Nach E.T. THE EXTRA TERRESTRIAL wollte jedes Studio mit ausserirdischen Besuchern absahnen. Ein erfolgreicher Film zieht Nachahmer mit sich, die meistens ebenso schnell wieder verschwinden wie sie gekommen sind und danach in der Versenkung verschwinden. Mit grossem Bruhei und Trallala wurde 1986 der von George Lucas mitproduzierte HOWARD THE DUCK angekündigt. Die Ausgangslage alleine lässt einen mehr unverständlich denn ehrfürchtig mit dem Kopf schütteln: Howard, der extraterrestrische Enterich, landet nach einem missratenen Experiment auf der Erde und verliebt sich in die hübsche Sängerin einer Girl Band, doch die fiesbösen dark overlords sind nicht fern.
Der Charakter Howard entstammt einer Marvelcomics-Reihe, bei der der Held mitunter verdächtig ähnlich aussah wie Disneys Donald Duck. Das aber nur am Rande. Wie so oft – und weil dieses Ding auch wirklich schwer zu verdauen ist – floppte der Film gewaltig. Kaum jemand wollte einen leicht untersetzten Federviehhelden sehen, der mit Lea Thompson (BACK TO THE FUTURE) das Bett teilt und zusammen mit Tim Robbins gegen das Böse kämpft. Und nachdem zwei Jahre zuvor schon BEST DEFENSE mit Eddie Murphy und Dudley Moore untendurch musste, war das Regieleben des Willard Huyck (Drehbücher zu INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM, AMERICAN GRAFFITI) damit eigentlich beendet.
Wie es heute Usus ist, schreiben Liner Notes Autoren bei
schlechten Filmen stets «has developed a vast cult following» oder «has since become
a cult classic». Schlechter Film bleibt aber schlechter Film, da kann man linernoten
wie man will.
Viel interessanter ist das Geschehen um John Barry und seinen Score. Zunächst
sollte Thomas Dolby, der die Musik der im Film gezeigten Girl Band Cherry Bomb beisteuerte
und den Mädels das So-tun-als-ob vor der Kamera beibrachte, auch die Filmmusik
beisteuern. Das misslang und so kam John Barry zum Handkuss in kurzer Zeit viel
Musik schreiben zu müssen. Erst kurz zuvor wurde er mit dem Oscar für OUT OF
AFRICA belohnt und freute sich darauf George Lucas zu treffen. Doch auch John
Barrys Musik fiel nicht so aus, wie es sich die Macher vorgestellt hatten, vor
allem was die Actionszenen betraf. Regisseur Huyck waren Barrys Cues für diese
Sequenzen zu James-Bond-mässig. Also gelangte man nach den beendeten Aufnahmen
an Sylvester Levay, der damals hauptsächlich mit der TV-Show AIRWOLF bewies, wie
fix er in kurzer Zeit actiongeladenes Material liefern konnte. Insgesamt fast
19 Minuten nahm Levay auf, anderthalb Wochen nachdem er begann vor allem Stücke
für die zweite Hälfte des Films neu zu schreiben.
So teilt sich die Intrada CD auf 3 Discs auf. CD 1 mit dem John Barry Score. CD 2 mit alternativen Stücken, die Barry nach den Anmerkungen der Filmemacher umschrieb sowie Sylvester Levays Musik plus dessen «alternates» (in der Tat kam auch Levay in den knapp 10 Tagen in den Genuss der nach und nach um sich greifenden Paranoia seitens Huck & Co.). Auf CD 3 schliesslich sind die Thomas Dolby Songs enthalten (wirklich nur für die ganz hartgesottenen HOWARD Fans!) sowie abschliessend das seinerzeitige Soundtrack Album mit 20 Minuten Barry und 20 Minuten Songs, das lange die LP-Regale verstopfte.
John Barry beginnt stimmungsvoll mit einem Jazzthema für Trompete, Klavier und Streicher («Lullaby o Duckland»), danach folgt ein leichter Bruch mit dem irgendwie karibisch (hä?) angehauchten «Disco Duckland» – der Track ist allerdings zu kurz, um wirklich weh zu tun. Ebenfalls nur kurz ist in «Main Title» wiederum das Jazzthema, dieses Mal von einem Saxophon gespielt, zu hören, ehe dramatische Klänge und das Orchester, den ganz grossen Teil des Scores stemmend, übernehmen um schliesslich ab ca. 1:10 in typisches John Barry Land überzugehen. Im letzten Drittel dieses Tracks ist schliesslich das eigentliche, Abenteuer behaftete Heldenthema von Howard zu hören. Ein Hauch von James Bond, THE BLACK HOLE und HIGHROAD TO CHINA schwingen mit, so auch gegen Ende des auf leicht dosierte Spannung getrimmten «Howard to the Rescue».
Eine weitere Jazzversion des Anfangsthemas ist «Beak Jobs and Tail Tucks», anstatt Trompete und Saxophon nun mit Querflöte. Typisch Barry ist «You’re the Duckiest», wenn er sein Abenteuerthema nimmt, zu einem Liebesthema umfunktioniert und das Jazzthema zum Ende einarbeitet. Unvergleichlich Barry-esque. Es geht auch verspielt wie in «Taxi Ride (Alternate)» oder dessen zweiter Version «Taxi Ride», die völlig anders aufgebaut ist. Dazu gesellt sich ein Spannungsmotiv, das Barry entweder mit Xylophon auffällig würzt oder mit Holbläsern und Streichern etwas zurückhaltender bedient. Aus all diesen Ingredienzen schafft Barry einen… Barry eben. Einfach gehalten, schnell ins Ohr gehend, nichts Kompliziertes halt. So schrieb John Barry in den 80ern Filmmusik. Und wer das mag, der ist mit HOWARD THE DUCK trotz der Ausgangslage eines wirklich missratenen Films dennoch bestens bedient. Ein bisschen schade, dass Barry den gelungenen, jazzigen Beginn mit Dauer des Scores mehr und mehr beiseiteschiebt. Sein Abenteuerthema führt Barry in den letzten Stücken fast ad nauseam und zu wenig variantenreich vor, da kommt Howards Heldenthema jeweils wie gerufen, aber doch ein wenig zu kurz.
Einerseits ist zu verstehen, wieso den Machern Barrys Partitur teilweise zu «bondig» war, andererseits hätte sich bis 1986 rumsprechen müssen, dass Barry eben nach Barry klingt. Und wenn ein Track «Duck Bond I Presume» heisst, naja, dann war auch eine gewisse Anforderung in dieser Richtung an den Komponisten da.
Sylvester Levay jedenfalls kam die Aufgabe zuteil, einen Teil des Scores und Barrys Themen aufzupimpen, in ein moderneres Setting mit mehr Zug, mehr Action und elektronischen Beigaben zu bringen. Levay versucht die Simplizität von Barrys Stil beizubehalten und mit den Motiven zu spielen («Howard’s Bar Brawl» Rescore), lustigerweise erinnerte mich Levays eigenes Material für einen kurzen Augenblick ein wenig an Alan Silvestri light («Shoot to Kill – Rescore alternate)». Die E-Drums Maschinerie seiner neu gefertigten Stücke versetzt uns dabei merklich in die 80er Jahre zurück («Ultralight #1», «#2» und «#3» Rescore alternate), aufgenommen scheinbar mit einer etwas kleineren Besetzung als bei Barry. Wie weiter oben angesprochen bedurfte es auch bei Levay einer zusätzlichen, revidierten Fassung, seine ursprünglichen sieben Stücke (CD 2 10 – 17) sind meiner Meinung aber gelungener. Spannend ist der Vergleich der diversen «Ultralight» Stücke, wie sie sich Barry vorstellte, seine alternativen und Levays temporeicheren Versionen. Übrigens, John Barry traf George Lucas während des gesamten Prozesses nie, was er sehr bedauerte, und bei einem weiteren «fantasievollen» Abenteuerfilm, der 1986 entstand, erging es Barry gleich noch schlechter als bei HOWARD: Sein gesamter Score zu THE GOLDEN CHILD (dem Eddie Murphy Vehikel) wurde mit Musik von Michel Colombier ersetzt.
Phil, 1.11.2019
HOWARD THE DUCK
John Barry
Intrada Special Collection
CD 1: 79 Min. / 45 Tracks
CD 2: 59 Min. / 26 Tracks
CD 3: 75 Min. / 19 Tracks