT AND COSTELLO MEET THE KEYSTONE KOPS (1955) huldigen Bud und Lou dieser waghalsige Truppe, angesichts deren Treiben die Stunts eines Jackie Chan geradezu harmlos wirken. Die Musik dazu stammt von den gut aufeinander abgestimmten William Lava, Herman Stein und Henry Mancini, und im Gegensatz zu Skinner bauen sie auf die Wirkung von Mickey-Mousing.
Den «Main Title» gestaltet Mancini, und das von Lava stammende Hauptthema in Form eines schnellen Marsches mutet in seiner Verarbeitung wie eine Vorstudie zu THE GREAT RACE an. «Cops and Robbers», ein weiterer Mancini-Leckerbissen, ist exemplarisch für den Einbezug von Fremdkompositionen aller Art (der von Lava und Stein stammende, furiose Zehnminüter «Keystone Chase» ist geradezu gespickt damit); nebst «The Song of the Volga Boatmen» und einem kurzen Rózsa-Zitat (THE KILLERS) greift Mancini zu «Mysterioso Pizzicato», einem seit Stummfilmtagen gerne benutzten, augenzwinkernden Bösewicht-Motiv.
ABBOTT AND COSTELLO MEET THE KEYSTONE KOPS weist wenig Subtilität auf, ist aber ein nicht allzu nerviger Vertreter des Mickey-Mousing. Das liegt einerseits daran, dass das Überkandidelte mit viel Charme und Liebenswürdigkeit dargeboten wird, anderseits an der Fähigkeit der Komponisten, eine Musik zu formen, die nicht nur den Film vorzüglich komplementiert, sondern durchgängig auch angenehm catchy ist. Wer ab und zu mal eine kurze Gemütserheiterung braucht, ist damit also bestens bedient.
An dieser CD kann ich nichts zum Kritisieren finden. Sei es die leidenschaftliche Darbietung des Royal Scottish National Orchestra unter William T. Stromberg, der präsente Klang, die optische Gestaltung (obwohl weder Artwork der Filme noch Bilder daraus verwendet wurden) oder die Liner Notes von Golden-Age-Koryphäe Ray Faiola. Alles ist geradezu mustergültig, und man kann daher bereits jetzt von einer der besten Filmmusik-Veröffentlichungen 2025 sprechen.
| Andi 13.05.2025
ABBOTT AND COSTELLO MEET FRANKENSTEIN
Frank Skinner
ABBOTT AND COSTELLO MEET THE KEYSTONE KOPS
William Lava, Herman Stein, Henry Mancini
Intrada INT 7183
69:38 Min. / 29 Tracks