Von Music Box kommt ein Filmmusik-Trio des im vergangenen November verstorbenen Luis Bacalov, das aussermusikalisch ein paar Gemeinsamkeiten teilt: die Scores wurden fürs französische Kino geschrieben, haben Liebesfilme zur Grundlage und entstanden kurz nacheinander während der Jahre 1983 und 1984. In musikalischer Hinsicht hingegen zeigt Bacolov anschaulich, auf welch unterschiedliche Art und Weise man sich mit der Thematik zwischenmenschlicher Begehrlichkeiten auseinandersetzen kann.
Das wird besonders offensichtlich beim auf den dreibändigen «Ars amandi» des römischen Dichters Ovid fussenden L’ART D’AIMER, wo sich Bacalov den Stilmitteln verschiedener Epochen bedient. Ein für die 1980er typischer, keinen bleibenden Eindruck hinterlassender Titelsong eröffnet einen Score, der sich in der Folge zusammensetzt aus feingliedriger Romantik ‒ gerne Holzbläsern und Streichern anvertraut ‒ dramatischen Intermezzi, ein wenig Jazz, instrumentale und chorale Musik für die alten Römer, die mal «authentisch» mit Trommeln und Fanfaren, mal exotisch-tänzerisch, mal modern à la Igor Stravinsky oder Alex North daherkommt, aber nie in Versuchung gerät, den massiven Klang eines Miklós Rózsa heraufzubeschwören. Ein «mixed bag» also, der keine kohärente, thematische Struktur aufweist, sondern sich als ein Reigen stimmungsvoller Momentaufnahmen versteht. Und so gesehen ist das denn auch eine recht gelungene Sache.
Auch LE JEUNE MARIÉ wartet mit einem Titelsong auf. Dem von Bobby Solo im Stil Elvis Presleys vorgetragene «A Suitcase full of Memories» dürfte jedoch bezüglich Handlung mehr Bedeutung zukommen als dem L’ART D’AIMER-Liedchen, da Rock ’n› Roll doch eine gewichtige Rolle in diesem mit vielen Source-Cues versehenen Scores spielt. Was an sich nicht so der Hit ist, aber für den romantiksuchenden Filmmusikhörer lohnt sich die Sache dann doch noch, denn praktisch die Hälfte von LE JEUNE MARIÉ ist für gefühlvolle Orchesterklänge reserviert, die sich meist im sensiblen und nachdenklichen, von Streichern, Holzbläsern, Klavier, Harfe und Frauenvokalisen bestrittenen Bereich bewegen und in hingebungsvolle Themen gebettet sind. Da sie aber mit den Source-Tracks bunt gemischt sind, drohen sie unter Wert verkauft zu werden.
Diese Gefahr besteht bei UN AMOUR INDERDIT kaum, denn in diesem klassisch gestalteten Score ist die Source-Musik, so sie denn vorhanden sein sollte, hervorragend ins Gesamtbild integriert. Auf meist dezente und träumerische, oft barocke Art und Weise streckt die Romantik vorsichtig ihre Fühler aus und kann sich dabei auf wirkungsvolle Vermittler wie Saxophon, Klavier, Flöte und Harfe verlassen. Auch das Cembalo kommt nicht zu kurz, vor allem durch die Integration einiger Stücke des venezianischen Barock-Komponisten Baldassare Galuppi. Für ein paar vokale Parts konnte Edda dell’Orsa verpflichtet werden, der man wie gewohnt gebannt lauscht. Für den Schluss hebt sich Bacalov noch etwas Spannung auf, aber der Score bleibt vor allem wegen seiner erlesenen Themen und berückenden Stimmungen in Erinnerung. Was ihn denn auch zum stärksten Teil vorliegenden Filmmusik-Trios macht.
Mit dieser Veröffentlichung erweist sich Bacalov einmal mehr als vielseitiger und vor allem romantischer Komponist vor dem Herrn. Sollten in den Archiven noch mehr ähnlich geartete Schätze ‒ vor allem wie UN AMOUR INDERDIT ‒ vor sich hin schlummern, immer her damit!
Andi, 12.4.2018
L'ART D'AIMER / LE JEUNE MARIÉ / UN AMOUR INTERDIT Luis Bacalov Music Box Records MBR-131 CD 1: 74:45 / 29 Tracks CD 2: 50:21 / 27 Tracks Limitiert auf 300 Stk.
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