THE SNOWMAN erlebte eine turbulente Produktion. Ursprünglich war Martin Scorsese mit diesem Projekt in Verbindung gebracht worden, Regisseur Tomas Alfredson, dessen TINKER TAILOR SOLDIER SPY einer der bemerkenswertesten Filme dieses Jahrzehnts ist, stiess recht spät hinzu. Ganze Teile des Drehbuchs sollen nicht verfilmt worden sein und die Verschiebung geplanter Locations von Norwegen nach London haben dem Film nicht so gut getan. Während der Beginn durchaus vielversprechend ist, knickt THE SNOWMAN im letzten Drittel total ein, das Finale ist übereilt und unbefriedigend. Immerhin spielen Fassbender, Val Kilmer, den ich beinahe nicht erkannt hätte, und der Rest des Casts durchaus fein, können aber das verpasste Potential des Films nicht wett machen.
Auch bei den Komponisten gab es Trubel. Johnny Greenwood musste das Projekt verlassen, Marco Beltrami übernahm und der inzwischen 51jährige Amerikaner hat einen überzeugenden Job gemacht. THE SNOWMAN ist eine seiner stärksten Arbeiten seit THE HOMESMAN und SEVENTH SON – schade verzichte Guillermo Del Toro bei A SHAPE OF WATER auf die Dienste seines einstigen Stammkomponisten Beltrami (HELLBOY I + II, MIMIC). Zum Glück für Desplat, der sich den Oscar abholen konnte.
Wie der Film, der Protagonist ist ein abgehalfterter Polizist, dem Alkohol verfallen, der eine Serie grausamer Morde aufzuklären versucht, so ist auch die Musik bleiern schwer, nebulös und oft unnahbar. Zusammen mit dem Chamber Orchestra of London ertönen elektronisch pulsierende aber auch ambiente Klänge („Raftos Visiter“, „Finding Vetlesen“), während Beltrami, der gerne ausgefallene Instrumente einsetzt, hier die aus Schweden stammende Nyckelharpa – ein vier saitiges Streichinstrument mit kurzem Bogen und Tasten für die Bestimmung der Tonhöhe – gebraucht, allerdings recht zurückhaltend (zum Beispiel zu Beginn von „Arriving in Bergen“). Bemerkenswert ist sicherlich „Main Titles“, endlich mal wieder eine zünftige, packende Titelmusik die am Anfang des Films die Richtung vorgibt. Ein Hauch Herrmann ist ab und an herauszuhören, die schnell aufeinander folgenden Wechsel der Instrumentengruppen im staccato, vorwärts treibend und energisch: „Down the Harry Hole“. Trotz oder wegen der 50 Minuten ist THE SNOWMAN eine straffe, keine vorbei plätschernde oder langweilige Thrillermusik. Gibt man Beltramis Komposition etwas Zeit, eröffnen sich durchaus Zusammenhänge und Momente, kurze, empfindsame Passagen machen Sinn. Aus dem Rahmen fällt mit seinem deutlich klassischen Anstrich einzig „Studying Source“, das im Film ab Platte kommt, aber von Beltrami komponiert wurde.
Beltramis Musik trägt im Film viel zur Spannung bei, ihr wurde ein erstaunliches Mass an Platz eingeräumt und im Kontext mit dem Film ist THE SNOWMAN ein echter Gewinn, eine der besten Filmmusiken des vergangenen Jahres.
Gespannt sein darf man sicherlich auf Beltramis nächsten Score zum russischen Drama MATHILDE sein, der demnächst bei Moviescore Media.
Phil, 25.3.2018
THE SNOWMAN Marco Beltrami Back Lot Music 49 Min. / 25 Tracks
Schreib einen Kommentar