John Williams – Conductor

Das Schaffen vom 51-fach Oscar-nominierten und dabei fünffach ausgezeichneten Komponisten John Williams muss man in diesen filmmusikaffinen «Breitengraden» nicht skizzieren. Und es dürfte auch den meisten bekannt sein, dass Williams neben seiner Tätigkeit als Komponist für Film- und klassische Musik – über 120 vertonten Filme, über 200 vertonte TV-Filme der wegweisenden «Anthology»-Serien, 17 Concertos und 20 Konzertwerke – auch ein umtriebiger Dirigent ist. 1980 wurde er zum musikalischen Leiter der renommierten Boston Pops. Seit 1993 ist er deren Ehrendirigent. Dieses umfassende Schaffen wird von unzähligen veröffentlichten Alben in seiner ganzen Breite abgebildet. Sony Music hat nun mit JOHN WILLIAMS – CONDUCTOR eine 20-CD-Box zu einem unschlagbaren Preis veröffentlicht, die besonders auch aufgrund der stilistischen Breite zu begeistern weiss. Mit dem Fokus auf Williams als Dirigent umfasst die Box nicht «nur» Auszüge aus seinem Schaffen, sondern auch Musik unzähliger weiterer namhafter Komponisten und Musiker aus der Filmmusik, Klassik und Pop-Musik – von Miklós Rózsa über Aaron Copland, Carl Orff über Vangelis bis hin zu Legenden wie Leonard Bernstein, Frank Sinatra, Michel Legrand, George Gershwin, Alan Menken und Cole Porter. Klar, alle in dieser Box enthaltenen CDs sind Neuauflagen bereits veröffentlichter Alben. Aber als «Zusammenzug» in dieser Box erhältlich für rund CHF 6 pro CD und als «handliches Päckchen», das einem während über 20 Stunden mit unzähligen Klassikern und weltberühmten Melodien bestens zu unterhalten vermag.

Die in JOHN WILLIMAS – CONDUCTOR enthaltenen Alben datieren auf den Zeitraum der Veröffentlichung von 1990 bis 2017, wobei bis und mit 2002 in beachtlicher Regelmässigkeit von Williams dirigierte Alben veröffentlicht wurden und dann ein Sprung bis ins Jahr 2017 bemerkt werden muss. Nicht, dass Williams während dieser Zeit untätig gewesen wäre – in den Jahren 2002 bis 2017 erschienen 19 neue Filmmusiken. Aber allenfalls ging er es in Sachen Aufnahmen einfach etwas ruhiger an – während dieser Zeit sind zwar auch «gemischte» Alben mit Musik von John Williams erschienen, jedoch neue Zusammenstellungen bereits existierender Aufnahmen (allenfalls in optimierter Klangqualität) und keine explizit neuen Aufnahmen.

Das erste Album, «Pops on Broadway 1990 – Music of the Night», präsentiert, wie es der Albumname vermuten lässt, Broadway-Klassiker von u.a. Stephen Sondheim, Jerome Robbins, Leonard Bernstein und Andrew Lloyd Webber. Keine Melodie hier, die man nicht kennt. Von INTO THE WOODS (1987), über PHANTOM OF THE OPERA (1987), EVITA (1976), CATS (1981) bis natürlich hin zur WEST SIDE STORY (1957). Zum Mitschwelgen und Mitsummen – und garantiert hat man die Melodien nachher tagelang im Ohr.

Mit den Alben #2 und #3 folgen zwei erste Alben, die sich dem Filmmusikschaffen des Maestros selbst widmen: «The Star Wars Trilogy» und der erste Teil der «Spielberg/Williams Collaboration»-Reihe. Die Albentitel sind Programm, die Musik hinreichend bekannt und allseits beliebt. Es ist schön, dass der Perle EMPIRE OF THE SUN (1987) auf dem Album #3 mit zwei Stücken etwas Rampenlicht zukommt. Zudem ist die 9-minütige CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND-Suite (1977) immer ein besonderer Hinhörer (während das Album als Ganzes – geschweige denn die 2017 La-La Land 2-CD-Version – aufgrund der Länge und Atonalität schon überwiegend fordernd ist).

Die Alben #4 und #6 dürften bezüglich des Hörgenusses stark vom Gemütszustand und der Jahreszeit, in der sich der Hörer aktuell befindet, abhängig sein. Mit «I Love a Parade» hat Williams zusammen mit den Boston Pops ein Album mit Big Band-, Marsch- und Parade-Musik aufgenommen. In der vollen Länge dürfte es je nach musikalischen Präferenzen etwas «too much» Marschmusik sein. Album #6, «Joy to the World», präsentiert eine super Weihnachtsmusik-Zusammenstellung – aber eben, ausserhalb der Festtagszeit wohl eher unpassend als Musikwahl.

Die Alben #7, #8 und #10 widmen sich der Big Band- und Swing-Musik – «Night and Day – John Williams & the Boston Pops Orchestra Celebrate Sinatra», «Unforgettable» und «It don’t Mean a Thing if it ain’t Got that Swing». Hier werden, ähnlich dem ersten Album, weltberühmte Klassiker von u.a. Sinatra, Cole Porter, Johnny Mandel, Glenn Miller, Duke Ellington, George Gershwin, Count Basie und Louis Prima zum Besten gegeben – wobei die Orchester-Adaptionen oftmals wirklich gelungen sind. Zum Mitwippen, Mittanzen, mal wehmütig Seufzen und zum Schmunzeln.

Die Alben #5 und #9 gehören für mich thematisch und vom «musikalischen Duktus» her etwas zusammen. Während das «Green Album» zwar thematisch eher auf der Pathos-Seite ist und damit, ähnlich dem «I Love a Parad»-Album, nach der Hälfte vom Musikstil her «Ermüdungserscheinungen» auftreten können, so enthält es doch auch ein paar wunderbare Aufnahmen – bspw. «Appalachian Spring: Simple Gifts» von Aaron Copland und «Green Leaves of Summer» von Dimitri Tiomkin aus THE ALAMO (1960). «America the Beautiful» als Abschluss ist dann hingegen etwas zu viel Wasser auf den Mühlen – eventuell ist das aber auch einfach ein der aktuellen politischen Situation geschuldetes, situatives Empfinden. Eine Perle findet man dann auf Album #9 mit der THE RED PONY-Suite (1949) von Aaron Copland – wunderbar facettenreich und kompakt vorgetragen. Auf demselben Album sind zudem noch die BORN ON THE FOURTH OF JULY-Suite (1989) von Williams selbst – und ebenfalls hervorragend – und die «Quiet City»-Suite von Copland zu hören. Gekrönt würde dieses Album von der knapp 19-minütigen THE REIVERS-Suite (1969) von Williams, aber Burgess Meredith «zerredet» diese wortwörtlich – leider passen hier die eingespielten Erzählungen meiner Meinung nach nicht ins Konzept.

Die CD #11 setzte die «Spielberg/Williams Collaboration»-Reihe fort. Diese scheint mir zu nahe auf dem ersten Teil dieser Reihe aufgenommen worden zu sein, denn es gibt thematische Überschneidungen (nicht gleiche Stücke, aber andere Kompositionen derselben Filme; und damit halt doch thematische Ähnlichkeiten). Zudem ist HOOK (1991) – alle Qualitäten dieser Musik in Ehren – mit fünf Stücke auf diesem Album zu dominant. Und «Jim’s New Life» aus EMPIRE OF THE SUN (1987) hätte man evtl. eher auf dem ersten Album der Reihe zu den anderen «Sun»-Stücken als Suite hinzugestellt.

Die Alben #12 und #19 gehören für mich ebenfalls zusammen. «Summon the Heroes» überwältigt mit Blechspiel-Power und heroischem Pathos. Die hier enthaltenen Olympic Games-Fanfaren von Williams sind eine Wucht, wobei einem besonders der Albumabschluss mit der wunderschönen und kraftvollen Komposition «The Olympic Spirit» vom Hocker reisst und noch tagelang im Ohr überallhin mitbegleitet. Die weltberühmten Stücke «Conquest of Paradise» (Vangelis) aus dem gleichnamigen Film von 1992, «Parade of the Charioteers» (Rózsa) aus BEN-HUR (1959) und «Carmina Burana: O Fortuna» tragen das ihrige zum Album bei. Mit «American Journey», sechs Jahre später veröffentlicht, wandelt Williams auf ähnlichen Pfaden, lässt aber mit seiner «American Journey»-Tondichtung auch melancholische und leisere, poetische Töne erklingen. Daraus entsteht ein schöner Kontrast zu den hier ebenfalls wieder präsenten Olympic Games-Fanfaren und Jubilee-Märschen.

Die Alben #13, #16 und #18 stellen jeweils einen Solisten ins Zentrum – mit Itzhak Perlman, Joshua Bell und Yo-Yo Ma wahrlich von Weltformat. Von den Musikstilen her sind die Alben nicht vergleichbar. Zusammen mit Itzhak Perlman hat Williams das Album «Cinema Serenade» aufgenommen. Mit Auszügen aus YENTL (1983) von Michel Legrand, THE AGE OF INNOCENCE (1993) von Elmer Bernstein, CINEMA PARADISO (1988) von Ennio Morricone, OUT OF AFRICA (1985) von John Barry und natürlich auch SCHINDLER’S LIST (1993) von Williams selbst bleibt kein Auge trocken. Da sind der SCENT OF A WOMAN-Tango (1992) von Carlos Gardel und die «lupfigen» Themen aus FAR AND AWAY (1992) und SABRINA (1995), jeweils aus Williams’ Feder, willkommene Tempi-Wechsler. Das Album «Gershwin Fantasy», aufgenommen mit Solist Joshua Bell, startet mit der sehr gelungenen «Fantasy» für Violine und Orchester aus «Porgy and Bess». Interessant auch, dass man hier für die «3 Preludes» ein Duett zwischen Bell an der Violine und Williams selbst am Klavier zu hören bekommt. Das Album «Yo-Yo Ma Plays the Music of John Williams» ist anspruchsvoll geworden. Hier wird nicht Filmmusik gespielt, sondern konzertante Musik von Williams. Williams’ Konzertmusik ist weniger leicht zugänglich als seine Filmmusik, die mit lyrischen, eingängigen Themen sich ins Ohr einnistet. Dies vermisst man bei Willliams’ Konzertmusik. Auch «Concerto for Cello and Orchestra» sowie die weiteren hier präsentierten Kompositionen fordern mit schnellen Wechseln und modernen Musikansätzen viel Aufmerksamkeit ein – oder man springt «verloren» zum nächsten Stück. Dies ist auch mit «The Five Sacred Trees» von Williams auf Album #14 der Fall (dort hingegen ist die «Symphony No. 2 „Mysterious Mountain“» von Alan Hovhaness ganz wunderbar anzuhören). Mir ging es so. Fantastisch wäre gewesen, wenn hier mit der MEMOIRS OF A GEISHA-Suite (2005; auf dem Album «The Music of America – John Williams», 3 CDs, Sony Music, 2012 veröffentlicht) und/oder der Concerto-Adaption der SEVEN YEARS IN TIBET-Filmmusik (1997) ein etwas vertrauterer, zugänglicherer Kontrapunkt gesetzt worden wäre.

Die Alben #15 und #17 lassen die Golden-Age-Filmmusik-Fans voll auf ihre Kosten kommen. Das Programm von «The Sound of Hollywood» mag altbacken wirken – hier tummeln sich «die üblichen Verdächtigen» mit Erich Wolfgang Korngold, Maurice Jarre, Nino Rota, Bernard Herrmann, Franz Waxman, Miklós Rózsa, Hugo Friedhofer und Williams selbst. Aber deren Melodien sind und bleiben gern gehörte Klassiker. Ähnlich zu und her geht es auf dem Album #17, «Cinema Serenade 2: The Golden Age», wobei hier wieder Itzhak Perlman als Solist zur Violine greift. Eine kurze (47 Minuten), aber nostalgische «Fahrt down Memory Lane».

Das Set schliesst mit dem dritten Teil der «Spielberg/Williams Collaboration»-Reihe. Die detaillierte Kritik hierzu kann man in der «John Williams & Steven Spielberg – The Ultimate Collection»-Rezi lesen.

Fazit: Wenn man sich durch dieses Box-Set durchhört, hört man sich durch zahlreiche Epochen und Stile. Kontemporäre Klassik, beschwingte Oldies, weltberühmte Filmmusik-Themen, epische Fanfaren, schrullige und besinnliche Weihnachtsmusik, Märsche und Elegien – hier ist fast alles zu finden (mit der Vangelis-Musik sogar ein paar Synthi-Klänge). Dass hinter all diesen Aufnahmen die Person John Williams als Dirigent und in manchen Fällen auch als Komponist und gar Piano-Solist steckt (als Pianist hat er sich in seinen Anfangsjahren die Sporen abverdient), macht JOHN WILLIAMS – CONDUCTOR zu einem kompakten, äusserst beindruckenden Zeugnis von Williams’ umfassenden Schaffen. Hier holt man sich für wenig Geld ganz viele herausragende, ikonographische und interessante Hörstunden ins Haus.

Basil, 3.10.2018

JOHN WILLIAMS – CONDUCTOR 

John Williams, various 

Sony Music 

1237 Min (20h 37 min)
273 Tracks (20 CDs)