«PROVA D’ORCHESTRA hat kein musikalisches Hauptthema, sondern ist stattdessen eine Klangmontage. Dies, weil es im Film weniger um eine Orchesterprobe geht, sondern vielmehr um die turbulente politische Szene im Italien der 1970er-Jahre.» Mit diesen treffenden Worten beschreibt Gergely Hubai in den Liner-Notes dieser CD das letzte gemeinsame Projekt von Federico Fellini und Nino Rota.
Analog dazu ist denn auch die seinerzeitige LP-Veröffentlichung von PROVA D’ORCHESTRA für jene Filmmusikfans, die einfach nur die reine Musik geniessen möchten (und das dürfte auf die meisten zutreffen) der Alptraum schlechthin. Auf Seite 1 dieses Albums findet man nur einen einzigen, fast 20-minütigen Track, der zur Hauptsache aus Dialogen, Hintergrundgeräuschen und Einspielübungen diverser Instrumente besteht. Themen des Films sind da und dort kurz zu vernehmen, und Rota-Kennern wird nicht entgehen, dass gleich zu Beginn «La Passerella» aus OTTO E MEZZO angespielt wird, sowie später ein von der Trompete dargebotenes Thema, das auch als «Jackie’s Theme» in DEATH ON THE NILE auftaucht.
Etwas besser in Sachen ungestörter Musik sieht es bei den sechs Tracks auf Seite 2 aus. Dort ist zwar unter anderem gelegentlich die Stimme des (Film-)Dirigenten zu hören, der gewisse Sequenzen wiederholen lässt, aber im Grossen und Ganzen steht doch die Musik als solche im Vordergrund. Und da haben wir es dann mit dem unverkennbaren Fellini-/Rota-Sound zu tun, schräg, circensisch, humorvoll, romantisch und sogar mit der ein oder anderen Bernard-Herrmann-Anlehnung. Und das finale «Risatine maliziose» ‒ sicherlich das eigentliche Hauptthema ‒ rundet das gemeinsame Lebenswerk von Regisseur und Komponist mit viel Temperament und der an «Gelsomina» aus LA STRADA erinnernden Trompete ebenso lebhaft wie wehmütig und damit äusserst passend ab.
Als CAM den Score 1991 und 2008 auf CD wiederveröffentlichte, wurde dem LP-Programm eine zehnminütige Suite beigefügt, die Rotas Musik frei jeglicher Nebengeräusche präsentiert, und dies ist im Grunde genommen alles, was man von PROVA D’ORCHESTRA braucht. Selbstverständlich hat Music Box die Suite in die Bonus-Tracks dieser CD mit aufgenommen und überrascht darüber hinaus mit rund 16 Minuten bisher unveröffentlicher Musik. Darunter befinden sich Bearbeitungen für kleinere Besetzungen sowie für Solo-Klavier, und dass man hier Rota höchstpersönlich am Piano erleben darf, ist schon etwas Besonderes. Mit dieser Veröffentlichung von PROVA D’ORCHESTRA haben wir den vermutlich sehr seltenen Fall, dass die Bonussektion attraktiver ist als das Hauptprogramm und folglich als primärer Anreiz für den Kauf dieser limitierten Edition dienen dürfte. Der LP-Schnitt ist allenfalls als Zeitzeugnis oder Film-Souvenir von Interesse. Als Ganzes betrachtet ist diese CD jedoch für alle, die das Gesamtwerk von Fellini/Rota ihr Eigen nennen möchten, unerlässlich.
Andi 30.3.2020
PROVA D'ORCHESTRA
Nino Rota
Music Box Records MBR-172
59:53 Min.
16 Tracks
Limitiert auf 500 Stk.