COLOSSUS: THE FORBIN PROJECT ist heute nicht weniger brisant als die Thematik 1970 war. Megacomputer nimmt das Schicksal der Menschheit in die „eigenen Hände“. Heute scheinen es zwar weniger die Computer selber als die Anwendungen, Suchmaschinen und social media Konzerne zu sein, die den Lauf der Zeit vieler Menschen merklich mitbestimmen. Vielleicht so extrem wie nie zuvor. Vielleicht so beeinflussend wie selten vorher. Damals, Endes der 70er Jahre, war es eine Novelle von D.F. Jones, in der von einem Supercomputer erzählt wurde, der den Militärs den schwerwiegenden Entscheid abnehmen sollte, wann, ohne jegliche menschliche Komponente und deshalb nur auf Logik basierend, auf das Knöpfchen gedrückt werden solle um einer Bedrohung des damaligen Klassenfeindes, der Sowjetunion, zuvor zu kommen. Joseph Sargent (THE TAKING OF PELHAM ONE TWO THREE, MACARTHUR) nahm sich des Stoffs an und verfilmte ihn mit einem eher unbekannten Cast, allen voran Eric Braeden (ESCAPE FROM THE PLANET OF THE APES) als Dr. Forbin und Susan Clark (VALDEZ IS COMING) als dessen Assistentin. Forbin hat Colossus erschaffen, dessen Rechenkapazität alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Der Name ist Programm, denn Colossus braucht ein ganzes Berginnere in den Rocky Mountains um untergebracht zu werden. Schnell schon begibt sich der Riesenrechner auf ganz eigene Wege und beginnt damit, seinen Erschaffer und damit die ganze Regierung zu erpressen, als er mit einer fast gleichzeitig in der UdSSR ans Netz gegangenen Konkurrenzmaschine in Dialog tritt, was seine Schöpfer, allerdings zu spät, unterbinden wollen. Ähnlich gelagert war eine Generation später John Badhams WAR GAMES (1983), wo ein Hacker ins Rechenzentrum der US-Streitkräfte gelangte und beinahe, wenn auch unbeabsichtigt, den dritten Weltkrieg ausgelöst hätte. Der ganz grosse Unterschied liegt allerdings darin, dass Badhams Film ein Hit wurde, während COLOSSUS: THE FORBIN PROJECT zu einem Flop wurde. Doch wie heisst es heute so schön… „it has earned a cult following since“.
Michel Colombier zog es bald nach seinen ersten Filmmusiken für französische Filme, nachdem Petula Clark ihn als ihren Musical Director engagierte, in die Ferne. So war er bereits Ende der sechziger Jahre in den USA tätig, COLOSSUS zählte mit zu seinen ersten Filmmusiken in Hollywood, die mit dieser La-La Land CD nun ihre Erstveröffentlichung erfuhr. Da ich den Film letztes Mal vermutlich in den 80er Jahren gesehen habe, war mir die Musik nicht mehr präsent. Um mich einzustimmen, schaute ich mir COLOSSUS: THE FORBIN PROJECT also auf bluray an und war nicht nur erstaunt ob der spannenden, immer noch aktuellen Story und des wirklich gelungenen Production Designs, auch die Musik hinterliess den neugierig machenden Eindruck, wie diese denn abgekoppelt vom Film als CD funktionieren würde. Im Film selber nimmt sie eine nicht unbedingt zu erwartende Stellung ein, wäre es doch nicht wenig überraschend gewesen, wenn hier elektronisches Piepsen und Brummen oder klischeehafte Musikalien wenn Colossus russischer Bruder seinen Auftritt haben würde, zu hören gewesen wären. Doch das Piepsen überlässt Colombier ganz den Toneffekten und konzentriert sich auf eine unterhaltsame und kurzweilige Mischung aus avantgardistischen Stilelementen und Jazz, nicht unähnlich dem was Jerry Goldsmith in seiner Fortsetzung ESCAPE FROM PLANET OF THE APES machen würde, allerdings mit etwas weniger Popstyle. Deutlich mehr in Richtung Jazz und Fusion gehen vier, fünf Tracks, die Forbin und seine Assistentin beim von Colossus streng überwachten Nachtessen mit anschliessendem erotischen Techtelmechtel im Schlafzimmer begleitet; hier schaltete Colossus seine Beobachtungstätigkeiten auf Drängen Forbins allerdings aus, nachdem er die ersten zarten Berührungen durch die installierten Kameras noch beäugte.
Es ist das Hauptthema, zumeist von einer Orgel intoniert, das Colombier öfters verwenden und das in „Main Titles“ bereits etablieren wird. Im Score nimmt es eine entscheidende und viel zu hörende Stellung ein. Im Film laufen die Eröffnungscredits über Nahaufnahmen des Computers und zeigen das Dom ähnliche, riesige Innere, in das Colossus gebaut wurde – eine beeindruckende und toll gemachte Titelsequenz und vielleicht einer der unvergessenen Höhepunkte des Films. Nebst dem Hauptthema gibt es ein „fleissiges Bienchen“ Motiv, das die Tätigkeiten untermalen soll, die in Colossus› Stromkreisen, Chips und was weiss ich alles vor sich gehen – oder einfach wenn Colossus an der Arbeit ist. Hier verwendet Colombier Streicherpizzicati, Perkussionsinstrumente wie Kesselpauken, Gongs, Bongos und Bungos, Xylophon etc. und weitere Streichertechniken. In kommenden Stücken variiert Colombier dieses Motiv, setzt weitere Instrumente dazu und lässt in Track 7 „Missile Launched“ zum ersten Mal eigentliche Spannungsmusik, wie wir sie kennen, aufkommen.
Interessanterweise, wie im hervorragenden Booklet von Jeff Bond beschrieben, verlangten die Filmemacher von Colombier in der ein und anderen spannungsbetonten Sequenz einen leichtfüssigeren Touch um die düstere Note des Stoffs etwas aufzuheitern. Colombier ist dem teilweise nachgekommen und was als CD-Erlebnis durchaus funktioniert, scheint für den fertigen Film eben doch nicht ganz rund gelaufen zu sein: Hie und da wurde Musik verschoben, ausgefadet oder wie im Fall von „Nuclear Blackmail“ ohne Verwendung geblieben. Mit den Tracks 11 bis 16 geht die Musik auf die im zweiten Absatz beschriebene Begegnung zwischen Forbin und Cleo ein, die schlussendlich dazu führen soll, dass die beiden sich im Schlafzimmer über mögliche Schritte gegen Colossus unbehelligt unterhalten können.
Das also, die ominöse, düstere Musik für Colossus und der leichtere, jazzige Touch, sind die beiden stilistischen Eckpunkte der Musik von Michel Colombier, die im Finale wieder zu ihrer mehr avantgardistischen, experimentellen, eigenwilligen Natur zurückkehrt. Etwas unpassend wird die CD mit „Kupris Source“ beendet, einem source music Stück, das im Film aber keine Verwendung fand.
Wie erwähnt ist das Booklet sehr informativ, auf 11 Seiten werden viele Infos zum Film, zum Komponisten und der Musik weiter gegeben. Das rundet diese schöne Veröffentlichung ab, die seit ihrem Erscheinen doch so manche Runden in meinem Player hat drehen können.
Phil, 23.8.2018
COLOSSUS: THE FORBIN PROJECT Michel Colombier La-La Land Records 47 Min. 23 Tracks